Schon vor dem Wochenende ist alles besetzt
Ärger am Stellplatz: Wer hier mit dem Wohnmobil zu spät kommt, muss stocksauer wieder fahren
22.3.2023, 12:03 UhrWas für eine lange, anstrengende Arbeitswoche! Doch endlich ist Freitag, Feierabend, Sommerwetter. Zeit für einen Kurztrip übers Wochenende oder in die Ferien mit dem Camper ins Grüne oder an den See! Doch fahren Sie mal in diesen Zeiten als Familienvater fröhlich mit dem Camper nach Dienstschluss auf einen Stellplatz - Sie werden oft Ihr Wunder erleben.
Mancherorts finden Berufstätige und Familien am Wochenende und in den Ferien keinen freien Camping- und Wohnmobilstellplatz mehr, weil die Plätze rar und schon von denen belegt sind, die mehr Zeit haben und früher anreisen können. Das sorgt für Wut und Enttäuschung.
Begehrt sind auch bei Stellplätzen die guten Lagen
Auf inzwischen 675.000 allein in Deutschland zugelassene Reisemobile (Quelle: Statista 2021) kommen 3.600 offizielle Wohnmobilstellplätze mit 230.000 einzelnen "Touristikstandplätzen" - besonders begehrt sind die guten Lagen an touristisch frequentierten Zielen. Die teureren und komfortableren Campingplätze sind derzeit aus vielen Gründen übers Wochenende oder in den Ferien schon lange ausgebucht. Und wie schaut es derzeit auf Wohnmobilstellplätzen aus? Hier ein paar Beispiele, die repräsentativ für ganz Deutschland sind.
Merkendorf im Kreis Ansbach mit seinem Naturfreibad: Fast alle Plätze sind bei schönem Wetter schon unter der Woche, spätestens aber ab Freitag Nachmittag übers Wochenende belegt - oft von braungebrannten Paaren gehobenen Alters, die in Badekleidung mit einem Glas Wein vor ihren teils nagelneuen Freizeitmobilen sitzen. Man müsste jetzt mit quengelnden Kindern lauernd auf der Straße warten, ob nicht doch noch jemand abreist - um diese Zeit unwahrscheinlich.
Eine hitzige Diskussion um Reservierungen entbrennt
Bis zum nächsten Morgen darf und will man hier nicht warten, und der dazugehörige Campingplatz ist von Großgruppen besetzt. Also weiter ins nahe Mittelalter-Kleinod Wolframs-Eschenbach mit 24 Standplätzen. Drei Stellplätze sind noch frei, auf denen Klappstühle signalisieren, dass hier reserviert ist. Der suchende Wohnmobilfahrer wird neugierig beäugt, doch niemand bietet einen der Plätze an.
Langsam kocht Wut hoch, der Fahrer steigt aus und stellt einen Stuhl beiseite, denn Reservieren ist auf Stellplätzen offiziell nicht erlaubt: Sofort kommt ein Camper und beschwert sich, Freunde würden heute noch anreisen, eine hitzige Diskussion entbrennt, ein unschönes Wort ergibt das andere. Will man in dieser Atmosphäre die wenigen schönen Tage mit diesen Nachbarn verbringen?
Man will nicht und fährt voller Hoffnung an den Brombachsee. In Ramsberg liegen 28 Stellplätze direkt hinter der Strandbucht, alle belegt. Der Parkplatzwächter sagt, dass Samstag früh vielleicht jemand wegfährt, und dass man unter der Woche - wenn man im Büro sitzt - die besten Chancen habe. Weiter zur Badehalbinsel Absberg: Gut 20 Camper stehen vor der Einfahrt auf der Straße, nach einer halben Stunde ist man endlich drin und findet am Rand noch ein Stückchen Wiese - hier öffnen sie 200 Reserve-Stellplätze ohne Strom, wenn die 240 Plätze mit Strom belegt sind - viele kommen aus dem nahen Baden-Württemberg, aus Oberbayern ("Bei uns bekommt man keinen Platz mehr"), manche sogar aus Schleswig-Holstein.
Camping ist gefragt wie nie
Wer nun gar nichts mehr findet, könnte auf einen nahen Campingplatz fahren, immerhin 2.800 Campingplätze bieten in Deutschland rund 210.000 Parzellen an. Doch wer nicht rechtzeitig reserviert, bekommt derzeit in schönen Lagen übers Wochenende oder in den Ferien kaum Platz - ob für Zelt, Wohnwagen oder Campingbus.
"Spätestens eine Woche vor Anreise sollten sie derzeit anfragen oder buchen, bis Mitte August sind die Plätze sehr stark besucht", sagt Georg Spätling vom Bayerischen Campingverband (LCB). Camping ist wegen des gut einzuhaltenden Abstands gefragt wie nie, die Kapazitäten sind jedoch beschränkt und einige Plätze haben wegen der aufwändigen Hygieneauflagen gar nicht erst aufgemacht.
Der Unterschied zwischen Wohnmobilstellplatz und Campingplatz
Bleiben also die offiziellen Wohnmobilstellplätze, auf denen in der Regel nur Fahrzeuge mit eigenem Motor stehen dürfen - also keine Wohnwagen (Caravans). Letztere zieht man mit dem Auto in den Urlaub und baut sie dann für eine Woche oder länger auf einem Campingplatz auf. Wohnmobilstellplätze hingegen sind für die gedacht, die Rundreisen machen, die eine Region oder ein Land kennenlernen wollen und oft nur kurze Zeit an einem Ort bleiben.
Sie sind also eine kostenlose bis günstige (meist zwischen 5 und 20 Euro pro Fahrzeug) Alternative zum Campingplatz und oft ohne, manchmal mit der nötigsten Infrastruktur wie Strom, Wasser und Entsorgung. Sie liegen immer öfter auch vor Campingplätzen, meist werden sie aber von den Gemeinden betrieben, die sich damit etwas mehr Urlauber erhoffen und durch das Angebot Wildwuchs auf ihren Parkplätzen verhindern. Unzählige Wohnmobil-Stellplatzführer listen diese Plätze samt empfohlener Rundreisen für fast alle Länder und Provinzen auf.
Das Verhältnis Stellplätze-Wohnmobile ist nicht so dramatisch
Gibt es davon zu wenige? "Nein, denn außerhalb der Saison sind freie Plätze in Masse vorhanden. Es ist wirklich nur falsch aufgeteilt", sagt Georg Spätling - alles ballt sich an den Schönwetter-Wochenenden und in den Ferien. Und Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD), ordnet das vermeintliche Missverhältnis auf unsere Nachfrage hin ein: "Die Zahl der Neuzulassungen hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht, der Bestand hingegen ist um 44 Prozent gewachsen. Vor zehn Jahren kamen auf einen Touristikstandplatz (Womo-Stellplatz, d.Red.) in Deutschland 3,8 Freizeitfahrzeuge, heute 5,5. Außerdem verreisen zwei Drittel der hiesigen Camper ins Ausland. Durch den bundesweiten Ferienkorridor wird die Problematik leicht entzerrt."
Eine Übernachtung auf Parkplätzen ist erlaubt
Vor drei, vier Jahren war der spontane Trip auf einen Wohnmobilstellpatz dennoch gefühlt nur selten ein Problem, spätestens mit Corona und dem Boom des Campingurlaubs sind Alternativen gefragt. Und so weichen immer mehr Wohnmobilbesitzer in ihrer Not auf (Wander-)Parkplätze aus, denn §12 StVO besagt, dass in Deutschland eine Übernachtung im eigenen Fahrzeug auf öffentlichen Parkplätzen zum Zweck der Wiedererlangung der Fahrtüchtigkeit erlaubt ist - was viel Spielraum offen lässt. Manchmal stehen sie aber auch auf privaten Wiesen oder im Wald, wo sie sich illegal bewegen und für Unmut der Besitzer oder unter den Anwohnern sorgen.
Wer tags auf einem Parkplatz steht und dort übernachten will, für den gilt: Keinen Campingbetrieb etwa mit Klappstühlen, Tisch und ausgerollter Markise betreiben (sonst handelt es sich um offizielles, dort verbotenes Camping), Hinterlassenschaften mitnehmen, Sperrzonen wie Naturschutzgebiete respektieren und sich auch sonst so rücksichtsvoll und unauffällig wie möglich verhalten.
Alternative: Stellplätze auf Privatgrundstücken
Private wie kommerzielle Anbieter haben das Problem der fehlenden Wohnmobilstell- und Campingplatzkapazitäten erkannt und bieten inzwischen günstige Parzellen in Privatgärten, vor Bauernhöfen, beim Winzer oder auf Wiesen an - häufig ohne große Infrastruktur für autarke Fahrzeuge. Vorbild ist der Band von France Passion, den man sich für 30 Euro kauft und ein Gastgeberverzeichnis für ganz Frankreich findet, bei denen man eine Nacht umsonst stehen darf - und dafür etwa ein Produkt kauf. Das deutsche Pendant nennt sich Landvergnügen, ähnliche Angebote gibt es inzwischen auch in Spanien, Italien, Schweden, Österreich, Großbritannien oder Dänemark.
Relativ neu ist der Trend zum Campen in Privatgärten oder auf Privatgrund. In Coronazeiten entstanden die Pop-Up-Camps, auf Zeit werden hier unter anderem von Festivalveranstaltern, Museen oder Privatleuten derzeit über 500 kleine und große Campingflächen in Deutschland ausgewiesen. Fast alle Anbieter sprechen dabei Reisende an, die das Außergewöhnliche suchen und die volle Campingplätze mit Dauercampern und Gartenzwerg meiden möchten, die das einfache Leben und die Natur suchen. Meist gibt es dort keine Infrastruktur, die Camper sollten möglichst autark sein.
Solange man das Gefühl hat, spontan keinen Platz mehr zu bekommen, wird das Angebot an diesen so genannten individuellen Plätzen weiter wachsen. Und hin und wieder vermietet sogar auf Nachfrage der Bauer am See oder in den Bergen sein schönstes Stückchen Wiese unter der Hand - man sollte es halt nicht groß weitersagen.
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