Streit um Atomausstieg

„Habeck-Files“: Muss der Minister gehen? Das hätten viele gern, die Fakten sehen wohl anders aus

Alexander Jungkunz

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26.4.2024, 15:31 Uhr
Robert Habeck (Grüne), Wirtschafts- und Klimaschutzminister, bei einer Plenardebatte im Bundestag.

© Jessica Lichetzki/dpa Robert Habeck (Grüne), Wirtschafts- und Klimaschutzminister, bei einer Plenardebatte im Bundestag.

Natürlich braucht es volle Klarheit, müssen alle Unterlagen auf den Tisch - um die Vorwürfe zu entkräften oder eben zu belegen, die nun gegen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und sein Ressort erhoben werden: Drückte das Ressort entgegen dem Rat von Experten, die längere AKW-Laufzeiten für möglich hielten, den Atom-Ausstieg durch? Wusste Habeck von diesen möglichen Durchstechereien grüner Seilschaften womöglich gar nichts?

Der Aufschrei war zuerst bei manchen riesengroß

Als die ersten Meldungen über die angeblichen oder tatsächlichen "Habeck-Files" (Dateien) am Donnerstag liefen, war die Aufregung sehr rasch sehr groß. Vor allem Medien und Online-Kanäle, die auf Konfrontationskurs zur Ampel und teils zu allen "Systemparteien" stehen, attackierten Habeck und die Grünen aus allen Rohren. Von Riesen-Skandal und vom Versagen all der Medien, die das Thema nicht sofort an vorderster Stelle meldeten, war die Rede.

Am Freitag legte sich bei manchen die Aufregung. In der Tat scheint der Vorgang nicht ganz ungewöhnlich zu sein: In einem Ministerium arbeiten Fachbeamte, die zu Vorhaben verschiedene Standpunkte einholen und dann Empfehlungen ausarbeiten. Ende Februar/Anfang März 2022, also kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, ging es um die Energieversorgung; auch darum, ob entgegen des längst (und von einer unionsgeführten Regierung) beschlossenen Atomausstiegs eine längere Laufzeit möglich und nötig sei.

Es geht um politische Weichenstellungen

So etwas könne sinnvoll sein, heißt es in einem Vermerk, der in den nun herausgeklagten Unterlagen enthalten ist. Aber, so der Vorwurf, die Ressort-Verantwortlichen hätten dies nicht berücksichtigt und/oder dem Minister vorenthalten. Da ist festzuhalten: Immer wieder entscheiden Minister anders als die - nicht immer einigen - Fachleute in den Ressorts. Denn da geht es um politische Weichenstellungen - und die spiegeln auch politischen Streit wider, der sich mit Argumenten für die eine ebenso wie für die andere Entscheidung führen lässt.

Zudem wandten sich zum Zeitpunkt dieser Momentaufnahme - Frühjahr 2022 - auch alle drei AKW-Betreiber gegen die Laufzeitverlängerung, erst Monate später hielten sie einen Streckbetrieb für möglich. Danach entstand der Ampel-Streit: Die Grünen wollten am Ausstieg Ende 2022 festhalten, FDP und Teile der SPD setzten auf Verlängerung, Olaf Scholz sprach dann das Machtwort und legte die Koalition auf das etwas spätere Ausstiegsdatum April 2023 fest.

Gab es Manipulationen im Ressort? Das wird nun zu klären sein. Die getroffenen Entscheidungen - späterer Ausstieg gegen den Willen vieler Grüner (nicht unbedingt gegen Habeck) - wurden dadurch jedenfalls nicht beeinflusst. Entsprechend tiefer hängten viele den Vorgang am Tag nach seinem Bekanntwerden. Nicht alles, was manche gern als Skandal sähen, ist am Ende tatsächlich einer. Aber zu prüfen ist es, genau und gründlich. Nicht nur mit Aufschreien unmittelbar nach den ersten Schlagzeilen.

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