Fränkisches Forschungsprojekt
Langzeitfolgen von Corona: So wollen Experten bei Long-Covid helfen
18.3.2022, 06:00 UhrDer zweite Strich auf dem Corona-Schnelltest - PCR-Test positiv: Die Corona-Pandemie prägt das Leben in Deutschland seit mehr als zwei Jahren. Wie schwer die Symptome sind, ist sehr unterschiedlich: von gar keinen Beschwerden bis hin zur Behandlung auf einer Intensivstation und im schlimmsten Fall Tod. Doch viele leiden auch lange nach der Coronavirus-Infektion an Erschöpfung, fehlendem Geruchssinn, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen oder psychischen Beschwerden. Diagnose: Post- oder Long-Covid. Diesen Patienten soll nun mit einer Studie in Franken geholfen werden.
"Das Ziel ist die Verbesserung der Versorgung von Post- und Long-Covid-Patienten", erklärt Carina Kolb, Referentin Produktmanagement der Dr. Becker Unternehmensgruppe. Gesucht werden für das Forschungsprojekt, das vom Bayerischen Gesundheitsministerium mit einer halben Million Euro gefördert wird, speziell von Covid Genesene.
Luftnot und Angstzustände
"Auf dem Papier genesen, im Alltag kaum funktionsfähig." So gehe es vielen, erklärt Klinikgruppen-Pressesprecherin Rebecca Jung. Angstzustände, Konzentrationsschwierigkeiten, Luftnot und vor allem anhaltende Erschöpfung - zehn bis 40 Prozent der Menschen leiden nach einer Corona-Erkrankung nach derzeitigen Schätzungen an Post- oder Long-Covid.
"Das wird uns noch Jahre begleiten", sagt Dr. Cay Cordes. Der Neurologie-Chefarzt an der Kiliani-Klinik, der Reha-Einrichtung der Dr. Becker Gruppe im mittelfränkischen Bad Windsheim, ist ärztlicher Leiter der Studie, die mit der Abteilung Gesundheitspsychologie der Jacobs University Bremen durchgeführt wird.
Was brauchen die Patienten?
Das Forschungsprojekt läuft unter der Bezeichnung ASAP - Assistierter Sofortiger Augmentierter Post-/Long-Covid-Plan. Bis Ende des Jahres sollen Behandelnde durch die Forschungsergebnisse besser beurteilen können, was Patienten wirklich brauchen, erklärt Cay Cordes.
Ambulante Physio-, Ergo-, logopädische Therapie oder eine stationäre Reha? Wichtig sei die Unterscheidung, ob sie kardiologische oder pulmologische Probleme, neurologische oder psychosomatische haben, erklärt Cordes.
Grundsätzlich wird zwischen Post- und Long-Covid differenziert. "Bei Post-Covid geht es um die Symptome in den ersten vier bis zwölf Wochen nach der Infektion. Alles, was länger als zwölf Wochen bleibt, läuft unter Long-Covid", sagt Cordes. Mitmachen können bei der Studie grundsätzlich von Covid Genesene zwischen 18 und 60 Jahren aus Bayern, erklärt Carina Kolb.
Drei Tage in der Reha-Klinik
Doch wie funktioniert die Studie? Zuerst können alle Interessierten einen Fragebogen ausfüllen. Detaillierte Informationen gibt es unter https://asap.dbkg.de. 60 Ausgewählte werden im Laufe des Jahres zu einer dreitägigen stationären Diagnostik in die Kiliani-Klinik eingeladen.
"Dort geht es um die genaue Erfassung des individuellen Behandlungsbedarfs", sagt Chefarzt Cordes. An Tag eins finden Gespräche mit Ärzten, Psychologen, Therapeuten statt, der Patient wird medizinisch und neurologisch untersucht.
Danach stehe im Mittelpunkt, die Beschwerden "objektiv zu untermauern". EEG, Nervenmessungen, Belastungstests werden durchgeführt. Die Ergebnisse besprechen Mediziner- und Therapeuten.
Klare Empfehlungen am Ende
"Die Patienten werden unsere Klinik mit klaren Empfehlungen für die weitere Behandlung verlassen", verspricht Cordes. Während der gesamten Projektlaufzeit begleiten Lotsen die Teilnehmer, sehr unterschiedliche digitale Angebote wie Trainingspläne oder Ernährungstipps stehen zur Verfügung.
Ein Schwerpunkt wird auf Fatigue gelegt, erklärt Cordes. Ausgeprägte und nicht zur vorherigen Belastung passende Erschöpfung gehöre mit zu den häufigsten Post- und Long-Covid-Symptomen. "Das bedeutet, wenn Menschen beispielsweise nach einer halben Stunde Belastung erst einmal zwei Stunden Pause benötigen."
Long-Covid kann jeden treffen
In der Kiliani-Klinik werden seit Mai 2020 Covid-Patienten nach ihrer Infektion behandelt, meist solche, die beatmet werden mussten. Bis heute stieg die Zahl auf etwa 90.
"Als das Coronavirus SARS-CoV-2 vor gut zwei Jahren nach Deutschland kam, war uns bewusst, dass uns das Jahre begleiten wird", sagt Chefarzt Cay Cordes. "Eins haben wir gelernt: Es gibt bestimmte Dinge, die wir nicht vorhersehen können."
Eines davon sei, wie lange Post- oder Long-Covid die Gesellschaft belasten wird. Noch gebe es viele Fragezeichen, von denen einige mit der Studie angegangen werden sollen. Denn die Coronavirus-Folgeschäden können jeden treffen, sagt Cordes: "An Long- oder Post-Covid erkranken nicht nur schwerstbetroffene. Oftmals trifft es solche, deren Beschwerden in der Akutphase kaum von einer normalen Erkältung zu unterscheiden waren."
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