Herausforderung Zustellermangel

Die VNP-Logistik: Diese Rädchen müssen ineinandergreifen, um 233.000 Zeitungen auszuliefern

Max Söllner

Volontär

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15.11.2022, 10:00 Uhr
Der Verladehof des Druckhauses in der Nürnberger Marienvorstadt.

© Max Söllner, NN Der Verladehof des Druckhauses in der Nürnberger Marienvorstadt.

Alles beginnt an großen Rutschen aus Metall, die spiralförmig hinab in den Verladehof des Druckhauses führen. Hier rauschen hunderttausende Exemplare von Nürnberger Nachrichten (NN) und Nürnberger Zeitung (NZ) mitsamt der Heimatausgaben hinab – Nacht für Nacht, außer von Samstag auf Sonntag.

Zuvor sind Geschichten recherchiert und Zeitungsseiten gedruckt worden. Aber die Logistik des Verlags Nürnberger Presse (VNP), die kommt an den Rutschen erst so richtig in Schwung. Dort, wo sie enden, herrscht gegen Mitternacht, wenn die meisten Menschen schlafen, ein einziges Gewusel. Die einen packen Zeitungspakete auf kleine Wägelchen, andere auf Gabelstapler-Paletten, doch alle eilen in Richtung der vielen weißen Sprinter, die mit geöffneten Türen bereitstehen.

Die Hofmeister Günther Pförtsch (li.) und Heiko Achilles.

Die Hofmeister Günther Pförtsch (li.) und Heiko Achilles. © Max Söllner, NN

"Ich hänge an meinen Leuten und Fahrern", sagt Heiko Achilles, der den Verladehof leitet, das aber gar nicht so wichtig findet: "Ist doch wurscht, ob ich Abteilungsleiter bin. Wir stehen alle zusammen." In dieser Nacht hat er Hofmeister-Schicht und wacht über das, was im Verladehof passiert.

Die letzten, die das Verlagsgelände verlassen

Wann rutscht welche Heimatausgabe aus der Druckerei hinab? Zu welcher Uhrzeit kommt zum Beispiel das Fahrzeug für Schwabach an, lädt es die richtige Heimatausgabe ein, fährt es rechtzeitig ab? "Wir schreiben Protokoll, um zu sehen, an was es gelegen hat, wenn es zu einer Verzögerung kommt", erklärt Achilles. Das Ziel: Wenn ein Fehler auftritt, darf er sich nicht wiederholen - wozu auch schriftliche Reklamationen beitragen, die Fahrer überreicht bekommen. "Wir sind die Letzten, die das Verlagsgelände in der Früh zwischen drei und vier Uhr verlassen", sagt Achilles.

Im Verladehof ist alles eng getaktet. Rutscht zum Beispiel die Heimatausgabe für Erlangen hinunter, muss der zuständige Fahrer sofort einladen – und dann zügig wegfahren. Denn hier, im Druckhaus inmitten der dicht bebauten Marienvorstadt, ist der Platz begrenzt.

Was die Fahrer auch einpacken müssen: Sogenannte Fremdobjekte, meist überregionale Zeitungen von anderen Verlagen. Sie werden von der zur VNP-Gruppe gehörenden Nordbayerischen Zeitungs- und Zeitschriften-Zustellgesellschaft (NZZ) mitausgeliefert – und aus teils hunderten Autobahnkilometern entfernten Druckereien angeliefert. Verspätet sich der Transport, etwa aufgrund eines Unfalls, kann nicht ewig gewartet werden. Sonst hätte am Ende morgens niemand eine Zeitung in der Hand, auch nicht Sie als Abonnenten der NN oder NZ. "Ein Rad muss ins andere greifen", sagt Stefan Söllner, der die Logistik plant.

"Wenn du es gleich richtig machst, hast du später keine Probleme"

Fahrer Eugen-Claudio Columban belädt seinen Transporter.

Fahrer Eugen-Claudio Columban belädt seinen Transporter. © Max Söllner, NN

Gegen halb zwei belädt der Fahrer Eugen-Claudio Columban seinen Sprinter. Dabei trägt er Handschuhe, um sich nicht an den Schnüren der Zeitungspakete zu verletzen. Er ist schon fast allein auf dem Verladehof, da seine Tour nicht weit weg in den Norden Nürnbergs führt. Die Nürnberger Stadtausgabe ist in der Regel die letzte, die gedruckt wird. "Ich sortiere schon jetzt für jeden Stopp vor", antwortet er auf die Frage, wieso er im Laderaum die Pakete mal höher und mal niedriger stapelt. "Wenn du es gleich richtig machst, hast du später keine Probleme."

16 Stopps liegen entlang Columbans Tour, die er seit zwei Jahren fährt. Längst weiß er vieles auswendig, zum Beispiel, wo die Zeitungspakete für den Zustellbezirk 108 abgelegt werden müssen. "Ich hatte noch nie eine Reklamation", sagt er stolz. "Die Nachtschicht ist gut für mich, denn morgens kann ich nicht arbeiten, wegen der Kinder." Seine Helfer gegen Müdigkeit: Kaffee und kleine Snacks.

Am Ablageort für den 108er-Bezirk in der Nürnberger Nordstadt wartet Belinda Gnad. Sie hat vor 23 Jahren mit dem Zeitungsaustragen angefangen und stellt mehrere Bezirke zu – per Handwagen, den sie vor sich herschiebt. Sie trägt eine Cap, eine Stirnlampe und warme Kleidung.

Mit Schlüsselbund unterwegs

In schnellem Schritt zieht Gnad durch menschenleere Straßen. Es nieselt leicht, aber nicht schlimm. Mit einem riesigen Schlüsselbund kann sie die Altbauten von Abonnenten aufsperren, sofern sich die Briefkästen im Treppenhaus befinden. Tür auf, Zeitung rein und weiter.

Zustellerin Belinda Gnad.

Zustellerin Belinda Gnad. © Max Söllner, NN

Gnad weiß auswendig, wo wer welche Zeitungsausgabe abonniert hat. Gibt es Änderungen, wie Urlaubsunterbrechungen, informieren sie Extra-Zettel auf den Zeitungspaketen. "Ah, da kommt diesmal keine rein, der ist jetzt im Urlaub", sagt sie an einer Haustür. "Es kann schon mal sein, dass man einen Fehler macht. Wir sind doch auch nur Menschen. Wenn mir eine Zeitung überbleibt, fällt mir meist sofort wieder ein, wo ich eine vergessen habe." Dann geht es eben nochmal zurück. Für den umgekehrten Fall bekommt jeder Zusteller eine Reservezeitung.

Rund zwei Stunden ist Gnad in ihren Bezirken unterwegs. Schlafen tut sie davor und danach. "Oh, das ist nicht schlecht, da bist du bald wieder daheim und hast den ganzen Tag Urlaub", bewertet sie ihre nächtliche Arbeit. In mehr als zwanzig Jahren sei sie nur selten krank gewesen.

"Schnelle Eingreiftruppe"

Was aber, wenn doch einmal ein Zusteller ausfällt? Kommt drauf an, wie kurzfristig, erklärt der Leiter der Vertriebsinspektion Ralph Hannemann. Mit genügend Vorlauf versuchen er und sein Team, Zusteller etwa aus benachbarten Bezirken zu aktivieren. Klappt das nicht, stehen 25 Springer bereit. Sollten auch diese ausgelastet sein, oder der Ausfall erst während der Nacht bekannt werden, tritt eine "schnelle Eingreiftruppe" (Hannemann) namens Nachtversand auf den Plan.

Stefan Windsheimer ist Teil dieser "Feuerwehr" (wieder Hannemann). Heute geht es für ihn in den Bezirk 217 im Nürnberger Stadtteil Thon, wo der Stammzusteller erkrankt ist. Anders als Gnad muss Windsheimer mit Listen arbeiten. "Ich mache mir immer kleine Eselsbrücken, damit ich die Namen nicht vergesse bis zum Briefkasten", verrät er seine Technik.

Stefan Windsheimer vom Nachtversand vertritt einen erkrankten Zusteller.

Stefan Windsheimer vom Nachtversand vertritt einen erkrankten Zusteller. © Max Söllner, NN

Rund um die Kölner Straße gibt es viele große Wohnanlagen. Das kommt Windsheimer entgegen, hier wird er seine 180 Zeitungen rasch los. "Gestern war ich in Wilhermsdorf auf dem Land, da waren es nur 44 Zeitungen, trotzdem habe ich so lange gebraucht wie hier in Thon. Der 218er ist ein Bezirk, der mir keinen Angstschweiß auf die Stirn treibt." Einmal habe er in einem Kuhstall nach dem Weg fragen müssen – zum Glück sei die Bäuerin da bereits wach gewesen.

Corona hat Zustellermangel verschärft

Gut an seinem Job im Nachtversand findet er die Abwechslung und dass er nicht mehr krank wird, "weil ich bei Wind und Wetter draußen bin", wie er vermutet.

Insgesamt aber, weiß Stefan Kulla, hat die Corona-Pandemie den Mangel an Zustellern weiter verschärft. Der Leiter der Logistik beschreibt die Lage als "prekär, aber nicht katastrophal". Vielerorts, beispielsweise auch bei der Post, würden derzeit Arbeitskräfte fehlen.

Die Zeitungszustellung bleibt davon nicht verschont – trotz aller Notfallmechanismen. Selbst im Anschluss an den Nachtversand, der für Windsheimer an diesem Tag gegen halb fünf endet, stehen weiterhin Mitarbeiter bereit, die den Zustellern fehlende Zeitungen nachliefern und bei extrem kurzfristigen Krankheitsfällen auch mal selbst austragen.

"Wir versuchen wirklich alles”, sagt Logistikleiter Kulla, der zugleich auf die Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verweist. "Sollte die Zustellung temporär nicht gelingen, dann stellen wir für einen bestimmten Zeitraum Kisten zur Selbstabholung auf.” Eine Dauerlösung sei das aber nicht. Kulla: "Unser Auftrag und Anspruch ist die Zustellung, wo immer es möglich ist.”

Zahlen und Fakten:

  • Jede Nacht liefert die Logistik des Verlags Nürnberger Presse mehrere Tonnen Zeitungspapier aus. Allein die Zahl der Zeitungsexemplare beläuft sich auf 233.000 Stück.
  • 64 Fahrerinnen und Fahrer schwärmen vom Nürnberger Druckhaus zu 77 Touren aus.
  • Anschließend übernehmen die rund 2.300 Zustellerinnen und Zusteller. Sie fahren oder laufen täglich 10.017,82 Kilometer, was einer Reise von Nürnberg nach Guayaquil in Ecuador gleichkommt. Insgesamt gibt es 2.615 Zustellbezirke.
  • Zur Verstärkung sucht die Nordbayerische Zeitungs- und Zeitschriftenzustellgesellschaft (NZZ) im gesamten Verbreitungsgebiet Zeitungszusteller (m/w/d).
  • Zeitungszusteller oder Zeitungszustellerin zu sein, bietet viele Vorteile wie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Minijob- und Teilzeitbereich, ein kostenloses Zeitungsexemplar, Rabatte mit der ZAC-Karte, diverse Sozialleistungen wie Jubiläums- und Weihnachtsgeld sowie Sonderurlaube.
  • Ein weiterer Pluspunkt: Nach getaner Arbeit in den frühen Morgenstunden liegt der Tag noch vor Ihnen.
  • Interesse? Gleich anrufen unter 0911/216-1627 oder eine E-Mail an nzz-jobs@vnp.de senden.
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