Kommen die Fahrverbote jetzt zurück?

Historische Bilder: So liefen autofreie Sonntage in Franken

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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27.3.2022, 16:27 Uhr
Ordentlich Radau machte diese Truppe beim ersten autofreien Sonntag am 25. November 1973 in Nürnberg. Die Musik spielte auf, die Rikscha rollte, dahinter wurden Fahrräder aus dem Transporter verteilt.

© Wilhelm Bauer/VNP Ordentlich Radau machte diese Truppe beim ersten autofreien Sonntag am 25. November 1973 in Nürnberg. Die Musik spielte auf, die Rikscha rollte, dahinter wurden Fahrräder aus dem Transporter verteilt.

Ich habe diese Zeit der Sonntagsfahrverbote als sehr angenehm empfunden. Die Straßen waren frei, wir konnten uns auf allen Straßen frei bewegen, auch auf den Autobahnen. Das taten wir zu Fuß, mit Rollschuhen, mit dem Fahrrad zusammen mit Freunden oder der ganzen Familie. Es spielte keine Rolle, ob wir nun in der Straßenmitte oder am Rand entlangfuhren. Wir empfanden das als wohltuende „Freiheit“.

Wie müsste das erst heute wirken? Kein Lärm, kein Rasen, keine Hektik, keine Abgase - ich denke, für viele Menschen kaum vorstellbar. Ich würde dies sehr begrüßen, könnte es doch ein Einstieg sein in eine Zeit, in der wir wieder lernen müssen, etwas bescheidener zu werden. Ich denke, früher oder später werden wir lernen müssen, „kleinere Brötchen“ zu backen. Wir haben nicht das Recht immer alles tun zu können, wozu wir gerade Lust haben.
Franz Köppl, Hallerndorf


Am Morgen um kurz nach sieben Uhr setzten bei mir vorzeitig die Wehen ein. Was tun? Mein Mann traute sich nicht, in die circa 20 Kilometer entfernte Stadt zur Klinik zu fahren, aus Angst, wir könnten angehalten werden. Nach kurzer Beratung riefen wir bei einer Tankstelle an. Der Eigentümer fuhr gelegentlich auch Taxi.

Der gute Mann sagte auch schnell zu und wir hörten schon kilometerweit in der morgendlichen Stille das Auto brummen. Es ging dann auch alles gut, er wartete sogar, bis mich mein Mann in der Klinik abgeliefert hatte (Männer waren damals noch unerwünscht). Seit diesem Tag haben wir unser „Sonntagskind“, es ist im wahrsten Sinne eines geworden und ist es heute noch.
Erika Saal, Wiesenttal


Ich habe 1973 mit meinen Eltern in Langwasser gewohnt; Sonntags ging ich oft mit meinem Vater im Reichswald spazieren, und an so einem autofreien Sonntag sind wir tatsächlich ein paar Minuten auf der A 6 gelaufen, ohne auch nur ein einziges Fahrzeug zu sehen oder zu hören. Heute funktioniert das bestimmt nicht mehr; der „gesellschaftliche Ungehorsam“ ist leider große Mode. Garantiert fährt dann jemand irgendwohin, um den gehbehinderten Dackel der bettlägerigen Oma in den Garten zu tragen oder er hat ein ärztliches Attest, woraus hervorgeht, dass er fahren muss.
Peter Sammeth, Langenzenn


Wir heirateten am 1. Dezember 1973, dem Samstag vor dem zweiten autofreien Sonntag. Wegen des recht spät festgesetzten Fahrverbotes hagelte es Absagen zur Hochzeitsfeier. Manche Absagen wurden erst wieder zurückgenommen, als der Beginn des Fahrverbotes um drei Stunden nach hinten verschoben wurde.
Am Sonntag wanderten wir bei eisiger Kälte verbotenerweise über die in Oberfranken tief verschneite Autobahn zum Bahnhof in die Flitterwochen.
Wolfgang Maucksch, Herrieden


Autofreie Sonntage? Bitte mehr davon! 1973 sind wir auf der B4 von Erlangen nach Bamberg geradelt. Brauchten also nicht wie sonst bei Pettstadt mit der Fähre über die Regnitz, keine Schlaglöcher, glatter Asphalt - herrlich. Damals habe ich kapiert, welche Privilegien Autofahrer haben. Ist leider immer noch so. Höchste Zeit, dass sich das ändert.
Ursula Walther, Herzogenaurach


Es war einer der ersten aufofreien Sonntage im Jahr 1973. Ich war damals Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und musste am Sonntagabend nach Hof zum Schichtdienst. Zusammen mit einem Mitrekruten fuhr ich am Abend in Nürnberg los. Es war bitterkalt, es lag Schnee und die Scheiben beschlugen ständig. Am Anfang verlief alles planmäßig, es gab keinerlei Verkehr. Das dauerte bis zur Ausfahrt Gefrees, als plötzlich das Auto etwas langsamer wurde und dann immer langsamer. Schließlich starb der Motor ab. Wir allein auf weiter Flur, kein Licht. Eisige Kälte machte sich im Körper breit und die Scheiben froren zu. Weit und breit niemand, draußen stockfinster, Handys gab es nicht um Hilfe zu holen, auch keine Notrufsäulen.

Plötzlich kam aus weiter Ferne von hinten ein Licht auf uns zu, ein Auto näherte sich. Eine wunderbare Fügung! Tatsächlich hielt der Fahrer an und fragte, ob er etwas für uns tun kann. Nach einigem Überlegen sagte er, dass er uns im Schlepptau nimmt bis nach Hof. Das waren immerhin 30 Kilometer bei schlechten Witterungsbedingungen. Aber uns blieb nichts anderes übrig, als das Angebot anzunehmen. Also Abschleppseil dran und los. Zwar war die Sicht miserabel und wir mussten ständig die beschlagenden Autoscheiben von innen abkratzen. Doch wir schafften es bis vor die Kaserne.
Reiner Höcherl, Nürnberg

Komplett leer lag die A3 bei der Ausfahrt Behringersdorf an den autofreien Sonntagen da.

Komplett leer lag die A3 bei der Ausfahrt Behringersdorf an den autofreien Sonntagen da. © Wilhelm Bauer/VNP



Ich war damals als Betriebsingenieur in der zentralen Lastverteilung des Bayernwerks in Karlsfeld bei Dachau beschäftigt und hatte deshalb eine Sondererlaubnis während des Fahrverbots. Wir befürchteten damals auch eine Überlastung des Stromnetzes für den Fall, dass viele Leute ihre Wohnungen mit Strom beheizen würden, um Öl zu sparen. In den Fachmärkten waren die Elektroradiatoren in kurzer Zeit ausverkauft.

Wir hatten bereits Notabschaltplane ausgearbeitet, um einen totalen Netzzusammenbruch zu verhindern. Dieses Szenario trat aber dann Gott sei Dank nicht ein. Diese Ölkrise war aber dann maßgebend daran beteiligt, dass das Bayernwerk seine Stromerzeugung in den siebziger Jahren von Öl und Kohle auf die Kernenergie umgestellt hat.
Herbert Thaler, Zirndorf


Zu dieser Zeit war ich Vikar in Kirchensittenbach bei Hersbruck. Am Sonntagmorgen war es merkwürdig still im Dorf, nur das Milchauto kam zur gewohnten Zeit. Der Gottesdienstbesuch in der weit verzweigten Gemeinde war an diesem Sonntag schwach, weil von den zum Teil weit entfernten und abgelegenen Außenorten kaum jemand kam. Einige ließen es sich aber nicht nehmen und kamen zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Nachmittags sind viele Spaziergänger unterwegs. Man will doch zeigen, dass man nicht unbedingt zuhause bleiben muss, wenn man sein Auto nicht benützen darf.

Der zweite autofreie Sonntag war der 1. Advent. Es hatte vorher geschneit. Die Straße von Hohenstein hinunter zur Verbindungsstraße nach Wallsdorf wurde zur Rodelbahn umfunktioniert. Das war eine Freude, eine so lange Abfahrt zu haben.
Günter L. Niekel, Muhr am See



Natürlich erinnert man sich an die autofreien Sonntage, es blieben unvergessliche und tolle Erinnerungen. Ich lebte seinerzeit in der Nürnberger Paumannstraße bei meinen Eltern und wanderte einmal mit einem Freund und einmal mit Omas Dackel nach Wendelstein und zurück. Und zwar über Worzeldorf und Kornburg. Die Ruhe war wohltuend, Fußgänger, Radfahrer und manchmal auch ein Pferdegespann prägten das Straßenbild.
Es wäre längst an der Zeit, diese abgasfreien Sonntage häufiger und regelmäßiger als festen Verkehrsbestandteil einzuführen. Die Umwelt, die Gesundheit und sinkende Energiepreise sprächen dafür und die Menschen würden wieder mehr zu sich selbst finden.

Aber wäre das mit einer Gesellschaft des Jahres 2022 auch realisierbar? Wohl eher nicht, da populistische Politiker lieber völlig unsinnige Schlagwörter wie die Benzinpreisbremse oder einen Tankrabatt in den Umlauf bringen. Teure staatliche Eingriffe, die die Mineralölindustrie und der -handel sofort wieder einpreisen würden.
Claus Reis, Schwabach



Im Jahr 1973 wohnte ich als 10-jähriger Junge in Langwasser, direkt neben der Münchener Straße. Täglich vibrierten die Fensterscheiben, wenn Lastkraftwagen vorbeifuhren oder der Verkehr sich staute. Als dann das Sonntagsfahrverbot kam, fuhren wir Kinder mit unseren Rädern auf der Straße hin und her und meine Eltern genossen die Ruhe.

Ich kann mich nicht erinnern, dass die Leute es schlimm fanden, einmal nicht Auto fahren zu dürfen oder zu müssen. Leider ist die Politik heute nicht mehr so mutig, nicht einmal für ein Tempolimit reicht es. Trotz aller Sonntagsreden zum Umweltschutz. Einige Tage der Stille (mit nicht zu vielen Ausnahmegenehmigungen) würden Stadt und Land gut tun.
Robert Wunder, Nürnberg

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