S-Bahn-Unglück bei München

Tödliche Kollision: Lokführer missachtete Vorschriften

Arno Stoffels

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23.6.2022, 11:41 Uhr
Im Februar stießen südlich von München in der Nähe der Haltestelle Ebenhausen-Schäftlarn zwei S-Bahnen zusammen. Offenbar missachtete ein Lokführer mehrfach Vorschriften.

© Matthias Balk, dpa Im Februar stießen südlich von München in der Nähe der Haltestelle Ebenhausen-Schäftlarn zwei S-Bahnen zusammen. Offenbar missachtete ein Lokführer mehrfach Vorschriften.

Die Ermittlungen zum tödlichen Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen laufen auf Hochtouren. Vieles deutet auf einen technischen Defekt an den Gleisen oder auch am Zug hin.

Doch bis die Ursache feststeht, wird es noch dauern. Die Experten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) arbeiten penibel, nehmen jedes kleinste Detail unter die Lupe. Meist vergehen deshalb viele Monate, bis offiziell zu einem Unglück auf Gleisen Stellung genommen wird.

Das zeigt sich auch mit Blick auf den Zusammenstoß zweier S-Bahnen südlich von München. Bei der Kollision auf der eingleisigen Strecke am 14. Februar 2022 starb ein Reisender, zehn Menschen wurden schwer und 47 leicht verletzt.

Zudem kam es zu einem erheblichen Sachschaden, die Strecke musste über Wochen hinweg gesperrt werden.

Zwischenbericht liegt vor

Vier Monate später hat die BEU nun einen Zwischenbericht veröffentlicht. Wie bereits kurz nach dem Unglück vermutet, kam es durch menschliches Versagen zu dem Unfall.

Die Auswertung der elektronischen Fahrtenregistrierung ergab demnach, dass der nach München fahrende Zug der S 7 bereits vor dem Bahnhof Ebenhausen-Schätlarn durch das Sicherungssystem PZB (Punktförmige Zugbeeinflussung) zwangsweise abgebremst wurde, weil der Triebfahrzeugführer zu schnell unterwegs war.

Daraufhin löste der Triebfahrzeugführer die Zwangsbremsung ohne die vorgeschriebene Rücksprache mit dem Fahrdienstleiter mittels der Freitaste auf und fuhr weiter, so der Bericht.

Erneute Zwangsbremsung

Nach der Abfahrt in Ebenhausen-Schäftlarn missachtete der Lokführer dann ein Haltesignal und wurde erneut zwangsgebremst. Wieder löste der Mann daraufhin den Mechanismus, wieder ohne Rücksprache mit dem Fahrdienstleiter.

Die aus Richtung Baierbrunn entgegenkommende S-Bahn bekam anschließend ein Haltesignal, weil der Streckenabschnitt bereits befahren wurde. Auch hier schlug zudem die PZB an. Der Triebfahrzeugführer selber leitete noch eine Schnellbremsung ein und kam zum Stillstand.

Doch es ist zu spät. Um 16.35 Uhr kommt es zur folgenschweren Kollision. Der Lokführer, der sich laut Bericht über die Vorschriften hinweggesetzt hatte, ist zu diesem Zeitpunkt noch mit 57 Kilometern pro Stunde unterwegs.

Ermittlungen laufen

Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft nach wie vor wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung.

Die BEU-Experten listen im Zusammenhang mit dem Unfall noch zwei weitere, ähnlich gelagerte Fälle auf. So kam es am 1. August 2014 im Bahnhof Mannheim nach dem Fehlverhalten eines Lokführers zu einer Zugkollision, bei der vier Personen schwer und mehrere leicht verletzt wurden.

Am 23. April 2022 konnte eine Zugkollision zwischen einem Güterzug und einem Personenzug im Bahnhof Hanau nur durch das sofortige Absetzen eines Nothaltauftrages durch den zuständigen Fahrdienstleiter verhindert werden.

Sicherheitsempfehlungen der Experten

"Auch in diesem Fall fuhr der Lokführer unzulässig an einem Halt zeigenden Hauptsignal vorbei, löste die durch die PZB ausgelöste Zwangsbremsung auf und fuhr in der Folge ohne Verständigung mit dem Fahrdienstleiter unzulässig weiter", so der Zwischenbericht.

Die Bundesstelle gab deshalb in der Folge auch eine Sicherheitsempfehlung ab. "Das Bewusstsein und die Kompetenz der Triebfahrzeugpersonale im Umgang mit PZB-Zwangsbremsungen jeglicher Art" solle durch "gezielte Trainingsmaßnahmen" kontinuierlich gestärkt werden, so die BEU.

Die "vorliegenden Ereignisse" würden aber zeigen, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Vermeidung schwerwiegender Fehlhandlungen "diesbezüglich nicht ausreichend sind."

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