Appell von Tierschützern

Wildtiere bekommen Nachwuchs: Was man als Besitzer von Hund' und Katz jetzt dringend beachten sollte

Katrin Wiersch

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8.5.2022, 05:55 Uhr
Wildtiere bekommen Nachwuchs: Was man als Besitzer von Hund' und Katz jetzt dringend beachten sollte

© Wildtierrettung Mittelfranken

Die hohe Wiese, sie ist im Moment Kinderzimmer und Versteck für zahlreiche Wildtierbabies wie Kitze und Hasen. Sie besitzen in ihrer ersten Lebensphase noch keinen Eigengeruch zum Schutz vor stöbernden Fressfeinden.

Ebenso fehlt ihnen noch der Fluchtreflex. Der setzt erst ein, wenn sie größer, schneller und stärker sind und eine realistische Chance haben, dem Feind zu entkommen. Die Hasen- oder die Rehmutter kommen nur wenige Male am Tag für kurze Zeit zum Säugen zu den Tieren, um Fressfeinde nicht auf den Nachwuchs aufmerksam zu machen.

Gegenüber herumtollenden und schnüffelnden Hunden oder Katzen sind die Tiere machtlos. Sie bleiben geduckt liegen. Ein Schnüffeln reicht schon und dem Wildtier haftet ein fremder Geruch an. Die Mutter wird sich sehr wahrscheinlich nicht mehr um ihr Jungtier kümmern. Meist schnappen die Hunde aus Reflex zu. Der kann tödlich oder mit schweren Verletzungen enden. Für Katzen passt ein kleiner Feldhase ins Beuteschema.

Wildtierrettung Mittelfranken dokumentiert viele Fälle

Die Wildtierrettung Mittelfranken dokumentiert auf ihrer Facebookseite derzeit zahlreiche solcher Fälle. Egal ob Hase, Waschbär oder Rehkitz, egal, ob auf dem Land oder mitten in der Großstadt: Immer wieder weist der Verein darauf hin, ein Auge auf seine Vierbeiner zu haben. "Wir haben bis jetzt schon 14 kleine Feldhasen zu versorgen", sagt Carmen Frisch von der Wildtierrettung. "60 bis 70 Prozent von ihnen sind Opfer von Katzen geworden."

Am 23. April zeigt sich einem Ehrenamtlichen des Vereins ein besonders grausames Bild - direkt an der Gartentür. An eben dieser hing ein kleiner Hase, schwerst verletzt mit deutlichen Bissspuren. Der kleine Hase lebte zu diesem Zeitpunkt noch, starb aber nach Aussage des Vereins wenig später. "Nach Verletzungen, Einblutungen und Speichel am Fell zu urteilen wahrscheinlich wieder ein Opfer mehr auf der Strichliste der domestizierten Begleiter."

Auch Katzen können kleinen Wildtieren gefährlich werden

Der Frust der Wildtierhilfe ist groß. Auch, weil einige Hundebesitzer beratungsresistent scheinen. Auf den Hinweis, den Hund bitte derzeit nicht durch die Wiesen stöbern zu lassen, erwiderte dessen Besitzerin nach Angaben der Wildtierhilfe: "Wir kennen uns schon, das hast mir schonmal gesagt und es ist mir immer noch egal, kannst weitergehen, tschüss!"

Doch nicht nur Hunde spüren die Jungtiere auf. Auch Katzen sehen Hasenbabies als Beute an. Ebenso Jungvögel, die sich gerade zu Beginn ihrer Flugversuche auch vermehrt am Boden aufhalten können. Kleine Amseln verbringen nach der Nestflucht sogar viele Wochen vornehmlich auf dem Boden, wo sie von den Eltern weiter versorgt werden.

"Wenn Hunde einen Hasen zwischen den Lefzen hatten, sind die Spuren eindeutig", sagt Frisch. Nicht so bei Katzen. Deren Bisse lassen sich in dem dichten Fell der Hasen kaum ausmachen. "Wir müssen gebissene Hasen sofort mit Antibiotika versorgen", sagt die Ehrenamtliche. Deswegen sei es so wichtig, dass die Leute dann auch so ehrlich seien, wenn ihre Katze oder ihr Kater das Tier mit nach Hause gebracht haben. "Viele schämen sich dafür oder haben Angst vor Konsequenzen." Dem sei aber nicht so, versichert Carmen Frisch.

Auf die Jagd machen sich vor allem "arbeitslose Reihenhauskatzen", wie Frisch die Katzen aus Siedlungen bezeichnet, die zum Beispiel nicht auf einem Hof vor allem mit Mäuse- und Rattenfangen beschäftigt sind. Carmen Frisch ist klar, dass Freigängerkatzen nicht wochenlang in der Wohnung eingesperrt werden können, um Wildtiere zu schützen. Trotzdem hat sie einen Appell an die Besitzer: "Bitte lassen Sie Ihre Hauskatze während der Brut- und Setzzeit nur tagsüber raus. Von Abenddämmerung bis Morgendämmerung gehören Wiesen und Felder den Wildtieren."

Nachwuchs bei Wildtieren: Wie Haustierhalter sich jetzt richtig verhalten:

- "Verlassen Sie nicht die Wege und nehmen Sie Hunde an die Leine", appelliert der Deutsche Jagdverband. "Selbst wenn der Hund gut hört, reicht eine Sekunde Unaufmerksamkeit und der Vierbeiner hat ein Rehkitz oder einen Junghasen entdeckt und packt diesen instinktiv."

- Wenn Hunde im Wald einem Tier hinterherlaufen, kann das auch schwere Folgen für den eigenen Vierbeiner haben. Wildschweinbachen oder Rotwild greifen den Hund an, um ihren Nachwuchs zu verteidigen. Deshalb ist auch Anleinen im Wald ein Muss.

- Wenn Sie ein Rehkitz oder Hasenbaby im Feld liegen sehen, fassen Sie das Tier keinesfalls an. Nimmt es durch Berührung den Menschengeruch an, wird es von der Mutter verstoßen und muss verhungern. Beobachten Sie mit großem Abstand, ob die Mutter zurück kommt. Normalerweise halten sich die Muttertiere nicht weit von den Kleinen auf.

- Sollte das Tier offensichtlich verletzt sein, rufen Sie den ortsansässigen Jäger. Auch die Wildtierrettung Mittelfranken ist rund um die Uhr unter folgenden Nummern erreichbar: 0171/8309916 oder 0176/58067609

- Wenn sich das Tier in einer lebensbedrohlichen Situation befindet, bleibt oft nicht genug Zeit, Hilfe zu holen. Befreien Sie das verletzte Tier möglichst mit Handschuhen aus der misslichen Lage und bringen Sie es zu einem Tierarzt. Informieren Sie auf jeden Fall die Polizei oder den zuständigen Förster oder Jäger.

- Achten Sie auch auf Ihren Hund, wenn er an Flussläufen oder Seen ein Bad nimmt. Schnell ist das Gelege von Gänsen und Enten geräubert durch die Vierbeiner.

- Hängen Sie Ihrer Katze ein Halsband mit Glocke um, wenn die Jungvögel im Garten flügge werden und das Nest verlassen. So besteht für die kleinen Vögel und die Elterntiere eine kleine Chance, dem Räuber zu entkommen. Auch Siebenschläfer und Eichhörnchen sind so gewarnt.

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