Hilfe für Angehörige

Schlaganfall: Klinikum Fürth gibt Tipps zur Pflege

19.6.2021, 21:00 Uhr
Schlaganfall: Klinikum Fürth gibt Tipps zur Pflege

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Prof. Dr. Christian Maihöfner ist seit 2013 Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Fürth, zu der eine Stroke Unit, eine Schlaganfall-Spezialstation, mit neun Betten gehört. Der 48-Jährige ist Spezialist für Schlaganfall, Polyneuropathien, chronische Schmerzen, Parkinson und Multiple Sklerose. Das Nachrichten-Magazin Focus zählt ihn zu Deutschlands Top-Medizinern 2021.

Herr Prof. Maihöfner, der Schlaganfall wird oft als Infarkt im Gehirn bezeichnet. Könnten Sie kurz erläutern, was da genau passiert?

Es handelt sich um eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn, ausgelöst dadurch, dass ein Gefäß verstopft oder platzt. Der Schlaganfall ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Todesursache, und er ist die häufigste Ursache für eine Behinderung im Erwachsenenalter.


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Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es einen selbst trifft?

Sie ist zumindest nicht gering. Im Lauf des Lebens entwickelt einer von sechs Menschen einen Schlaganfall. Rund 20 Prozent der Patienten sterben, etwa 50 Prozent haben teils erhebliche körperliche Einschränkungen, 20 bis 30 Prozent werden vollständig geheilt.

Unter welchen Einschränkungen leiden die meisten Betroffenen?

Lähmungen, in vielen Fällen halbseitig, sind die häufigste Folge eines Schlaganfalls. Aber oft kommt es auch zu Seh-, Sprach- und/oder Schluckstörungen. Je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist, können auch Kombinationen vorliegen. Und ein Teil der Patienten entwickelt eine Depression. Grundsätzlich gilt: Wer überlebt, ist nicht selten mit bleibenden neurologischen Ausfällen konfrontiert und im täglichen Leben teils massiv eingeschränkt.

Was kann das konkret bedeuten?

Viele Patienten sind auf den Rollstuhl angewiesen und auf Hilfe bei der Körperpflege. Sie können sich nicht mehr kämmen, rasieren, waschen, brauchen Hilfe beim Essen und beim Toilettengang. Wer unter Sprachstörungen leidet, kann Worte nicht mehr verstehen oder sie nicht mehr formulieren. Der Patient bleibt stumm, kann nicht mehr telefonieren, seine Angelegenheiten nicht mehr regeln.

Dabei muss man sich vor Augen führen, dass eine Demenz etwa das Leben der Betroffenen nach und nach grundlegend verändert, ein Schlaganfall hingegen stellt quasi über Nacht alles auf den Kopf. Angehörigen bleibt keine Zeit, sich auf die Situation einzustellen . . .

So ist es. Und genau hier setzen wir mit unserem Kursangebot an. Denn auf die Akutbehandlung auf der Schlaganfall-Station, wo wir in Fürth etwa 1000 Menschen pro Jahr versorgen, folgt in der Regel ein Reha-Aufenthalt, danach kommen die Patienten heim und benötigen die Hilfe ihrer Angehörigen. Die wiederum, meist medizinische Laien, sind von da an konfrontiert mit einem schwerwiegenden medizinischen Problem.

Was müssen Partner, Kinder oder Geschwister da ganz plötzlich leisten?

Eine Menge. Das fängt bei der Umorganisation der Wohnung an, weil ein Pflegebett Platz finden muss, und reicht bis zur Kommunikation mit Behörden und der Klärung juristischer Fragen rund um Vorsorgevollmacht und Pflegegrad-Einstufung. Unser Kurs soll hier fundiert Orientierung bieten.

Sie bieten ab Ende Juni an acht Abenden Präsenzveranstaltungen mit verschiedenen Dozentinnen und Dozenten an. Ein Titel etwa lautet "Umgang mit Sprach- und Schluckstörungen". Was lernen die Teilnehmenden?

Sie erfahren, welche Kommunikationshilfen es gibt – von der Tafel bis zum Sprachcomputer. Die Tafel beispielsweise zeigt Piktogramme, etwa ein Glas Wasser. Der Patient kann darauf deuten und so ohne Worte klarmachen, was er braucht. Wir erklären, mithilfe welcher Techniken man einen Menschen mit Lähmungen im Bett lagert, dass man den gelähmten Arm unterpolstert und welche Hilfsmittel sich dafür eignen. Und wir weisen darauf hin, welche Medikamente einen weiteren Schlaganfall verhindern können, wie sie wirken und dass man Blutverdünner rechtzeitig vor einer geplanten OP absetzen muss.

Ein Vortrag widmet sich der "wertschätzenden Kommunikation" – weil die Situation alle Beteiligten oft überfordert und die Ansprache dann schnell gereizt wird?

Das ist schon zu weit gedacht. In jedem Fall ist Sprache ein wichtiges Therapeutikum, sie kann verbinden oder abgrenzen. Es macht einen enormen Unterschied, ob ich zum Patienten sage, dass er auf die Toilette gehen soll, oder ob ich ihn frage: "Möchtest du auf die Toilette gehen?" Wir wollen Angehörige dafür sensibilisieren, dass sie Schlaganfall-Patienten beobachten, ihre Gefühle wahrnehmen und versuchen sollten, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn es dann noch gelingt, Vorwürfe und verbale Angriffe wie "Jetzt hast du schon wieder gekleckert!" außen vor zu lassen, nimmt das viel Druck und Spannung aus der belastenden Situation.

Wer einen Menschen pflegt, läuft leicht Gefahr, seine eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren. Wozu raten Sie?

Es ist wichtig, sich auch um sich selbst zu kümmern, denn keiner von uns schafft es, dauerhaft zu pflegen. Man braucht Zeit für sich, muss auch mal in Ruhe einkaufen, Sport machen, ins Museum gehen oder ein paar Tage Urlaub machen können. Um den Patienten muss sich dann eine andere Person kümmern, vielleicht im Rahmen einer Tages- oder Kurzzeitpflege. Natürlich will auch das organisiert sein.

Der Kurs Schlaganfallbegleiter umfasst acht Einheiten vom 30. Juni bis zum 29. September. Die Schulungen sind auf je zwölf Personen begrenzt und können einzeln gebucht werden. Pro Teilnahme wird eine Gebühr von 10 Euro erhoben. Genaue Infos: www.klinikum-fuerth.de

Anmeldungen: Tel. (09 11) 75 80 99 15 47 oder astrid.hager@klinikum-fuerth.de

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