Demenz-Drama "Ein Leben lang"

Schauspiel-Star Henry Hübchen über seine Rolle als Ex-Schlagersänger mit Demenz

20.1.2022, 14:41 Uhr
Arthur am See: Henry Hübchen als demenzkranker ehemaliger Schlagerstar in dem ARD-Drama "Ein Leben lang".

© WDR/Flare Film/Nadja Klier, NNZ Arthur am See: Henry Hübchen als demenzkranker ehemaliger Schlagerstar in dem ARD-Drama "Ein Leben lang".

Herr Hübchen, Sie spielen in „Ein Leben lang“ einen Mann, der an Demenz erkrankt. Wie spielt man jemanden, der geistig zerfällt?

Henry Hübchen: Ich habe mich vorher natürlich erkundigt, wie sich diese Krankheit entwickelt, denn ich habe selbst keine Erfahrung mit dem Thema und fand das sehr interessant. Im Film gibt es allerdings nur eine einzige Szene, wo Arthur einen extremen geistigen Ausfall hat. Das ist, als er die Toilette nicht findet, die er seit Jahrzehnten kennt. Ansonsten bin ich dem Drehbuch gefolgt wie die Bundesbahn den Schienen. Das Drehbuch gibt die Strecke vor, da können sie nicht sagen, ich mache mal einen Umweg durch die Alpen oder fahre querfeldein.

Für eine solche Figur darf man nicht eitel sein, oder?

Hübchen: Doch, das ist ein Antrieb. Eitelkeit heißt bei mir nicht, gut aussehen, sondern: gut dastehen. Eine gute Arbeit machen, für die Rolle die richtige Wirkung zu haben. In diesem Sinne bin ich sehr eitel.

Arthur (Henry Hübchen) hat seine Ehefrau Elsa (Corinna Kirchhoff) zwar wegen einer Jüngeren verlassen, doch als er erkrankt, muss sich Elsa trotzdem um ihn kümmern.

Arthur (Henry Hübchen) hat seine Ehefrau Elsa (Corinna Kirchhoff) zwar wegen einer Jüngeren verlassen, doch als er erkrankt, muss sich Elsa trotzdem um ihn kümmern. © WDR/Flare Film/Oliver Feist, NNZ

Wenn man eine solche Rolle spielt, beschäftigt man sich dann auch mit der eigenen Endlichkeit?

Hübchen: Dafür brauche ich leider keine Rolle. Früher hatte ich immer das Gefühl, es gibt kein Ende, als jüngerer Mann, so mit 30, 40 oder auch noch mit 50 Jahren. Aber ab einem gewissen Alter, wo man doch im Grunde schon ins eigene Grab sehen kann, da ist die Endlichkeit auf einmal Realität.

Der Film läuft ja wenige Tage vor Ihrem 75. Geburtstag, der am 20. Februar ist. Wie feiern Sie in Zeiten von Corona?

Hübchen: Keine Zahlen, bitte! (lacht) In Zeiten von Corona feiere ich wie in Zeiten vor Corona. Ich habe noch nie im großen Stil Geburtstag gefeiert, mit Feuerwerk und hundert Leuten. Weil ich auch nicht so ein Gesellschaftstyp bin, der sich schon auf die nächste Gelegenheit freut, wo er sich richtig besaufen kann. Ich bin unbegabt, was Feste angeht – und andere machen es nicht für mich. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenige Tage vor meinem Geburtstag läuft ein Film, in dem ich einen ehemaligen Schlagersänger spiele, der dement wird.

War Ihnen der Aspekt, dass es ein Ex-Schlagerstar ist, wichtig?

Hübchen: Das hat mich schon gereizt. Ein Schlagersänger, extrovertiert, der immer eine Bühne hatte, ein Publikum, Texte singen und auswendig können musste. Das empfand ich, wenn es vielleicht auch oberflächlich gedacht ist, als einen größeren Widerspruch als bei jemandem, der einen alltäglicheren Beruf hat, der Tischler oder Straßenbahnfahrer ist. Und vor allem durfte ich in der Rolle auch mal singen.

In der DDR haben Sie ja mit zwei Bands gesungen, die „Continentels“ und „Die Klosterbrüder“, später haben Sie auch für die Gruppe „City“ komponiert . . .

Hübchen: Singen tut ja jeder. Bei mir hat es sich eine Zeitlang etwas ausgedehnt. Ich habe in einer Schulband gespielt, irgendwann mal gesungen, aber es blieb immer ein Hobby für mich. Ich habe damit nie Geld verdient und hatte auch nicht den Ehrgeiz, das richtig beruflich zu machen und Schlagerstar oder Rock’n’Roller zu werden. Ich bin auch nicht so extrovertiert, eigentlich bin ich doch eigentlich ein verklemmter Schauspieler (lacht).

Sie haben im Lauf Ihrer Karriere viele Filme gedreht. Welche stechen in Ihren Augen besonders heraus?

Hübchen: Nicht mehr als eine Handvoll. Aber es geht nicht nur um das Resultat. Eine Arbeit kann auch sehr erfüllend sein, wenn das Resultat dem nicht entspricht und umgekehrt. Arbeit und Resultat stehen oftmals nicht in einem kausalen Zusammenhang. Es gibt viele Arbeiten, wo ich sage: Ja, ist ganz schön, und da ist eine bestimmte Szene gelungen, aber naja. Man muss aber fair bleiben: Jede Arbeit ist ein Unikat. Filmemachen ist ja keine Fließbandarbeit, sondern wir versuchen immer, das Beste zu geben. Ich jedenfalls versuche das mit meinem mal mehr oder weniger großen Beitrag am Film. Deshalb will ich keinen einzigen einfach so abtun.

In der Coronakrise wurde oft diskutiert, ob Kunst und Kultur systemrelevant sind. . .

Hübchen: Sie sind es. Denn ohne Kunst wird eine Gesellschaft eine Barbarengesellschaft.

Hat Ihnen die Krise eigentlich beruflich geschadet?

Hübchen: Nein, gar nicht. Ich möchte inzwischen sowieso nicht mehr als zwei Filme im Jahr machen. Die Dreharbeiten sind ja kein lustiges Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, sondern richtig harte Arbeit. Filmschauspieler sein, Seriendarsteller sein – da ist man sehr viel fremdbestimmt. Das ist auch kein Fasching oder Räuber-und-Gendarm-Spiel. Oft ist es nur um 6 Uhr aufstehen und zwölf Stunden warten.

Sie haben über Leander Haußmann mal gesagt, er habe „keine Angst vorm Buh in jeder Lebenslage“ – gilt das auch für Sie?

Hübchen: Nein, das gilt für mich nicht. Ich möchte keine Buhs. Aber ich habe keine Angst anzuecken und gegen den Konsens zu denken. Russenphobie, Gendersprache, Auswüchse der Identitätspolitik zum Beispiel lassen meinen Blutdruck gefährlich ansteigen.INTERVIEW:

„Ein Leben lang“ mit Henry Hübchen läuft am Mittwoch, 26. Januar, um 20.15 Uhr in der ARD.

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