Mangolds Taxiruf
Wer pflanzt in Nürnberg über Nacht nur all die lästigen Absperrungen auf Wege und Straßen?
14.5.2022, 08:57 UhrWer wie ich die Winterruhe liebt, für den ist nicht nur der April der grausamste Monat, wie T.S. Eliot gedichtet hat, sondern das ganze Frühjahr. Da krabbelt über die Gardine im Wohnzimmer plötzlich eine Ameise – und die Lebenserfahrung sagt, dieses Insekt kommt selten allein.
Junge, tatendurstige Wespen durchkreuzen meinen Luftraum und suchen Material für ihr Nest, das bis zum Spätsommer auf Flugzeugträgergröße wachsen soll - als Basis für nervige Angriffsflüge auf Speisen und Getränke aller Art.
Nicht nur aus jeder noch so feinen Ritze zwischen Pflastersteinen drängen innovationsfreudige Pflanzen, als Berufsfahrer bin ich auch mit einer anderen Form von Wildwuchs konfrontiert, der das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat: Über Nacht wachsen Straßensperren heran, die Baustellen ankündigen; Fahrbahnen von Hauptverkehrsstraßen verengen sich urplötzlich auf eine Spur und sind der Anlass für stattliche Staus und beherzte Wendemanöver von genervten Autofahrern an ungeeigneter Stelle.
Solche Nacht-und-Nebel-Aktionen betreffen aber auch Fuß- und Radwege. An den Pegnitztunneln sowohl an der Wöhrder wie an der Hallerwiese versperren mir nichts dir nichts Schilder und Bauzäune wie grimmig dreinschauende Türsteher den Durchgang. Niemand wurde vorab informiert, niemand weiß warum, die Sperre hat wie eine selbstgeschaffene Realität einen Teil des Stadtraums erobert - und damit abgeschnitten. Beliebte Treffpunkte oder Cafes und Gaststätten sehen sich über Nacht vom Lebensstrom der Menschen abgeschnitten und haben kaum noch Besucher.
Die Stadt kommuniziert offensichtlich nach dem Motto: Ist doch nicht unser Problem, die Bürger zu informieren - oder gar die Inhaber von betroffenen Betrieben.
Oft tut sich auf den Straßen oder Wegen nach der Sperrung wochenlang erst mal nichts: kein Bagger gräbt, kein Bauarbeiter schwingt eine Schaufel - und falls doch, weiß niemand darüber Bescheid, wie lange die Arbeiten dauern sollen.
Ich vermute, dass einige findige Mitarbeiter der Stadtverwaltung bzw. des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (SÖR) das Prinzip von Ephraim Kishons „Blaumilchkanal“ weiterentwickelt haben. In der Story reißt ein Verrückter mit einem Presslufthammer die wichtigste Straße von Tel Aviv auf und erzeugt damit ein riesengroßes Chaos - auch bei den dortigen Behörden, die vergeblich zu ermitteln versuchen, warum es diese Baustelle überhaupt gibt.
Solche Erfahrungen macht manch einer leider auch hier - nur dass SÖR womöglich so raffiniert vorgeht und es nur bei Schildern und Sperren belässt. Das ist viel billiger, als eine Baustelle real zu beginnen, aber als Hindernis ebenso effektiv. Auf einen schönen, barrierefreien Sommer, liebes Nürnberg!
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