Erhöhte Gefährdung angenommen

Höheres Bußgeld für SUV-Fahrer: Ist so etwas wirklich fair?

7.8.2022, 13:21 Uhr
Höheres Bußgeld für SUV-Fahrer: Ist so etwas wirklich fair?

© BMW

Am SUV scheiden sich die Geister. Die einen finden Fahrzeuge dieser Art fürchterlich, die anderen – und da vielfach Ältere und Frauen – fühlen sich darin gut und sicher aufgehoben, schätzen den bequemen Ein- und Ausstieg sowie die hohe Sitzposition und das generöse Platzangebot. In der Juli-Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) erreichen SUV-Neuwagen den höchsten Anteil, 27,4 Prozent beträgt er, Geländewagen (11,7 Prozent) noch gar nicht mit eingerechnet.

350 statt 200 Euro

Jetzt hat ein aktuelles Gerichtsurteil die Diskussionen ums SUV neu angefacht. Das war passiert: Im vergangenen November hatte die 39-jährige Fahrerin eines BMW-SUVs das Rotlicht einer Frankfurter Ampel missachtet; 1,1 Sekunden nach Beginn der Rotphase war sie unerlaubt in eine Kreuzung eingefahren. Der Blick in den Bußgeldkatalog ergibt, dass dieses Vergehen mit 200 Euro Bußgeld, zwei Flensburg-Punkten sowie einem einmonatigen Fahrverbot geahndet wird. Dabei ließ es das Amtsgericht Frankfurt am Main aber nicht bewenden, als es Anfang Juni sein Urteil (Az. 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22) verkündete. Die Richter erhöhten das Bußgeld vielmehr um 150 auf 350 Euro. Begründet wurde der Zuschlag in erster Linie damit, dass die Autofahrerin bereits mehrere Einträge im Verkehrszentralregister aufwies – wegen zu schnellem Fahren, Handynutzung am Steuer und einem früheren Rotlichtverstoß.

Erhöhte Betriebsgefahr

Doch auch die Art des „Tatfahrzeugs“ spielte bei der richterlichen Entscheidung eine Rolle: Aufgrund der kastenförmigen Bauweise und der hohen Frontpartie sei bei einem SUV davon auszugehen, dass es im Falle eines Unfalls eine größere Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer darstelle als übliche Autos, es liege somit eine höhere Betriebsgefahr vor.

Tatsächlich war es beispielsweise im September 2019 zu einer entsetzlichen Tragödie gekommen, als der Fahrer eines Porsche Macan in Berlin die Kontrolle über sein SUV verloren hatte, vier Fußgänger starben damals. Doch als im Juli dieses Jahres in der Nürnberger Innenstadt ein Passant auf dem Gehweg erfasst und getötet wurde, mutmaßlich bei einem illegalen Autorennen, handelte es sich bei dem Unfallfahrzeug nicht um ein SUV, sondern um einen verhältnismäßig flachen Audi A7.

Begrüßt vom Fußgängerverband

Die Sache ist schwierig. Und so stieß das Frankfurter Urteil auf ein geteiltes Echo. Vonseiten des Fußgängerverbandes Fuss wurde es ausdrücklich begrüßt: „Bei einem niedrigen Fahrzeug mit einer runden Front kann man zwar auch übel gestoßen werden, aber noch ein wenig abrollen“, sagte Verbandssprecher Roland Stimpe. Das sehe beim SUVs mit seinem hohen und senkrechten Vorderbau schon anders aus. Auch die Hersteller nimmt Stimpel in die Pflicht: "Bei der Konstruktion von Autos sollte man nicht nur auf die Bedürfnisse des Autofahrers achten, sondern auch auf die Sicherheitsbedürfnisse aller anderen, die auf der Straße unterwegs sind."

Andere Stimmen äußerten sich ablehnender. Eine von ihnen ist die von Uwe Lenhart, Fachanwalt für Verkehrs- und Strafrecht in Frankfurt. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Lenhart verschiedene Kritikpunkte formuliert. Demnach ist es zwar durchaus nachvollziehbar, dass besondere Umstände bei einem Verkehrsdelikt zu härteren Strafen führen. Jedoch: Laut Bußgeldkatalogverordnung können diese besonderen Umstände zwar in der Tatausführung (Vorsatz beispielsweise) oder in der Person des Täters (frühere Vergehen) liegen - nicht aber im Fahrzeug. Aus dem Juristendeutsch übersetzt heißt das: Dass die Richter der SUV-Fahrerin wegen einer Reihe vorangegangener Straßenverkehrs-Sünden ein erhöhtes Bußgeld aufgebrummt haben, ist nicht zu beanstanden. „Rechtsfehlerhaft“ ist es aus Sicht des Anwalts hingegen, die Art des Autos als Bemessungsgrundlage herzunehmen. Und wenn man schon so differenzierend vorgehe – müssten dann nicht Kleinwagenfahrer eine geringere als die Regelgeldbuße zahlen?

Weiter zur Betriebsgefahr, die das Gericht als erhöht betrachtet hat. Kurze Begriffserklärung: Gemeint ist jene Gefahr, die sich ganz automatisch schon daraus ergibt, dass ein Auto in Betrieb genommen, sprich gefahren, wird. Die Schuldfrage hat damit nichts zu tun. Deshalb werden bei der Schadensregulierung eines Verkehrsunfalls oft auch Autofahrer in Mithaftung (meist zu 20 bis 25 Prozent) genommen, die eigentlich gar nichts für das Geschehen können. Aus der Betriebsgefahr zum Nachteil von SUV-Fahrern eine höhere bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit ableiten zu wollen, ist nach Ansicht des Verkehrsrechtlers „rechtsirrig“.

SUV, Transporter, Kleinbus: Wo ist der Unterschied?

Außerdem sei gesetzlich gar nicht definiert, was ein SUV eigentlich ist, darauf begründete Rechtsfolgen würden also willkürlich erscheinen. Tatsächlich gibt es SUVs in groß, der Porsche Cayenne ist so ein Beispiel, aber auch in ganz klein, etwa in Gestalt eines Toyota Aygo X. Und schließlich: Weisen Transporter oder Minivans nicht ganz ähnliche Eigenschaften auf wie ein SUV? Sind sie im Zweifel nicht ähnlich groß, schwer und hoch aufbauend? Wo soll die Grenze verlaufen, fragt der Anwalt?
Zumindest die letztere Fragestellung eint den Verkehrsrechtler Lenhart und den Fußgänger-Interessensvertreter Stimpel, der ganz grundsätzlich fordert: "Je schwerer und verletzungsträchtiger eine Front konstruiert ist, desto höher muss die Buße für diejenigen sein, die leichtsinnig fahren".

Noch nicht rechtskräftig

Ausgestanden ist die Sache mit dem SUV-Zuschlag beim Bußgeld übrigens nicht. Denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die betroffene Autofahrerin hat Rechtsmittel eingelegt. Jetzt muss die nächsthöhere Instanz entscheiden.

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