Quarantäne in der Kabine, Landgang unter Aufsicht

Das blüht Kreuzfahrt-Passagieren schlimmstenfalls auf einer Schiffsreise

21.1.2022, 10:22 Uhr
Viele zögern, doch diese Passagiere trauen sich: Am Terminal von Palma de Mallorca machen sie sich auf den Weg zu ihrem Kreuzfahrtschiff.

© Clara Margais/dpa, NN Viele zögern, doch diese Passagiere trauen sich: Am Terminal von Palma de Mallorca machen sie sich auf den Weg zu ihrem Kreuzfahrtschiff.

Die Nachrichten aus der Kreuzfahrtbranche sind zurzeit wenig erfreulich. Wegen Coronafällen an Bord hat etwa TUI Cruises den für vergangene Woche geplanten Zustieg von Gästen auf Barbados auf die Mein Schiff 2 kurzfristig absagen und schließlich die Reise komplett abbrechen müssen. Für die Mein Schiff 1 hat die Reederei Buchungen storniert. Die Amadea (bekannt als ZDF-"Traumschiff") ist nach positiven Covid-19-Tests auf dem Weg nach Gran Canaria, anstatt wie geplant nach Antigua zu fahren. Zuvor musste TUI Cruises schon eine Kreuzfahrt in Dubai stoppen, ein Schiff der AIDA-Flotte blieb in Lissabon hängen.

Die schwimmenden Luxushotels gelten als anfälliger für Infektionen als normale Hotels -- hier ein Schiff von TUI-Cruises in der Karibik.

Die schwimmenden Luxushotels gelten als anfälliger für Infektionen als normale Hotels -- hier ein Schiff von TUI-Cruises in der Karibik. © Joachim Hauck

Bisher hat das Corona-Virus nach Angaben des Fachportals Cruisetricks etwa 20 Prozent der derzeit weltweit im Einsatz befindlichen 242 Kreuzfahrtschiffe getroffen und zu Reiseabbrüchen oder -absagen gezwungen. Kann man da derzeit überhaupt noch eine Kreuzfahrt buchen? Zumal es Meldungen aus den USA gibt, wo angeblich zu laxer Umgang mit Hygieneauflagen zu Infektionsausbrüchen auf Schiffen geführt haben.

Bei Tausenden von Passagieren nur einige Hundert Infizierte

Man kann dennoch eine Schiffsreise buchen – wenn man die in Pandemiezeiten bei jeder Urlaubsreise vorhandenen Risiken kennt und akzeptiert. Denn den negativen Nachrichten und Umständen wie möglicher plötzlicher Quarantäne in der eigenen Kabine noch während der Reise stehen auch positive gegenüber: Allein auf der Mein-Schiff-Flotte waren seit dem Neustart des Kreuzfahrtbetriebs im Juli 2020 bei 246 Reisen immerhin 290 000 Passagiere unterwegs, die Zahl der Corona-Infektionen liegt bei den deutschen Reedereien bei wenigen hundert.

Am Pooldeck der "Mein Schiff 1" ist Abstand Pflicht - zwischen den Liegen ist mehr Platz als üblich.

Am Pooldeck der "Mein Schiff 1" ist Abstand Pflicht - zwischen den Liegen ist mehr Platz als üblich. © Joachim Hauck/dpa

Der Kreuzfahrt Experte Thomas P. Illes weiß, dass unterm Strich die Inzidenzen auf Kreuzfahrtschiffen "deutlich niedriger" sind als in der Fläche daheim in Deutschland. Dabei sind Ansteckungen natürlich nie und nirgendwo ganz zu vermeiden – auf dem Schiff so wenig wie bei Landausflügen oder der Hin- und Rückreise mit Bahn und Flugzeug. Dennoch galten schon vor Corona Kreuzfahrtschiffe als besonders anfällig für die schnelle Verbreitung von Infektionen, die Vorsichtsmaßnahmen waren schon immer strenger als in Hotels.

Das haben wir bei unserer Test-Kreuzfahrt selbst erlebt

Noch im Dezember konnten wir die Vorsorgemaßnahmen an Bord der Mein Schiff 2 testen, als sie zwei Wochen ohne Probleme in der Karibik kreuzte. Sie waren und sind relativ streng, und das schon vor Reisebeginn: Vier eng bedruckte Seiten mit Gesundheitsvorschriften als Lektüre, jeder Gast hat sich um international anerkannte Impfnachweise zu kümmern und 72 bis 48 Stunden vor Ankunft in Barbados oder La Romana einen PCR-Test zu machen.

Erst wenn er bei Reiseantritt negativ ist und mit dem obligatorischen Nachweis einer zweifachen Impfung vorgelegt werden kann, darf man an Bord. Dort ist bei einer Impfquote von 100 Prozent das Ansteckungsrisiko niedriger als daheim, deshalb sind die strengen Regularien, die noch vor gut einem Jahr galten, lockerer geworden. Schließlich sollen die Passagiere ihre Urlaubsreise ja auch in Corona-Zeiten genießen.

Individueller Landgang ist wieder erlaubt

Maskenpflicht gilt mit Ausnahme an den Plätzen in Bars und Restaurants nur noch im Innern des Schiffs und dort, wo kein Mindestabstand von eineinhalb Metern eingehalten werden kann. Häufiges Händewaschen und Desinfizierung sind Pflicht, der morgendliche Appell zur Temperaturmessung ist abgeschafft. Die geschieht jetzt im Vorübergehen bei jedem Verlassen des Schiffs, das nur zu 60 bis 70 Prozent der normalen Kapazität belegt ist, entsprechend viel Platz ist auch im Theater. Selbstbedienung an den Buffets ist wieder erlaubt, an den Bars darf wie früher direkt am Tresen gesessen werden. Selbst Tanzen ist erlaubt – draußen auf dem Pool-Deck, die Disco bleibt zu.

Lockerungen gibt es auch bei den Landgängen. Vor einem Jahr waren nur organisierte Ausflüge erlaubt mit der strengen Auflage, sich bloß nicht von der Gruppe zu entfernen. Wer mal schnell selbstständig einen Kaffee trinken oder Souvenirs kaufen ging, durfte nicht mehr zurück aufs Schiff. Inzwischen sind (Stand Mitte Januar) auch individuelle Landgänge wieder weitestgehend möglich.

Erinnerungsfotos mit Maske - auch daran muss man sich gewöhnen.

Erinnerungsfotos mit Maske - auch daran muss man sich gewöhnen. © Joachim Hauck/dpa

Doch Vorsicht: Vorschriftswidrig drücken private Touristenführer schon mal ein Auge zu, wenn die Fahrgäste im Taxi die Masken nicht richtig oder gar nicht tragen. Sie sind dringend auf Kundschaft angewiesen, denn die Menschen etwa auf den karibischen Inseln hat Corona brutal getroffen: Über ein Jahr lag der Tourismus völlig brach, Hunderttausende verloren ihre Jobs.

Also sind die Ein- und Ausreisevorschriften auf den meistens Inseln liberal, in der Regel reicht bei Landgängen das kurze Vorzeigen des Schiffsausweises. Wo, wie auf Barbados, auch noch ein aktueller Corona-Test verlangt wird, hilft der Schiffsarzt und sein Team. In einer knappen Stunde nehmen seine Mitarbeiter am Vormittag gut 1000 Passagieren die geforderten Antigen-Tests ab, am Abend schon liegen die Zertifikate für den Barbados-Ausflug am nächsten Morgen in den Kabinen.

Die Besatzung hat es derzeit richtig schwer

Für Kreuzfahrt-Passagiere ist vieles leichter geworden – ungleich leichter als für die Besatzung, die größtenteils aus Asien stammt. Für die, weiß Kapitän Todd Burgman von der Mein Schiff 2, waren die zurückliegenden Monate "eine Katastrophe". Lange waren sie ohne Job und Geld. Ehe sie wieder aufs Schiff durften, mussten sie erst einmal geimpft werden und oft noch für längere Zeit in Quarantäne.

Ohne Maske geht für die Crew im öffentlichen Bereich nichts, auf der Brücke tragen auch die Offiziere ständig einen Mundschutz. Massiv eingeschränkt wurden die Kontakte der Besatzung zu den Passagieren. Die einst recht beliebten Brückenführungen sind ebenso gestrichen wie alle Empfänge und Treffen mit dem Kapitän.

Weil im Fall der Fälle vielleicht die halbe Schiffsführung in Quarantäne gehen müsste, sind die Vorsichtsmaßnahmen plausibel. Tatsächlich sind manche Reiseabsagen der jüngsten Zeit dem Umstand geschuldet, dass einige Mitglieder der Crew erkrankten, die für den reibungslosen Service an Bord unentbehrlich sind.

Unsere Test-Reise wurde mehrfach umgeplant

Verständnis bei den Passagieren ist gefragt. Auch vorab bei Planung und Buchung, die nicht immer die Wunsch-Kreuzfahrt garantiert. Unsere Test-Reise beispielsweise sollte eigentlich nach Asien gehen, doch sie wurde einige Wochen vorher wegen der Corona-Lage vor Ort abgesagt. Auch beim Ausweichziel Karibik gab es wegen behördlicher Vorschriften und Beschränkungen in einigen Häfen kurzfristige Routenänderungen. Darauf weisen die Reedereien zurzeit vorsichtshalber besonders hin.

Was passiert, wenn das hoch ansteckende Omikron-Virus auch bei Kreuzfahrten durchschlägt, weiß noch niemand. Branchenexperte Illes hält wieder härtere Gesundheitsmaßnahmen an Bord sowie im schlimmsten Fall Restriktionen bei den Landausflügen für denkbar – also die Rückkehr zum sogenannten Bubble-System, bei dem die Passagiere nur im Rahmen organisierter Ausflüge und streng abgeschottet von Einheimischen an Land und zurück an Bord dürfen. Dass die Virus-Variante Schiffsreisen gänzlich ausbremsen wird, ist aber höchst unwahrscheinlich.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserinnen, liebe Leser, kürzlich hatten wir einen Artikel über eine Antarktis-Schiffsreise im Blatt, die unsere Autorin wegen Corona in ihrer Kabine verbringen musste. Viele Reaktionen aus der Leserschaft zeigten dafür kein Verständnis. Wir möchten daher an dieser Stelle und mit diesem Artikel erneut aufzeigen, womit man rechnen muss, wenn man derzeit eine Kreuzfahrt bucht – beschreibend, einordnend und nichts beschönigend. Die Reise kann toll werden, sie kann aber auch in Quarantäne enden. Wir vertrauen darauf, dass jede und jeder nach dieser Lektüre für sich selbst am besten entscheiden kann, ob man eine Schiffsreise antritt oder nicht.

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