Test für Wiedereinsteiger

Skifahren verlernt man nicht? Ein Selbstversuch im Pitztal

15.10.2022, 05:07 Uhr
Skifahren verlernt man nicht? Ein Selbstversuch im Pitztal

© Skischule Hochzeiger, Marina Lechthaler

Ein Leben ohne Skifahren - in den 1980ern und 90ern schien mir das kaum vorstellbar. Sonntags turnte die ganze Großfamilie mit Rosi Mittermeier und Christian Neureuther die Skigymnastik im Bayerischen Fernsehen mit.

Die wintersportbegeisterte Oma holte ihre Enkelschar bei guten Schneeverhältnissen direkt an der Schule ab und kutschierte sie nach Entenberg, Osternohe oder Spieß. Am Wochenende und in den Ferien ging es oft in die Alpen. Und in der Schule und dem Sportverein standen Skilager selbstverständlich auf dem Jahresprogramm.

Irgendwann war damit Schluss: andere Interessen, kein Geld für den zugegebenermaßen nicht ganz günstigen Sport und – nicht zuletzt - ökologische Bedenken. Ein Leben ohne Skifahren war für mich viele Jahre kein großer Verlust. Nachdem in den vergangenen Corona-Wintern Spazierengehen im Nürnberger Land zum Höhepunkt der touristischen Aktivitäten avancierte, ist die Sehnsucht nach hohen Bergen, rasanten Abfahrten und dem damit verbundenen Gefühl von Freiheit wieder erwacht. Spontan habe ich mich zu einem Wiedereinsteigerwochenende am Hochzeiger im Tiroler Pitztal angemeldet.

Anreise per Bahn

Um das ökologische Gewissen nicht zu arg zu belasten, nehme ich die Bahn nach Imst und dann den Bus nach Jerzens. Das geht überraschend gut und ist dank Sparpreisen sehr günstig. Auch eigene Ski braucht man heute nicht mehr durch die Gegend schleppen. In nahezu jedem Skigebiet gibt es einen Verleih an der Talstation. Vom Service bin ich begeistert: Ich checke an einem Computer digital ein, ein Mitarbeiter bringt mir mehrere Stiefel und Skier zur Auswahl. Dann stellt er meine Bindung ein und überreicht mir am Ende noch Stöcke.

Im Skigebiet Hochzeiger sind viele Abfahrten familienfreundlich. 

Im Skigebiet Hochzeiger sind viele Abfahrten familienfreundlich.  © Tourismusverband Pitztal, Daniel Zangerl, NNZ

Mobil wie in ein Astronaut beim Mondspaziergang wackle ich mit zwei Mitstreiterinnen, die ich bei der Anprobe im Sportgeschäft kennengelernt habe, zur Seilbahn. Als ich mir noch überlege, wie ich die Skier in die kleine Halterung an der Außenseite der Gondel bekomme, höre ich ein: "Darf ich?". Dann nimmt ein Seilbahnmitarbeiter mir und den beiden anderen Kursteilnehmerinnen die Bretter ab und verstaut sie sicher. Auch an der Mittelstation hilft ein Mitarbeiter beim Ausladen. "Ob das an unserem fortgeschrittenen Alter liegt?", fragt sich unser Trio lachend.

Immer den Talski belasten

Vor der Türe treffen wir Stefan, einen erfahrenen Skilehrer und ein echtes Pitztaler Urgestein. Er schickt uns an einem Hang mit einem Tellerlift ins Übungsgelände. Liftfahren klappt tadellos, aber die erste Abfahrt nach vielen Jahren fühlt sich noch etwas steif und wackelig an. Talski belasten, immer schön in die Knie gehen – theoretisch weiß ich alles noch, aber die Umsetzung ist gar nicht so einfach. Nach einigen Technikübungen funktioniert das Kurvenfahren wieder und Stefan fährt mit uns auf den 2560 Meter hohen Hochzeiger.

Neu Bergbahnen und über 50 Kilometer Piste gibt es im Skigebiet Hochzeiger im Pitztal. 

Neu Bergbahnen und über 50 Kilometer Piste gibt es im Skigebiet Hochzeiger im Pitztal.  © Clara Grau

Die Aussicht in der nagelneuen 8-er Sesselbahn ist auf jeden Fall schon mal großartig: Während die Sitzheizung von unten wärmt, erklärt der Skilehrer das Panorama. Im Hintergrund blitzt der Pitztaler Gletscher in strahlendem Weiß, er wird umrundet von Dreitausendern, darunter die Wildspitze. Im Westen blitzen die Lechtaler Alpen, nach Norden erhebt sich das mächtige Wettersteingebirge – sogar die Zugspitze ist an dem klaren, sonnigen Tag eindeutig zu erkennen.

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Auch unterwegs hält Stefan immer wieder an und erklärt uns Besonderheiten der Landschaft. Vom Hochzeiger, dem Sechszeiger und anderen Bergbahnen, die in dem Skigebiet mit neun Bahnen und über 50 Pistenkilometern weit hinaufführen, gibt es eine große Auswahl an Abfahrten. Wir nehmen zunächst die blauen und roten Pisten. Aber schon bald wagen wir uns auf die schwarze Benni-Raich-Abfahrt, die nach dem örtlichen Skistar, der zweimal Olympiasieger und dreimal Weltmeister wurde, benannt ist. Unser Skilehrer fährt uns so gelassen und in weiten Schwüngen voraus, dass unser Dreier-Wiedereinsteigerteam sturzfrei die Abfahrt meistert.

Muskelkater als Erinnerung

Am nächsten Tag erkunde ich das vielseitige und weitläufige Skigebiet noch ein wenig auf eigene Faust. Als Genuss-Skifahrerin teste ich zwischendrin für ein kleines Sonnenbad eine Holzhängematte mit Panoramablick und mache den einen oder anderen Einkehrschwung. In den folgenden Tagen erinnert mich ein saftiger Muskelkater an den Ausflug. Ich habe auf jeden Fall wieder Feuer gefangen. Ein Leben ohne Skifahren kann ich mir momentan nicht vorstellen.

Mitte Januar 2022 war das Skigebiet Hochzeiger trotz bester Bedingungen nicht überlaufen. 

Mitte Januar 2022 war das Skigebiet Hochzeiger trotz bester Bedingungen nicht überlaufen.  © Clara Grau

Mehr Informationen:

Tourismusverband Pitztal, www.pitztal.com, Tel.: 0043 (0) 660-456 35 62

Anreise:

Bahnanreise ab Nürnberg über München, Innsbruck und Imst in vier Stunden. Autoanreise (knapp 400 Kilometer ab Nürnberg) über Innsbruck, Garmisch oder Füssen in vier Stunden.

Die Skischule Hochzeiger bietet Gruppen- und Einzelkurse für Wiedereinsteier an. Außerdem gibt es für Anfänger einen Drei-Tages-Kurs mit Ausrüstung, der jederzeit abgebrochen werden kann und bei dem Kosten für den Skikurs, Skiverleih und Skipass tageweise rückerstattet werden.

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