Mega-Geldspartrend selbst ausprobiert

Wohnmobil oder Wohnwagen aufmöbeln: So habe ich meinen Camper gepimpt

Katharina Wasmeier

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28.4.2022, 15:09 Uhr
Da sitzt die stolze Autorin in ihrem frisch renovierten Wohnwagen - gemütlich ist´s geworden.

© Florian Wasmeier Da sitzt die stolze Autorin in ihrem frisch renovierten Wohnwagen - gemütlich ist´s geworden.

Den dunkelsten Moment kann ich ziemlich genau benennen: Als die Test- und Jungfernfahrt vom Willibald ins Fichtelgebirge nicht nur ein vorläufiges, sondern kurzzeitig ein endgültiges Ende genommen zu haben schien.

Ich und drei Elektriker standen im strömenden Regen auf dem Parkplatz eines Elektrofachladens in Oberfranken, weil urplötzlich kein Licht mehr im Wohnwagen war. Nun wurde auch noch das Geschäft finster. Kurzschluss. Alles lahmgelegt. Allen voran meine Laune. Was für eine - pardon - Scheißidee, diesen alten Wohnwagen zu kaufen und komplett zu renovieren!

Foren, Blogs und Gruppen im Internet

Oder zu "Pimpen", wie der hippe Experte sagt – und entsprechend viele Foren, Blogs und Gruppen im Internet zu diesem Thema findet: "Pimp my Caravan" & Co. geben tolle Tipps, vor allem aber wecken sie Begehrlichkeiten. So auch bei mir.

Spulen wir ein paar Monate zurück. Schon lange hatte ich den Wunsch, Besitzerin einer eigenen mobilen Wohnkiste zu sein. Der hatte auch nichts mit dem Corona-Hype ums Camping zu tun – ganz im Gegenteil. Ich bin in solchen Gefährten mindestens im Urlaub mit den Eltern aufgewachsen, habe sie als Jugendliche zu hassen und später wieder lieben gelernt. Nur: Immer ausleihen ist nicht toll. Immer aufpassen auf fremder Leute Dinge: bäh.

Deswegen: Was eigenes muss her, und es kam in Form eines uralten, wunderschönen TEC Wohnwagens mit dem Zaubernamen "Weltenbummler". Außen beige, innen braun, vier Schlafplätze und acht zum Sitzen, Küche, Sanitär – alles drin.

2300 Euro bar auf die Hand und das Teil rollte hinter mir her, direkt in die elterliche Hofeinfahrt. "Ich würde", hatte ich geflötet, "nur ein bisschen saubermachen und hier und da was erneuern, kann ich den so lange bei euch stehen lassen?"


Hier finden Sie unsere Reportagen und Bilder zu Camping und Caravaning.


Die Eltern nickten artig. Und gaben damit ihr Einverständnis in ein vergnügtes Großfamilienprojekt, das uns alle über viele Wochen begleiten und zusammenbringen sollte.

Schon bei der ersten Katzenwäsche googelte die Freundin nebenbei und rief verzückt "OOOOH schau mal, hier auf Pimp my Caravan! Was man da alles machen kann! Oooooh wie schön!" Tja. Niemand konnte da ahnen, was das auslösen würde.

Aus hässlich wird schön - mit Folien-Fliesen für die Küche zum Aufkleben.

Aus hässlich wird schön - mit Folien-Fliesen für die Küche zum Aufkleben. © Katharina Wasmeier

Die Kurzfassung: Willibald hat jetzt weiße Wände und Möbel und eine taubenblaue Decke, neue Vorhänge, Polster und Bezüge sowie eine zauberhafte Küchenzeile. Er hat eine komplett neue Nasszelle, Sanitäranlage und Elektrik. Und ich habe jede, verdammt nochmal jede einzelne der vermutlich 893 540 Schrauben in der Hand gehabt. Ich habe geweint, geflucht, geschimpft, meditative Zustände erreicht und Erleuchtung erfahren. Ich habe drei Monate am Stück renoviert, gelesen und gelernt. Es war grauenhaft – und wundervoll.

Seit einigen Jahren – vor allem aber seit Corona und dem Wunsch nach mehr kontaktlosem Reisen – erfährt das Camping eine Renaissance. Wir merken das a) daran, dass es auf dem Markt kaum noch Reisemobile, Campingbusse oder Wohnwagen gibt oder b) nur sehr teure oder abgeranzte sowie c), dass die Blumenwiese der Do-it-yourself-Literatur- und Blogger-Welt wächst und gedeiht.

Der Grund: Weil sich Normalos kaum noch die neuen oder jungen Camper leisten können, greifen sie zu den alten und machen sie sich dann hübsch. Abgesehen vom Komplettausbau von Bussen oder Kastenwagen, der wundervolle Dinge zum Vorschein bringt, aber auch irre viel Arbeit bereitet, wählen viele derer, die keine Lust haben auf Rustikalfurnier & Co. im Wohnwagen oder Reisemobil wenigstens die Variante "Facelift". Und da kommt guter Rat von Experten gelegen.

Das Renovieren hat unschlagbare Vorteile

Der Vorteil des Aufmöbelns alter Camper: Während die Komplettausbauer eines nackten Fahrzeugs ein auf ihre individuellen Wünsche zugeschneidertes Rad selbst erfinden müssen, nutzen letztere einfach die bereits optimierten Gegebenheiten. Wohnwagen und -mobile sind Raumwunder, für deren Design Architekten und Ingenieure lange getüftelt haben. Als Laie kriegt man es eben meist nicht besser hin. Außerdem sind sie Gewichtswunder – ein Kriterium, das oft naiv unterschätzt wird.

Brauner 1980er-Retro-Schick vom Feinsten. Das ist vielen dann doch zu arg, sie machen sich an den Umbau.

Brauner 1980er-Retro-Schick vom Feinsten. Das ist vielen dann doch zu arg, sie machen sich an den Umbau. © Katharina Wasmeier

Denn weil jedes Kraftfahrzeug ein zulässiges Gesamtgewicht hat, sollte man dieses nicht mit Mobiliar erreichen. Schickes Messing, Holz und Edelstahl fressen Zuladungsgewicht, das dann fürs Gepäck fehlt. Verkehrspolizisten wissen das und kontrollieren, was das Zeug hält – etwa auf der Inntalautobahn in Tirol, wo man Camper gern auf Waagen stellt. Dann heißt es: ausräumen, zahlen – oder umkehren.

Und beim Campen ist eh nicht alles nur schön und praktisch. Oft geht's dreckig zu und eng, manchmal stickig, oft turbulent. Wie wenig das alles mit der geinstagramten Beautiness zu tun hat, erzählen wir demnächst an dieser Stelle.

Geduld und ein Händchen fürs Handwerk

Es lohnt sich also, sich an Bestehendem mindestens zu orientieren. Und mindestens Geduld und ein Händchen fürs Handwerk zu haben – und im besten Fall Kreativität. Zwar gibt es wirklich für so ziemlich jede Lösung ein Problem, aber selbst das muss man erkennen.

Die alten Polster sind eklig, bitte neu? Gerne: Für 1000 Euro kriegst du Schaumstoff maßgeschneidert, für nochmal so viel die Bezüge dazu. Oder du schnitzt mit dem Brotmesser holländischen Schaumstoff in Form, bekleidest ihn mit Stretch-Bündchenstoff und nähst den oben zu. Kosten: 500 Euro.

Das Original-Bad. Muss man mögen, muss man aber auch nicht. Jetzt sieht es ganz anders aus - siehe Bildergalerie oben.

Das Original-Bad. Muss man mögen, muss man aber auch nicht. Jetzt sieht es ganz anders aus - siehe Bildergalerie oben. © Katharina Wasmeier

Braune Wände sind doof, ich male einfach alles weiß? Bitte, aber weine nicht, wenn nachher alles fleckig ist und die Farbe reißt. Oder du machst es richtig, dokumentierst alles minutiös, baust jedes noch so kleine Brettchen aus und schleifst, grundierst und weißelst professionell. Die Technik lass ich einfach vom KfZ-Kumpel prüfen? Kann ich, aber es ist fraglich, ob der alle drei Kreisläufe (Auto, Batterie & Steckdose) zuordnen kann.

Scharniere, Türschlösser & Co. gefallen mir nicht, aber es gibt ja den Baumarkt um die Ecke? Der hat weder Schnappschlösser noch die vielen kleinen leichten Teile, die original verbaut waren – und im Fachmarkt ein Vermögen kosten. Vorhänge & Jalousien müssen unbedingt raus? Bedenke, dass du später nicht nur Dunkelheit brauchst, sondern auch Mückenschutz.

2000 Euro für Material und viel Arbeit - dann war das Prunkstück fertig

So geht's dahin, locker 2000 Euro weit – die eigene Arbeitszeit nicht mitgerechnet. Man verbaut die Sanitäranlage neu und die Elektrik auch, produziert Kurzschlüsse und Lebenskrisen, holt Zubehör und Ratschläge. Ich habe mit Raum-Austattern gesprochen und mit Malermeistern, mit Baumarktmitarbeitern Lösungen ersonnen und Hilfsangebote von Repaircafés erhalten. Ich habe SOS auf Facebook ausgesendet und Unterstützung aus unerwarteten Ecken bekommen.

Ich habe nicht nur meine Nerven strapaziert, sondern auch die meiner ganzen Familie, die nicht "mal kurz", sondern sechs Monate am Gemeinschaftsprojekt mitgearbeitet hat: gestrichen, genäht, gebastelt, Schweiß und Tränen vergossen.

Vergangenen Herbst waren der Willibald und ich drei Wochen unterwegs. Es hat alles funktioniert. "Meine Auster", sag ich, weil niemand sehen kann, was sich unter der alten Schale versteckt: Außen schön beige – innen schön neu.

Hier finden Sie Tipps der Redaktion für Stellplatzführer.

Fertig. So gemütlich ist der Essplatz geworden - und versprüht dennoch eine Portion Retro.

Fertig. So gemütlich ist der Essplatz geworden - und versprüht dennoch eine Portion Retro. © Katharina Wasmeier

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