So teuer wie LKW oder Bus

Achtung Wohnmobilfahrer: Sie werden auf diesen EU-Autobahnen abgezockt

Matthias Niese

Leben / Magazin am Wochenende / Gute Reise

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23.6.2022, 13:46 Uhr
Das wird teuer: Frankreich kassiert bei bestimmten kleinen Wohnmobilen die gleiche Maut wie für voll besetzte Omnibusse oder LKW.

© imago images/Barbara Kirchhof, NNZ Das wird teuer: Frankreich kassiert bei bestimmten kleinen Wohnmobilen die gleiche Maut wie für voll besetzte Omnibusse oder LKW.

Dieser Vorspann lässt Asterix- und Frankreich-Fans aufhorchen, und er mag übertrieben sein. Immerhin kann jedes Land in der Europäischen Union (EU) selbst bestimmen, welchen Wegzoll es auf seinen Straßen erhebt, solange der niemanden benachteiligt oder abzockt. Darum ist Deutschland auch mit seiner PKW-Maut für Ausländer krachend gescheitert. Doch in Gallien hält sich - womöglich von der EU geduldet - hartnäckig ein ähnlich schräges Inkasso-Konstrukt an den Mautstationen. Andere Urlaubsländer wie Italien, Spanien und Portugal regeln das zwar auch jeweils unterschiedlich, hier gibt es aber keinen derartigen Ausreißer.

Die EU-Kommission soll in den Mitgliedsstaaten für ähnliche Lebensverhältnisse und freien Reiseverkehr sorgen. Frankreich unterläuft das auf seinen Autobahnen, indem es eine bestimmte Gruppe Reisender benachteiligt. In dem Fall sogar die Untergruppe einer Untergruppe. Schuld sind drei Meter, im Detail aber oft nur zwei, drei Zentimeter, die ein Laserstrahl gnadenlos erfasst.

Passt irgendwie gar nicht hier rein: Das Familien-Wohnmobil steht zwischen einem Omnibus (der mit bis zu 50 Personen vollbesetzt sein kann) und zweiachsigen LKW, also voll kommerziellen Großfahrzeugen. Nur, weil ihr Camper einen Alkoven hat, der höher als 3 Meter über der Straße aufragt, zahlt die Familie auf Frankreichs Autobahnen genauso viel wie der Bus oder der Laster - in etwa dreimal so viel wie ein PKW.

Passt irgendwie gar nicht hier rein: Das Familien-Wohnmobil steht zwischen einem Omnibus (der mit bis zu 50 Personen vollbesetzt sein kann) und zweiachsigen LKW, also voll kommerziellen Großfahrzeugen. Nur, weil ihr Camper einen Alkoven hat, der höher als 3 Meter über der Straße aufragt, zahlt die Familie auf Frankreichs Autobahnen genauso viel wie der Bus oder der Laster - in etwa dreimal so viel wie ein PKW. © Screenshot www.autoroutes.fr/fr/classification-des-vehicules vom 27.5.2022

Beispiel: Eine Familie mit drei Kindern hat sich ein familientaugliches Wohnmobil mit mindestens fünf Gurtplätzen gemietet oder gekauft - das gibt es fast nur als Alkoven-Freizeitfahrzeug mit Doppelbett überm Fahrerhaus, wegen einer Fensterhaube überm Dachbett ist es einen Tick höher als drei Meter. Mit diesem Camper reist die Familie von Süddeutschland über französische Autobahnen an die spanische Costa Brava und erschrickt, als ein französischer Maut-Automat bis zu 90 Euro für einen von mehreren Streckenabschnitten fressen möchte.

Eine Familie zahlt fast 400 Euro (!) Frankreich-Maut bis Spanien

Hatten sie nicht sonst für den gesamten Hinweg mit dem Auto rund 80 Euro in Frankreich bezahlt? Nun müssen sie insgesamt 186 Euro hinlegen - nur für die Hinfahrt, also oneway 100 Euro mehr! Mit 372 Euro schlägt alleine die Maut für die Frankreich-Durchreise (hin- und zurück) in die Familienkasse, Sprit kommt noch dazu. Freunde ohne Kinder, die mit ihnen in einem Wohnmobil ohne Alkoven reisen, zahlen für dieselbe Strecke "nur" 124 Euro einfach.

Die schräge Regel kommt Familien teuer zu stehen: Diese fuhr mit ihrem Wohnmobil quer durch Frankreich nach Spanien und wunderte sich, warum an den Mautstationen bis zu 90 Euro pro Station abkassiert wurde. Nun weiß sie, warum.

Die schräge Regel kommt Familien teuer zu stehen: Diese fuhr mit ihrem Wohnmobil quer durch Frankreich nach Spanien und wunderte sich, warum an den Mautstationen bis zu 90 Euro pro Station abkassiert wurde. Nun weiß sie, warum. © Matthias Niese, NNZ

Das wird für die Familie für lange Zeit der letzte Spanien-Urlaub im Wohnmobil gewesen sein, auch, weil Flüge zu teuer und insgesamt umweltschädlich sind. Doch auch die weit entfernten Regionen Frankreichs bleiben für sie und viele andere Wohnmobilisten wegen dieser hohen Maut tabu. Zu quälend lang ist die Reise von Deutschland etwa in die Bretagne über günstige Landstraßen voller Kreisverkehrs-Inseln. Frankreichs Tourismus schießt sich so selbst ins Knie.

Im Rest Europas gilt fast überall die 3,5t-Gewichtsgrenze

In fast allen Ländern Europas hat man sich auf die Gewichtsgrenze von 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht festgelegt, über der Wohnmobilfahrer deutlich mehr Maut zahlen oder - wie in Österreich - sogar eine elektronische (Go-)Box installieren müssen.

Unter der Gewichtsgrenze zahlen Wohnmobil-Reisende meist so viel wie normale Autos oder sind nur etwas teurer, gezogene Caravans fallen meist in dieselbe Kategorie. Nur Frankreich schert hier noch immer aus.

Die Höhe zählt, nicht das Gewicht - egal, wer im Fahrzeug sitzt

Grund für das Malheur: Frankreich hat als einziges Land in Europa die Regel, dass Fahrzeuge über drei Metern Höhe bzw. über 3,5 Tonnen in eine deutlich höhere Mautkategorie (Classe 3) fallen als PKW (Classe 1) oder Wohnmobile ohne Alkoven. Weil häufig nur die Höhe gemessen wird, kann es sein, dass ein schweres (über 3,5 Tonnen) und langes Wohnmobil unter 3 Metern Höhe deutlich billiger ist als ein kompaktes, 6,50 Meter langes Alkoven-Freizeitfahrzeug, wie es klassischerweise Familien fahren. Dabei müssen die im Urlaub eher jeden Euro umdrehen als das gut situierte Rentnerpaar im niedrigeren Luxus-Camper auf Europareise.

Das zeigt sich ganz deutlich beim Blick auf die Kategorisierung des französischen Autobahnbetreibers ASFA: Das Familien-Freizeitfahrzeug steht wie ein Fremdkörper zwischen einem Omnibus (der etwa mit 50 Personen vollbesetzt sein kann) und einem zweiachsigen LKW, also kommerziellen Großfahrzeugen. Wegen einigen Zentimetern Höhe muss die Familie genauso viel Maut bezahlen wie Unternehmer, die viele Personen oder Waren transportieren.

Der ADAC erkennt eine weitere Ungerechtigkeit und präzisiert unter Bestimmungen für Wohnmobile für Frankreich: "Wohnmobile über 3 m Gesamthöhe und/oder einem Gewicht über 3,5 t zGG werden höher bemautet. Oft findet nur eine Höhenmessung statt, so dass Fahrzeuge über 3,5 t, aber unter 3 m in (die billigere d.Red.) Klasse 2 eingestuft werden können. Zur Gesamthöhe zählen alle festen Aufbauten wie z.B. Aggregate von Klimaanlagen, nicht jedoch Dachboxen, Antennen oder Beleuchtungseinrichtungen."

ADAC: Dachluke oder Dachfenster zählen als fest verbaut

ADAC-Sprecher Alexander Schnaars weiß, ob etwa eine Dachluke auf dem Alkoven mitzählt: "Da ein Dachfenster oder eine Dachluke fest im Fahrzeug verbaut ist, ist diese aus unserer Sicht bei der Höhenermittlung eindeutig mit einzuberechnen. Damit fällt ein Wohnmobil, dessen Höhe an der Oberkante des geschlossenen Dachfensters 3 Meter oder mehr beträgt, in die Klasse 3. Daher dürfte es auch unerheblich sein, ob das Dachfenster erst nachträglich eingebaut wurde oder bereits von Anfang an vorhanden war."

Wohnmobil-Durchreise nach Kroatien in Slowenien endlich billiger

Slowenien hatte eine ähnlich unsinnige Regelung, hat diese aber endlich kassiert. Noch vor wenigen Jahren maß man die Höhe jedes Fahrzeugs über der Vorderachse, über 1,3 Metern - also bei fast jedem Wohnmobil - fielen auch Camper wie Transporter in die Klasse 2B und zahlten für die Monatsvignette 60 Euro.

Oh Schreck, denken sich viele Wohnmobil-Reisende, wenn sich in Frankreich wieder eine Mautstation ankündigt.

Oh Schreck, denken sich viele Wohnmobil-Reisende, wenn sich in Frankreich wieder eine Mautstation ankündigt. © imago images/HMB-Media, NNZ

Nun werden Wohnmobile explizit wie PKW (beide Klasse 2A) behandelt - die Monatsvignette kostet nur noch 30 Euro. Hinzu kommt noch die Gebühr für den Karawankentunnel zwischen Kärnten und Slowenien - hier ist der Preis ebenfalls der selbe wie für PKW.

Besteht die Chance, die unsinnige Regel zu umgehen?

"Es gibt keine legale Möglichkeit, die geltenden Bestimmungen zu umgehen. Viele Mautstationen werden nach unserer Kenntnis in Frankreich mittlerweile automatisch betrieben, nur selten wäre also Personal zur Verfügung, um eine individuelle Beurteilung vorzunehmen," urteilt ADAC-Sprecher Alexander Schnaars.

Wir haben die EU-Kommission befragt, die ja ein Interesse daran haben muss, dass in Europa möglichst die selben Regeln im Reiseverkehr gelten. "Off record", also unter der Hand und ohne Namensnennung, hat uns ein EU-Beamter schriftlich diese Antwort gegeben:

- Die Mautgebühren auf europäischen Autobahnen werden auf EU-Ebene durch die Eurovignetten-Richtlinie (Richtlinie 1999/62/EG - zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/362) geregelt.
- Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, die Fahrzeughöhe als Kriterium für die Festlegung von Fahrzeugklassen zu verwenden.
- Daher stehen die von Frankreich festgelegten Fahrzeugklassen nicht im Widerspruch zum europäischen Recht.

Private Straßenbetreiber wollen keine einheitliche Regelung

In diesem Sinne sieht das der ADAC: "Sicherlich lässt sich über die Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung der höhenabhängigen Maut diskutieren, rechtlich ist diese dennoch nicht zu beanstanden. Die Regelungskompetenz für Autobahnbenutzungsgebühren liegt europaweit in der Zuständigkeit der nationalen Gesetzgeber. Daher verstößt die Regelung auch nicht gegen europäische Vorschriften, insbesondere liegt keine europarechtswidrige Ausländerdiskriminierung vor, da die Regelung auch für französische Fahrzeuge gilt." Und weiter: "Bislang sind auch keine konkreten Planungen für eine Harmonisierung europäischer Mautbestimmungen in diesem Kontext bekannt", so Sprecher Schnaars.

Man kann sich Geld zurückerstatten lassen

Die Französische Botschaft schreibt uns als mögliche Begründung: "Ein Teil der Erklärung für diese Benachteiligung der deutschen Wohnmobile in Frankreich könnte darin liegen, dass die Mautunternehmen, die das französische Autobahnnetz verwalten, vorwiegend private Akteure sind, die an einer einheitlichen EU-Regelung vermutlich nicht so großes Interesse haben."

Wird die Regelung abgeschafft? Wir haben in Paris nachgefragt und folgende Antwort bekommen: "Die französischen Behörden beabsichtigen nicht, diese Klassifizierungen zu ändern, die Ende der 1990er Jahre mit den Autobahngesellschaften ausgehandelt und 2001 eingeführt wurden. Die Mehrzahl der Wohnmobile fällt in Mautklasse 2."

Die Automaten wollen an manchen Abschnitten fast 100 Euro in den Schlitz geschoben bekommen.

Die Automaten wollen an manchen Abschnitten fast 100 Euro in den Schlitz geschoben bekommen. © imago images/blickwinkel, NNZ

Die Botschaft gibt jedoch einen Tipp: "Auf folgender Webseite des Automobil-Club für Wohnmobilfahrer erfährt man, dass die Möglichkeit besteht, Geld zurückerstattet zu bekommen, falls aufgrund von Equipment die autorisierte Höhe übertroffen wird. Für Mitglieder, die ein FFCC-Vinci Badge besitzen, fallen die angeprangerten Kosten weg. Interessant." Es gibt also Lösungen. die muss man allerdings kennen.

Kommentar-Tipps: "Camper CLASS DEUX" sagen

Facebook-Kommentatoren dieses Artikels raten: "An den Mautstationen anhalten und Sprachknopf benutzen: 'Camper CLASS DEUX`' sagen", das funktioniere immer wieder. Frédéric D. schreibt: "Um diese erhöhten Kosten zu vermeiden, an der Mautstelle die Klingeltaste nutzen und sagen `Camping Car, Class deux` und dann wird der zu zahlende Betrag reduziert!" Ein anderer Kommentar: "Wenn du höher als 3m und unter 3.5t bist, einfach Knopf drücken und melden, dass unter 3,5t und schon wird die Klasse runtergesetzt." Auch Bruno F. schreibt: "Sprachknopf betätigen, reklamieren, klappt immer." Eine Garantie, dass das tatsächlich immer funktioniert und legal ist, gibt es jedoch nicht.

Wer auf Landstraße ausweicht, für den gilt: "Navi auf Mautfrei einstellen." Doch: "Leider gibt es ein kleines Problem. Immer mehr "Nebenstrecken" werden für über 3,5 t gesperrt. Und etwa die alte RN 7 - so etwas wie die Route 66 Richtung Süden: Versuch mal deren alten Verlauf heute zu fahren. Viel Spaß und Gute Nerven bei der Tour du rond point." Denn gerade in Frankreich reiht sich auf mautfreien Landstraßen ein Kreisverkehr an den anderen.

Das sagt der ADAC-Experte

ADAC-Sprecher Schnaars weiß aber auch: "Vielmehr kommt es in der Praxis bei höhenabhängigen Mautberechnungen in Frankreich nach unseren Erfahrungen eher dadurch vereinzelt zu Schwierigkeiten bei automatischen Zahlstellen, wenn die automatisierte Höhenmessung beispielsweise durch Dachladung, z.B. durch Dachboxen, verfälscht wird. Bei einer solchen Falschklassifikation müssten mögliche Rückerstattungsansprüche – idealerweise unter Vorlage des Mautbelegs und einer Kopie der Zulassungsbescheinigung – üblicherweise nachträglich gegenüber der jeweils zuständigen Mautgesellschaft geltend gemacht werden." Den Aufwand mögen vermutlich wenige gegenüber einer französischen Betreiber-Behörde auf sich nehmen.

Ihre Tipps: Wie kommt man über 3m in die günstigere Classe 2?

Haben Sie Erfahrungen oder Tipps, wie Sie mit einem Wohnmobil unter 3,5 Tonnen, aber über 3 Metern Höhe an der französischen Mautstation in Classe 2 statt der teuren Classe 3 kommen? Kann man den Mess-Strahl umgehen, indem man etwa mit dem Alkoven durchfährt? Kann man das Personal überzeugen? Schreiben Sie Ihre Tipps hier als Kommentar unter den Artikel.

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