Von den Nazis verjagt

Stolpersteine erinnern an den früheren Club-Trainer Jenö Konrad

Marco Puschner

Lokalredaktion Nürnberg

E-Mail zur Autorenseite

27.6.2022, 10:00 Uhr
Der Künstler Gunter Demnig verlegt den Stolperstein vor dem Max-Morlock-Stadion. 

© Stefan Hippel, NNZ Der Künstler Gunter Demnig verlegt den Stolperstein vor dem Max-Morlock-Stadion. 

Niels Rossow, Kaufmännischer Vorstand des 1.FC Nürnberg, bezeichnet ihn als einen "Startrainer". Jenö Konrad sei der "Jürgen Klopp seiner Zeit" gewesen. Nun erinnert ein Stolperstein auf dem Max-Morlock-Platz vor dem Stadion an den Coach, der den 1.FC Nürnberg von 1930 bis 1932 betreut. Der Künstler Gunter Demnig hat ihn am Sonntag im Beisein von Oberbürgermeister Marcus König (CSU) verlegt.

Zuständig für Neuaufbau

Der mit der Club-Historie bestens vertraute Buchautor Bernd Siegler erinnert bei diesem Anlass daran, dass Konrad eigentlich einen Neuaufbau beim FCN in die Wege leiten sollte. Der Verein hatte in den 1920er Jahren fünf deutsche Meisterschaften geholt, "doch die Mannschaft wurde nun langsam älter und dicker".

Der Umbruch, den Konrad bewerkstelligen will, wird nach unglücklichen Niederlagen indes jäh unterbrochen. Das NS-Blatt "Der Stürmer" hetzt übel gegen den Trainer, dessen jüdischer Glaube, so Siegler, zuvor nie eine Rolle gespielt habe. Konrad verlässt Nürnberg im Jahr 1932. "Es beginnt für ihn eine Odyssee durch Europa", sagt Siegler. 1940 kann er sich und seine Familie durch die Übersiedlung in die USA retten.

Botschaft von der Tochter

Dort lebt heute noch seine Tochter Evelyn, die sich mit einem Schreiben bedankt: Dass nun Stolpersteine auf das Schicksal ihres Vaters hinweisen, gehe ihr und ihren vier Kindern "sehr nahe". Einen zweiten Stolperstein hat Künstler Demnig an der Bingstraße in Zabo angebracht, wo die Konrads damals wohnten.

"Nicht weggelaufen"

"Mein Vati", schreibt Evelyn Konrad, "hat immer betont, dass er nach dem Hetzartikel nicht davongelaufen ist." Er sei vielmehr weggegangen, weil er gesehen habe, wie sich die Dinge in Nürnberg entwickeln. "Dieses feine Gespür für aufkeimenden und wachsenden Antisemitismus hatte ihm und letztlich auch mir und meiner Mutti das Leben gerettet", so die inzwischen 93 Jahre alte Konrad. Sie betont auch, wie sehr es sie freue, dass Schülerinnen und Schüler "diese Idee für die Stolpersteine hatten".

Im Rahmen des Jenö-Konrad-Cups, den der 1. FC Nürnberg gemeinsam mit dem TSV Maccabi Nürnberg organisiert, beschäftigen sich alljährlich Schulklassen mit den Geschehnissen von 1932.

Förderlehrerin Marika Schönfeld vom Sonderpädagogischen Förderzentrum Jean-Paul-Platz hat mit ihren neunten Klassen an dem Wettbewerb 2021 teilgenommen und dabei die Idee entwickelt, selbst einen Stein für Konrad zu entwerfen. Zumal die Stolpersteine eigentlich für NS-Opfer der Jahre 1933 und 1945 gedacht sind, die Kampagne gegen Konrad fand aber schon 1932 statt.

"Stein des Anstoßes"

Der große, schwere "Stein des Anstoßes", den die Schüler gestaltet haben, steht inzwischen neben der Geschäftsstelle des Club und bescherte dem Förderzentrum vergangenes Jahr den ersten Preis unter rund zehn Projektteilnehmern. Weil Schönfeld aber im Zuge ihrer Recherchen mit Demnig in Kontakt kam, erklärte der sich bereit, eine Ausnahme zu machen. So erinnern nun zwei Stolpersteine an Jenö Konrad. Dessen Geschichte hat Siegler bereits 1996 für sein Standardwerk über die Geschichte des 1.FC Nürnberg aufgearbeitet.

Eindrucksvolle Choreografie

Doch erst 2012, als die "Ultras Nürnberg 1994" mit einer eindrucksvollen Choreografie an den verjagten Trainer erinnern, werden die Ereignisse von 1932 einem breiteren Publikum bekannt. "Uns war damals nicht klar, dass der Ball noch so weit fliegen wird", sagt Christian Mössner von den "Ultras". 2013 ernennt der Club den 1978 verstorbenen Konrad posthum zum Ehrenmitglied.

Auch Evelyn Konrad ist zugegen und beeindruckt das Publikum mit Humor und Schlagfertigkeit. "Das war die würdigste Veranstaltung, die ich beim Club erleben durfte", erinnert sich Mössner. Im Jahr 2016 gibt es dann ein Theaterstück zum Thema.

Abteilung für gesellschaftliche Verantwortung

Bereits 2015 hat der Club eine Abteilung für gesellschaftliche Verantwortung gegründet, die auch den Konrad-Cup organisiert. Anatoli Djanatliev, Vorstandschef von Maccabi Nürnberg, ist voll des Lobes über die sozialen Aktivitäten des Vereins. Zumindest auf dieser Ebene spiele der Club in der Champions-League.

Keine Kommentare