Wahlkampf statt Regierungserklärung

Aiwangers bundespolitische Träume drohen zu scheitern - das macht ihn unberechenbar

Roland Englisch

München-Korrespondent

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28.11.2024, 16:52 Uhr
Es läuft im Moment nicht für Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler auf Bundesebene. Selbst in Bayern würden sie aktuell an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

© Peter Kneffel/dpa Es läuft im Moment nicht für Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler auf Bundesebene. Selbst in Bayern würden sie aktuell an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Es soll eine Regierungserklärung zur Wirtschaft sein. Doch das, was Hubert Aiwanger im Landtag abliefert, ist eine Themaverfehlung. Kein Wort dazu, wie er die darbende Industrie wieder auf Vordermann bringen will. Nichts dazu, wie die Energiewende noch gelingen soll – außer mit Wasserstoff von irgendwoher.

Zwar hat niemand erwartet, dass Aiwanger und nach ihm die Vertreter der anderen Fraktionen nur zum Thema sprechen würden. In zwölf Wochen wählen die Deutschen ihren Bundestag neu. Das schlägt zwangsläufig auf die Landespolitik durch. Die Parteien sind im Wahlkampfmodus.

Opfer der eigenen Anti-Linie

Doch hätte CSU und Freien Wählern mehr Selbstreflexion gut zu Gesicht gestanden. Es stimmt zwar, in ein paar Jahren werden Dutzende neue Windkraftanlagen in Bayern entstehen. Dass es noch so lange dauert, daran tragen die beiden Parteien mit ihrer jahrelangen Verteufelung der Energiewende die Schuld. Wenn Aiwanger jetzt dem Bund die Schuld zuschiebt, dass die Trassen aus dem Norden nicht fertig sind und die regionalen bayerischen Stromnetze den Zubau bei der Photovoltaik nicht verkraften, ist das absurd, weil nicht Berlin, sondern Bayern verantwortlich ist.

Aiwanger will ablenken. Als Wirtschaftsminister, vor allem als Chef der Freien Wähler und Verfechter ihrer bundespolitischen Ambitionen, steht er enorm unter Druck. Bayerns Industrie fordert seit langem eine ernsthafte Energiewende, die ihr die Regierung verweigert. Ihre Verbände haben immer drängender vor den Folgen gewarnt. Jetzt sind sie da – und Aiwanger fällt dazu wenig ein.

Also arbeitet er sich an Berlin ab und nicht die bayerische Wirtschaftspolitik auf. Seine Rede hat auf weiten Strecken nichts mit Bayern zu tun; sie ist Wahlkampfgetöse. Aiwanger offenbart damit unfreiwillig, wie nervös er mittlerweile ist.

Denn seine bundespolitischen Tagträume scheitern gerade an der Realität. In den Umfragen schafft seine Partei nicht einmal mehr die Fünf-Prozent-Hürde - in Bayern, ihrem Stammland. Offensichtlich hat Aiwanger missverstanden, warum 2021 eine Ausnahmesituation war, und nicht begriffen, wo die Wähler die Rolle seiner Gruppierung sehen.

Ihre Heimat ist nicht der Bund

Bei der Wahl 2021 hatten viele frustrierte CSU-Wähler den Freien ihre Stimme gegeben, sei es, weil sie Söders Anti-Laschet-Kurs nicht mitgehen oder Laschet für ungeeignet hielten und ihn nicht wählen wollten. Es war kein nachhaltiger bundespolitischer Zuspruch für Aiwanger, sondern ein Ausweichmanöver.

Umgekehrt sehen viele Freien Wähler ihre Zukunft nicht im Bund. Söders Argument zieht, das schwäche nur das konservative Lager, die Stimmen seien verschenkt. Zumal die Stärke der Freien Wähler die Kommunalpolitik ist. Dort ist die Gruppe verwurzelt, hat sie ihre Basis, nicht in Berlin.

Aiwangers Auftritt im Landtag ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt. Der Niederbayer ist bekannt dafür, dass er umso härter austeilt, je bedrängter er sich fühlt. Für den Wahlkampf verheißt das nichts Gutes.

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