Alarmierend: Auftakt in Erfurt

Chaotische Zustände in Thüringen: Wie die AfD den Parlamentarismus verhöhnt

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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27.9.2024, 07:51 Uhr
Jürgen Treutler, AfD-Abgeordneter und Alterspräsident während der konstituierenden Sitzung des Landtags.

© Martin Schutt/dpa Jürgen Treutler, AfD-Abgeordneter und Alterspräsident während der konstituierenden Sitzung des Landtags.

Unwürdig. So hat sich die AfD auch im Thüringer Landtag verhalten. Die Rechtsextremisten haben sich gut vorbereitet auf ihren großen Auftritt. Als stärkste Fraktion, die noch dazu den Alterspräsidenten stellte, war die Bühne bereitet.

Den Parlamentarismus verhöhnen, ja bloßstellen und lächerlich machen, dieses Ziel wurde vollumfänglich erreicht. Und somit auch ein Vorgeschmack gegeben auf all die Sitzungen in anderen Landtagen, etwa in Dresden und Potsdam, in denen starke AfD-Fraktionen sitzen.

Wäre es nicht vergebens, müsste man den Appell an die Vernünftigen unter den Wählerinnen und Wählern dieser Partei wiederholen: Passt auf, was ihr tut! Denn am Ende, diese Befürchtung verfestigt sich mit dem Erfurter Tumult-Tag leider zur Gewissheit, erwarten die Anhänger der Rechtspopulisten genau solche entwürdigenden Auftritte der von ihnen gewählten Abgeordneten.

Allerdings wäre es zu einfach, mit dem Finger nur auf die AfD zu zeigen. Den Spielraum, den es in Thüringen gab, hat die Partei gnadenlos genutzt. Überraschend kam das nicht. Genau an diesem Punkt setzt die Kritik an den Parteien der Mitte an. Warum nicht rechtzeitig die Geschäftsordnung ändern, warum nicht die Regeln für die Wahl von Verfassungsrichtern anpassen? Weil man sich damit auf das Spiel der AfD einließe?

Wer so argumentiert verkennt den Ernst der Lage. Die AfD ist keine Spaßpartei, im Gegenteil. Und die Regeln unserer Parlamente sind zu Zeiten gemacht worden, in denen auf den Abgeordnetenbänken Menschen saßen, die trotz ihrer unterschiedlichen Parteizugehörigkeit eines verbunden hat: Sie standen mit beiden Füßen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und akzeptierten deren Spielregeln. Dieser Grundkonsens ist mit dem Einzug von AfD-Vertretern in die Parlamente aufgekündigt.

Die AfD will das parlamentarische System von innen aushöhlen

Die Lage ist ernst, sehr ernst. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik schicken sich Gegner des parlamentarischen Systems an, dieses von innen auszuhöhlen. Versucht haben sie das schon lange, etwa mit fragwürdigen und stillosen Auftritten unter anderem im Maximilianeum in München. Mit dem Unterschied, dass die AfD in Bayern über deutlich weniger Einfluss verfügt als im Osten.

Wer jetzt noch nicht begriffen hat, worum es der AfD geht, dem ist nicht mehr zu helfen. Die Bundestagswahl 2025 droht zur Schicksalswahl zu werden. Nicht auszumalen, wenn im Bundestag ein ähnliches Spektakel wie in Erfurt inszeniert werden könnte.

Nie wieder ist jetzt - dieser oft zitierte Satz hat seine Berechtigung. Sonst heißt es bald: Wie hat das passieren können? Was die AfD von Demokratie hält, das liegt auf der Hand - sie will sie von innen aushöhlen. Am Ende wird dieser Prozess nicht zu verhindern sein, solange der Zuspruch für diese Partei anhält. Erfurt war ein Warnsignal, das nicht überhört werden darf.

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