
Kommentar
Der Koalitionsfahrplan passt - aber die Union muss ihre Fehler vor der Wahl teuer bezahlen
Das Tempo stimmt - und es ist auch nötig, dass die angehenden Koalitionspartner schnell vorankommen: Deutschland braucht in der größten Erschütterung seit Ende des Zweiten Weltkriegs rasch eine handlungsfähige und stabile Regierung.
Daher ist es gut, dass CDU, CSU und SPD nun, zwei Wochen nach der Wahl, schon fertig sind mit ihren Sondierungen und nun die eigentlichen Koalitionsverhandlungen starten. In sechs Wochen ist Ostern - bis dahin, so Friedrich Merz, soll das Bündnis stehen. Früher wäre noch besser.
Am besten nicht alles im Detail regeln
Und die Parteien wären gut beraten, aus den Fehlern der Ampel zu lernen - und nicht alles zu planen. Die hatte einen einen 144 Seiten dicken Koalitionsvertrag erarbeitet - der genau drei Monate später erledigt war. Da marschierte Putins Armee in der Ukraine ein - es begann die "Zeitenwende" (Olaf Scholz).
Elf Seiten umfasst das Sondierungs-Papier der neuen Partner. Jeder muss Abstriche und Zugeständnisse machen - so funktioniert Demokratie. Die SPD hat schon vor der Wahl angedeutet: Einschnitte beim Bürgergeld sind mit ihr möglich. Nun geht sie auf Forderungen der Union ein - und bekommt dafür ihren Wunsch nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro erfüllt.
Auch bei der illegalen Migration muss die SPD einlenken, sie schwenkt auf den härteren Kurs ein, den Friedrich Merz vor der Wahl ultimativ einforderte - und mit der Abstimmung im Bundestag mit AfD-Stimmen ein riskantes Manöver einging.
Das größte Eingeständnis mussten CDU und CSU schon vor einer Woche machen: Da verkündeten sie mit der SPD die milliardenschweren Pakete für Verteidigung und Infrastruktur - und brachen damit tatsächlich ein zentrales Wahlversprechen.
Es war eigentlich allen klar, dass es ohne ein Antasten der Schuldenbremse nicht geht
Dabei war da längst absehbar, dass es ohne ein Antasten der Schuldenbremse nicht geht. Sogar der Bundesbankpräsident hatte das angeregt, die meisten Ökonomen argumentierten so, auch etliche Unions-Politiker - doch deren Chefs blieben, getrieben von FDP-Chef Lindner, bei ihrem Mantra und verunglimpften alle, die ihnen das, zu Recht, vorwarfen.
Ist es ein Skandal, dass sie nun davon abrücken? Nein. Politik muss auf Unvorhersehbares reagieren - und davon hatten wir zuletzt mehr als genug. Trumps Aufkündigung der transatlantischen Partnerschaft war nur der letzte, massivste Grund für die Mega-Investitionen, die sich Deutschland leisten kann und muss.
Aber: Merz und Söder sollten rasch versuchen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen. Beides haben sie mit ihren Attacken gerade auf die Grünen erschüttert, die sie nun brauchen.
Da wäre es gut, Klartext zu sprechen und auch Fehler einzuräumen. "Wir werden einander viel verzeihen müssen": Der Satz von Jens Spahn aus der Corona-Zeit passt auch jetzt. Es wäre staatsmännische Größe, wenn der künftige Kanzler Merz den Brückenschlag zu den Demokraten im alten und neuen Parlament versucht - er wird ihre Unterstützung noch öfter brauchen für eine stabile Regierung in stürmischen Zeiten.
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