Liberale stecken tief in der Krise

Die FDP und ihr „D-Day“-Plan: Wer soll dieser Partei noch glauben?

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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29.11.2024, 08:52 Uhr
Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, muss derzeit viel erklären.

© Christoph Soeder/Christoph Soeder/dpa Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, muss derzeit viel erklären.

Es gibt in der Politik Momente, die selbst abgebrühten Beobachtern Sorgen bereiten. Die "D-Day"-Planungen der FDP sind so ein Moment. Wenn eine Partei, die Teil einer Koalition ist, den Ausstieg aus dem Bündnis derart präzise vorbereitet, wenn diese Partei nach ersten Recherchen von Journalisten zunächst leugnet, dann verharmlost, dann schadet sie damit vor allem der politischen Kultur im Land.

Es ist ein Schmierentheater, das Christian Lindner und seine liberalen Freunde inszeniert haben. Eines, das seinesgleichen sucht. Politik ist kein Ponyhof, es gab (und das wird wohl auch in der Zukunft so sein) schon immer Vertreter, die das Eigeninteresse vor das Gemeinwohl gestellt haben. Die FDP hat sich allerdings besonders dreist verhalten.

Den Begriff "D-Day" als Überschrift zu wählen, ist geschmacklos und geschichtsvergessen

Das fängt beim Vokabular an: Den historischen Begriff "D-Day", der für die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus steht, als Überschrift zu wählen, ist geschmacklos und geschichtsvergessen. Von einer "offenen Feldschlacht", die es gegen SPD und Grüne zu führen gelte, zu schreiben, ist anstandslos. Kurzum: Die FDP hat jegliche Regeln des Miteinanders über Bord geworfen, sie hat ihren politischen Überlebenskampf über das Wohl der Bundesrepublik, dem sich alle Minister qua Amtseid zuvor verpflichtet hatten, gestellt.

Es mangelt in der Politik nicht an anderen Akteuren, insbesondere aus dem populistischen Milieu, die ebenfalls Narrative setzen, wie dies die FDP in ihrem bemerkenswerten Papier gleich mehrfach verkündet. Der Unterschied liegt darin, dass die politische Mitte gegen solche Narrative, also konstruierte Erzählungen, deren Wahrheitsgehalt häufig gering ist, mehr oder weniger geschlossen angegangen ist. Bislang.

Denn jetzt kommt ein solches Narrativ mitten aus dieser Mitte. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie Wählerinnen und Wählern, die bislang der FDP ihre Stimme gegeben haben, sich fühlen müssen. Und man muss Mitleid mit jenen Liberalen bekommen, die anständig geblieben sind. Es gibt sie nämlich, die aufrechten Freien Demokraten, die für Ideale stehen, die Lindner & Co. schlicht verraten haben.

Dass die Aufarbeitung innerhalb der FDP so zögerlich beginnt, dass das erst auf erheblichem Druck hin veröffentlicht wurde, all das verschlimmert die Lage der Liberalen zusätzlich. Ob Parteichef Lindner aus den Rücktrittsforderungen Konsequenzen zieht, muss bezweifelt werden, ein Bauernopfer dürfte er hingegen geben.

Politik sollte keine Spielwiese für eitle Ichlinge sein

Selbst nach einem oder mehreren Rücktritten, den Anfang hat Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gemacht, wäre das grundsätzliche Problem der FDP nicht gelöst: Diese Partei hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Und sie hat einem ohnehin in der Krise befindlichen Staat einen Bärendienst erwiesen. Denn Politik sollte keine "Feldschlacht" oder eine Spielwiese für eitle Ichlinge sein, Politik sollte vielmehr einem höheren Zweck dienen. Dazu zählt auch die Suche nach Kompromissen - der FDP ging es nur um sich selbst.

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