Klausur der Landesgruppe
Die Stunde der Wahrheit schlägt in 40 Tagen - und CSU-Chef Söder schadet derzeit der Union
8.1.2025, 14:37 UhrEs ist ein Ritual, wenn sich die Berliner CSU-Gruppe nach Drei-König zu ihrer Klausur in Oberbayern versammelt. In der Regel sieht die Welt dort viel Rauch und wenig Feuer, vor allem also Politshow mit Unterhaltungswert.
Diesmal ist es anders. In gut 40 Tagen wählt die Republik ihr Parlament neu; die CSU muss Seeon als Wahlkampfbühne nutzen - und sich kurz danach dem Faktencheck stellen. Wenn tatsächlich die Union die nächste Regierung anführt, wird CSU-Chef Markus Söder erleben, was er von seinen Forderungen umsetzen kann. Und was ins Reich des christlich-sozialen Wunschdenkens gehört.
Söders Taktik könnte der Union schaden
Dass Söder bei seinen Formulierungen regelmäßig über die Ziele und Vorstellungen der Union insgesamt hinausgeht, ist nicht neu. Er muss das, weil seine Klientel konservativer ist als der CDU-Durchschnitt und er damit den bundespolitischen Anspruch seiner Regionalpartei unterstreichen will.
Auch deshalb arbeitet sich der Nürnberger an den Grünen ab. Über Jahrzehnte hat die CSU sie zu ihrem Feindbild stilisiert; seinen kurzen Flirt mit der Ökopartei hat Söder längst vergessen. Mit seiner Taktik allerdings schadet er zunehmend der Union insgesamt.
Noch weiß niemand, wie die Wahl ausgehen wird und welche Optionen sich für eine Koalition ergeben. Merz hält sich wohlweislich bedeckt, mit wem er zusammenarbeiten will. Auch wenn sich Söder offenkundig eine große Koalition wünscht - sie wäre aktuell die einzige Alternative zu einem Bündnis unter Beteiligung der Grünen -, sieht Merz die Probleme, die jeder denkbare Partner mit sich bringt, auch die SPD.
Es gibt keinen idealen Partner für die Union
Mit den Grünen etwa wäre, so paradox das klingt, eine Waffenhilfe für die Ukraine, eine aufgerüstete Bundeswehr und ein reformiertes Bürgergeld erheblich einfacher erreichbar als mit der SPD. Umgekehrt ließen sich Korrekturen in der Wirtschaftspolitik insbesondere mit Blick auf die Energiewende mit den Sozialdemokraten leichter umsetzen.
Söder muss das zunächst nicht interessieren, Merz durchaus. Er wäre der nächste Kanzler, der seine Ziele umsetzen muss. Dass er sich schon vorher den Spielraum extrem einengen lässt, sollte auch Söder nicht erwarten.
Zumal die Vorgänge im Nachbarland Österreich die demokratischen Parteien bei uns alarmieren und zur Vernunft bringen sollten. Dass dort der rechtspopulistische Chef der FPÖ demnächst Kanzler werden könnte, ist vor allem die Schuld von ÖVP, Neos und SPÖ. Die drei haben die Gefahr von Rechtsaußen nicht ernst genug genommen und einen demokratischen Konsens verweigert.
Das darf sich in Deutschland nicht wiederholen. Dieser Wahlkampf böte die Chance dazu; er könnte ein demokratisches Zeichen setzen, gegen rechts. Doch dazu müsste er zwei Voraussetzungen erfüllen: eine argumentative Auseinandersetzung in der Sache, die hart sein kann, aber fair und an der Wahrheit orientiert bleiben muss. Und eine gemeinsame Definition, wo der Feind der Demokratie tatsächlich steht.
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