Geschickte Wahl des Vize-Kandidaten

Ein Duo, das sich gut ergänzt: Kamala Harris weiß, warum sie auf Tim Walz setzt

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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7.8.2024, 14:02 Uhr
Nun steht fest, wen Kamala Harris als möglichen Vize vorsieht: Tim Walz, Gouverneur von Minnesota.

© IMAGO/Laurence Kesterston/IMAGO/UPI Photo Nun steht fest, wen Kamala Harris als möglichen Vize vorsieht: Tim Walz, Gouverneur von Minnesota.

"Das ist das linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte. So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch nie wieder geben." So explodierte Donald Trump, nachdem Kamala Harris bekanntgegeben hatte, dass sie mit Tim Walz als Vize in den Wahlkampf zieht.

Der Wutausbruch des 78-Jährigen zeigt vor allem eines: Seine demokratische Gegenkandidatin scheint sehr viel richtig gemacht zu haben - und momentan hat Trump noch kein Rezept gefunden, wie er auf diese neue Situation reagieren soll.

Erst einmal fragten sich viele: Tim wer?

Die Auswahl ihres "Running Mate" könnte ein gelungener Coup sein. Auch wenn sich viele erst mal fragten: Tim wer? Der 60-Jährige war in der Tat in den USA bisher ungefähr so bekannt wie der Landrat von Ansbach (sorry, Jürgen Ludwig!). Und lange galten andere als Favoriten, vor allem Josh Shapiro, Gouverneur des wichtigen Swing States Pennsylvania.

Nun also der Gouverneur von Minnesota - der Name des Bundesstaats stammt aus der Sioux-Sprache und bedeutet "klares, ruhiges Wasser". Die Beschreibung passt zu Tim Walz. Er zeigt sich keineswegs als Linksradikaler, sondern als der nette Kümmerer von nebenan, Ex-Lehrer, Ex-Football-Trainer - einer, der mit Menschen umgehen kann.

Der Kumpel-Typ vom Land - bodenständig und nahbar

Walz spricht Schichten an, die Kamala Harris schwer erreicht: Weiße auf dem Land vor allem, durchaus auch klassische Republikaner-Wähler, die Kumpel-Typen wie ihn schätzen - bodenständig, nahbar, nicht abgehoben.

Harris und Walz: ein Duo, das einen klaren Kontrast zu Trump und seinem bisher eher irrlichternden Vize-Kandidaten J.D. Vance darstellt. Trump nominierte eine Art jüngeres Double, was die Ansichten und die Derbheit der Sprache angeht. Harris vergrößert ihre Reichweite und Chancen besser - Walz erweitert ihre Möglichkeiten.

Und: Es wird auch diesmal wieder auf wenige zehntausend Wähler in den Swing States ankommen. Das US-Wahlsystem will es so - es bleibt ein zum Teil undemokratischer Anachronismus. Im Vergleich dazu ist auch unser leicht modifiziertes und viel kritisiertes Wahlrecht weit voraus.

Es war übrigens auch Walz, der den bekanntesten Begriff dieses Wahlkampfs prägte: Er nannte und nennt Trump (wie auch Vance) "weird", also seltsam, schräg, wunderlich. Eine passende, weil noch einigermaßen höfliche Antwort auf all die derben Schmähungen, ohne die es bei Trump nicht geht. Ihm mit einem ironischen Lächeln zu begegnen, ihn nicht für ganz voll zu nehmen - das dürfte Trump mehr treffen als ähnlich heftige Verbalattacken.

Ein zuletzt unfassbarer Wahlkampf mit so vielen Wendungen

Dieser zuletzt so unfassbare Wahlkampf mit all seinen Wendungen ist aber noch lang. Und niemand darf Trump unterschätzen. Von jener Demut, die er ein paar Tage nach dem Anschlag auf ihn spielte, ist nichts mehr zu merken. Er wird die kleinste Schwäche seiner Gegner nutzen. Bisher reagieren Harris und Walz nicht auf jede Provokation, springen nicht über jedes Stöckchen, sondern skizzieren ihre Politik. Dieser heiter-gelassene Stil funktioniert recht gut. Bisher.

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