Bei 156,3 Millionen gespritzten Impfdosen

Entschädigung nach Impfschäden: So viele Anträge gibt es in Bayern bislang

14.1.2022, 17:43 Uhr
Insgesamt wurden in Deutschland bisher mehr als 156 Millionen Impfdosen gespritzt.

© imago images/agrarmotive Insgesamt wurden in Deutschland bisher mehr als 156 Millionen Impfdosen gespritzt.

Mehr als sieben Personen werden derzeit pro Sekunde in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft, alleine am 13. Januar wurden rund 734.000 Impfdosen verwendet. Insgesamt landeten laut Robert-Koch-Institut bereits 157,1 Millionen Impfdosen in der Bundesrepublik in Oberarmen von Impfwilligen, in Bayern sind derzeit rund 71,3  Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, 44,4 Prozent haben laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Doch es gibt auch Menschen, die unter Impfschäden leiden und vom Staat Entschädigungen fordern. In Bayern sind seit Beginn der Pandemie bis 14. Januar 253 Anträge auf staatliche Versorgungsleistungen nach möglichen Impfschäden beim zuständigen Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) eingegangen, wie ZBFS-Pressesprecher Benjamin Vrban auf Nachfrage mitteilt.

Impfschäden contra Impfreaktionen

"Eine Erhebung der auf die Impfung gegen das Coronavirus bezogenen Anträge für einzelne Regierungsbezirke erfolgt nicht", erklärt Vrban. Es werde nur die Gesamtheit der geltend gemachten Impfschäden, sprich bei allen Impfungen, aufgeschlüsselt. Dabei seien 2021 insgesamt 312 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens ausgefüllt worden: 40 aus Schwaben, 35 aus Oberfranken, 34 aus Niederbayern, 100 aus Oberbayern, 36 aus Mittelfranken, 35 aus der Oberpfalz und 32 aus Unterfranken.

Es geht hier aber nicht um Impfreaktionen. Nur, wer durch eine öffentlich empfohlene Impfung wie die gegen Covid gesundheitlich auf Dauer geschädigt wird, kann einen Antrag auf Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz stellen. Im Gebiet der Bundesrepublik sind einer Abfrage der Neue Osnabrücker Zeitung bei den zuständigen Stellen der 16 Bundesländer zufolge mindestens 1200 solcher Anträge bisher gestellt worden.

Kopfschmerzen oder Fieber

"Impfreaktionen sind Reaktionen des Körpers, die nach nahezu jeder Impfung auftreten und teilweise sogar als Immunantwort des Körpers erwünscht sind", erklärt Benjamin Vrban und nennt mit Bezug auf das RKI bei der Coronaimpfung "Schmerzen und Schwellung an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Frösteln, Gelenkschmerzen, Fieber, Übelkeit, Lymphknotenschwellungen, Schlaflosigkeit, Schmerzen in Arm oder Bein sowie Unwohlsein".

Das seien keine Impfkomplikationen, vor allem nicht, wenn sie "in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auftreten und insbesondere nach einigen Tagen folgenlos abklingen", teilt der ZBFS-Sprecher mit. Ein "Impfschaden" sei nach der gesetzlichen Definition im Infektionsschutzgesetz (IfSG) "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung".

Länger als ein halbes Jahr

Von Bedeutung ist, dass es zu einer dauerhaften, länger als sechs Monate andauernden, gesundheitlichen Schädigung führt. Um welche Schädigungen es geht, ist nicht statistisch erfasst, es erfolge in Bezug auf die Anträge keine statistische Erhebung, teilt Vrban mit.

"Zu beobachten sind aber vorwiegend internistische Gesundheitsstörungen (Insult, Thrombosen, Myocarditis), neurologische Störungen (Guillain-Barré-Syndrom, Paresen) und vereinzelt auch Hauterkrankungen", berichtet Benjamin Vrban. "Da die meisten Fälle noch nicht entscheiden sind, kann nicht beurteilt werden, ob es sich tatsächlich um Impfschäden handelt."

Neun von 253

Doch über wie viele der Anträge wurde bisher abschließend entschieden und mit welchem Ergebnis? Nach Recherchen der Neue Osnabrücker Zeitung sei von deutschlandweit 1219 Anträgen über 54 bereits entschieden worden. 18 seien bewilligt, 30 abgelehnt, drei zuständigkeitshalber abgegeben und einer aus sonstigen Gründen erledigt.

Rund 780.000 Impfdosen werden aktuell pro Tag verwendet.

Rund 780.000 Impfdosen werden aktuell pro Tag verwendet. © Stefan Blank, NN

In Bayern, wo das Zentrum Bayern Familie und Soziales der Region Oberbayern zuständig ist, sieht es aktuell so aus: 253 Anträge, von denen die Bearbeitung laut ZBFS neun abgeschlossen wurde. Viermal wurde Anspruch auf Versorgungsleistungen anerkannt, dreimal abgelehnt. Dazu sprich Vrban von zwei Rücknahmen.

Bearbeitung dauert mehrere Monate

Die Bearbeitungszeit "hängt von den Umständen des Einzelfalls ab", teilt der Pressesprecher mit. "Grundsätzlich kann ein dauerhafter Gesundheitsschaden nach den rechtlichen Vorgaben erst nach sechs Monaten festgestellt werden."

Es gehe bei der Prüfung immer darum, alle notwendigen Informationen von der antragstellenden Person sowie die Beantwortung von Anfragen an Ärzte, Kliniken, therapeutische Einrichtungen und weitere am Verfahren beteiligte Institutionen einzuholen. "In vielen Fällen ist eine fachärztliche Begutachtung notwendig, die (gerade in der Coronapandemie) einen Vorlauf von einigen Monaten haben kann", teilt Vrban mit.

Grundrente von bis zu 811 Euro

Doch welche Entschädigungen sind möglich? Dazu verweist das ZBFS auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und weiter auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG). "Dieses sieht einen umfangreichen Leistungskatalog vor, dessen Gewährung von den Umständen des Einzelfalls und der vorhandenen Art und Schwere der Schädigungsfolgen abhängt", erklärt Benjamin Vrban.

Kernstück sei eine Grundrente (wenn der Grad der Schädigungsfolgen mindestens 30 erreicht) von 156 bis 811 Euro monatlich. Weitere Ausgleichzahlungen von bis zu 811 Euro im Monat seien "abhängig von der Schwere der gesundheitlichen Schädigungen und den wirtschaftlichen Verhältnissen der berechtigten Person" möglich. Reha-Maßnahmen und Hilfsmittel können ebenfalls bewilligt werden.

Maximal 15.000 Euro pro Monat

"Wer berufliche Einkommenseinbußen durch einen Impfschaden erleidet, kann einen Anspruch auf Ausgleich des geminderten Einkommens durch den sogenannten Berufsschadensausgleich haben", teilt Vrban mit.

In extremen Fällen, "zum Beispiel als Kind geschädigter Personen mit Anfallsleiden mit schweren zerebralen und kognitiven Einschränkungen sowie schwerste Pflegebedürftigkeit (Fremdbetreuung rund um die Uhr)", könne die Summe der monatlichen Versorgungsleistungen (einschließlich einer Pflegezulage) bis zu 15.000 Euro betragen.

Positives Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe

Hinzu kämen Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung, wie zum Beispiel Logopädie-Sitzungen, die vom ZBFS mit den Krankenkassen abgerechnet werden, Hilfsmittelversorgung (dazu zählen unter anderem Spezialbett, Kommunikationsmittel mit Augensteuerung, Inkontinenzversorgung) sowie weitere bedarfsabhängige besondere Leistungen im Einzelfall.

Insgesamt sind Impfkomplikationen aber sehr selten, darauf verweisen RKI, das für Impfstoffsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Gesundheitsministerium immer wieder. So schrieb das PEI erklärte in seinem Sicherheitsbericht Ende Dezember: "Nach derzeitigem Kenntnisstand sind schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten und ändern nicht das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe."