Dunkelziffer steigt

Impfung alle drei Monate? Lauterbach: "Medizinisch völlig unsinnig"

12.8.2022, 12:51 Uhr
Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht die Corona-Sommerwelle zwar gebrochen - aber keinen Grund zur Entwarnung in der Pandemie.

© IMAGO/Christian Ohde Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht die Corona-Sommerwelle zwar gebrochen - aber keinen Grund zur Entwarnung in der Pandemie.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Corona-Sommerwelle in Deutschland gebrochen - aber keinen Grund zur Entwarnung in der Pandemie. "Die Sommerwelle fängt jetzt langsam an zurückzugehen", sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Es gebe einen "robusten Rückgang der Fallzahlen". Auch die Sterblichkeit gehe zurück. "Das gibt erst einmal Grund zur Freude. Das ist trotzdem kein Grund für eine Entwarnung." Es sei zu erwarten, dass die Fallzahlen im Herbst wieder stark stiegen.

Man müsse außerdem bedenken, dass der Anteil der nicht registrierten Corona-Erkrankungen gestiegen sei, sagte Lauterbach in der Bundespressekonferenz. "Die Dunkelziffer steigt." Das zeigten Daten des Robert Koch-Instituts.

Laut Lauterbach gibt es "sehr gute Nachrichten" bei den Impfstoffen. Es sei davon auszugehen, dass angepasste Impfstoffe bereits am 2. beziehungsweise 28. September ausgeliefert werden könnten. "Die Bundesregierung hat beide Impfstoffe in auskömmlicher Menge besorgt. Wir werden daher relativ früh auch beliefert werden." Die Impfkampagne könne dann zeitnah stattfinden.

Der Bundesgesundheitsminister wies Kritik an der zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) erarbeiteten Neufassung des Infektionsschutzgesetzes zurück. Ab dem 1. Oktober könnten die Länder danach unabhängig von Inzidenzen in Innenräumen eine Maskenpflicht einführen. Sie müssten dies aber nicht, erläuterte Lauterbach. Aber: "Ich glaube, dass die Länder das alle machen werden, weil wir zum 1.10. wieder höhere Fallzahlen haben werden."

Es sei auch nicht so, dass eine Impfung künftig nur noch drei Monate gelten werde, und dass man sich alle drei Monate impfen lassen müsse, betonte Lauterbach. Diese Frist für Ausnahmen von der Maskenpflicht in Innenräumen sei gewählt worden, weil Impfungen in diesem Zeitraum nach bestehender Auffassung gegen Ansteckung schützen. Gegen schwere Infektionsverläufe schützten sie viel länger. Sich alle drei Monate impfen zu lassen, wäre auch "medizinisch völlig unsinnig".

RKI sieht Zenit der Corona-Sommerwelle überschritten

Weil das Corona-Infektionsgeschehen zuletzt abgeflacht ist, sehen auch die Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) den Zenit der Corona-Sommerwelle überschritten.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sei in der vergangenen Woche nach dem bereits deutlichen Rückgang in der Vorwoche erneut um insgesamt 27 Prozent gesunken und in allen Bundesländern und Altersgruppen rückläufig, geht aus dem RKI-Wochenbericht zu Covid-19 hervor. Zudem seien die Anzahl Sars-CoV-2-Infizierter mit Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion in Deutschland und die Zahl der Arztbesuche Infizierter gesunken, "so dass der aktuelle Wellengipfel überschritten zu sein scheint". Dennoch: Für Entwarnung ist es aus RKI-Sicht zu früh.

Außerdem hätten Ausbrüche in Pflegeheimen tendenziell abgenommen. Die Zahl der Krankenhausaufnahmen von Menschen, die eine schwere akute Atemwegsinfektion und eine Covid-19-Diagnose hatten, sei in der vergangenen Woche ebenso gesunken wie die Zahl der Patienten mit Covid-19-Diagnose auf Intensivstationen, schreiben die Experten. Auch bei den Todesfällen in Verbindung mit dem Virus spricht das RKI zuletzt von einem Rückgang - in der vergangenen Woche mit 372 übermittelten Todesfällen im Vergleich zu 444 in der Vorwoche.

Risiko für ältere Menschen am größten

Die Daten zeigten, dass auch bei schwer verlaufenden Erkrankungen der Höhepunkt der aktuellen Welle überschritten scheine. Dabei seien Menschen im Alter von über 80 Jahren weiterhin am stärksten von schweren Krankheitsverläufen betroffen, mahnen die RKI-Experten. Der Rückgang der schweren Erkrankungen verlaufe aktuell deutlich langsamer als dies bei den Gesamtzahlen beobachtet werde. Trotz der verbesserten Situation in der vergangenen Woche bleibt der Infektionsdruck dem RKI zufolge in allen Altersgruppen hoch - und auch die Belastung des Gesundheitssystems.

Mit Blick auf die nächsten Wochen rechnet das Institut mit einer "weiterhin hohen Zahl an Hospitalisierungen, intensivmedizinisch zu betreuenden Covid-19-Patientinnen und -Patienten und Todesfällen, insbesondere in höheren Altersgruppen". Entsprechend ruft das RKI weiter dazu auf, die Empfehlungen zum Vermeiden von Ansteckungen "unbedingt" einzuhalten - und stellt erneut die große Wichtigkeit der Corona-Impfung heraus.

Mutationen werden beobachtet

Die Omikron-Sublinie BA.5 hat derweil dem Wochenbericht zufolge auf hohem Niveau noch etwas zugelegt und ist nach den aktuellsten Daten in etwa 94 Prozent der positiven Proben gefunden worden. Eine Ausbreitung der Omikron-Sublinie BA.2.75, über deren Mutationen sich manche Forscher zuletzt besorgt gezeigt hatten, wird laut RKI hauptsächlich in Indien und verschiedenen anderen Regionen weltweit beobachtet. Hierzulande seien insgesamt fünf Nachweise bekannt.

Umfrage: Mehrheit für mehr Corona-Strenge

Bei steigenden Infektionszahlen im Herbst ist laut einer Umfrage die Mehrheit der Bürger für strengere Corona-Regeln. Das sagten im ZDF-"Politbarometer" vom Freitag 65 Prozent der 1389 Befragten, wie die Forschungsgruppe Wahlen ermittelte. 33 Prozent sind gegen strengere Maßnahmen.

Dennoch befürworten 74 Prozent die Pläne der Bundesregierung, gesetzlich keine Schulschließungen vorzusehen, nur 23 Prozent sind anderer Meinung. Die Verhinderung sogenannter Lockdowns finden 68 Prozent der Befragten gut, 29 Prozent finden diese Entscheidung nicht gut.

Verwandte Themen