Lindner fordert offene Diskussion

Merz für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland

21.6.2022, 15:40 Uhr
Bayerns letztes Kernkraftwerk, das noch nicht endgültig vom Netz gegangen ist: Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm vom Atomkraftwerk Isar 2 im Landkreis Landshut.

© Armin Weigel, NN Bayerns letztes Kernkraftwerk, das noch nicht endgültig vom Netz gegangen ist: Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm vom Atomkraftwerk Isar 2 im Landkreis Landshut.

CDU-Chef Friedrich Merz hat sich für längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland ausgesprochen. Dies sei technisch möglich und juristisch vertretbar, sagte Merz am Dienstag beim Tag der Industrie in Berlin. Es sollte möglich sein, die drei Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, um Deutschland ausreichend mit Energie zu versorgen. Die Atommeiler sollen eigentlich Ende 2022 vom Netz gehen.

"Kleiner Beitrag, große Risiken"

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) hatten von längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke abgeraten. "Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen", hieß es in einem gemeinsamen Prüfvermerk der beiden Häuser.

Russlands Drosselung der Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream hatte die Debatte um eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland neu entfacht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betont die Notwendigkeit eines schnelleren Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Zur Debatte um die Kernkraftwerke sagte er: Die Brennstäbe reichten bis Ende 2022 und bislang gebe es von Expertenseite keine Aussagen dazu, wie die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden könnte. Wichtig sei, sie jetzt zur Stromproduktion zu nutzen, um Gas zu sparen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich mit Blick auf die noch immer ungeklärte Lagerung des Atommülls klar gegen eine längere Nutzung der Atomkraft aus. Kein Bundesland wolle das Endlager. "Und wenn keiner den Atommüll haben möchte, dann können wir auch nicht ernsthaft sagen, dass Atomkraftwerke weiterlaufen sollen", sagte Schwesig.

Lindner: "Notsituation"

Finanzminister Christian Lindner forderte eine "offene Debatte" über längere Laufzeiten. Der FDP-Chef sagte am Dienstag beim Tag der Industrie in Berlin: "Gegenwärtig haben wir noch drei laufende, funktionierende Kernkraftwerke." Es gehe nicht um einen Winter, der überbrückt werden müsse, sondern um drei bis fünf Jahre der Sicherung der Energieversorgung in Deutschland und der Knappheit beim Gas. Noch so viele LNG-Terminals, selbst wenn sie schnell gebaut würden, würden diese Knappheit nicht beseitigen.

"Deshalb bin ich für eine offene, unideologische Debatte darüber, ob wir übergangsweise auch die Nuklearkapazitäten in unserem Land erhalten", sagte Lindner. "Es geht jetzt in einer Notsituation nicht darum, Reißbrettpläne zu machen. In einer Notsituation geht es darum, physikalisch zu jeder Zeit und an jeder Stelle unsere Energieversorgung zu sichern."