Kommentar über die Rolle der Partei

Nein, die AfD hat keinerlei Anspruch darauf, mitzuregieren. Zu viele Gründe sprechen dagegen.

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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2.9.2024, 10:55 Uhr
Björn Höcke, Spitzenkandidat der AfD zur Landtagswahl 2024 in Thüringen, kommt zur Stimmabgabe.

© Swen Pförtner/dpa Björn Höcke, Spitzenkandidat der AfD zur Landtagswahl 2024 in Thüringen, kommt zur Stimmabgabe.

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sind eine tiefe Zäsur, sie haben das Parteiensystem zumindest im Osten Deutschlands durchgewirbelt. Sie werden die Politik der kommenden Wochen prägen und auch uns intensiv beschäftigen.

Die Wahlen hatten zwei klare Sieger: das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das aller Voraussicht nach in beiden Ländern fürs Regieren gebraucht wird - eine Zerreißprobe vor allem für die CDU. Und daneben die nun wohl endgültig etablierte AfD, die bei beiden Wahlen klar über 30 Prozent kam und in Thüringen stärkste Kraft ist - mit mehr als einem Drittel der Mandate, was Folgen für die Landespolitik hat.

Kommt keiner mehr an der AfD vorbei? Das hätte sie gern

Mit dieser selbst ernannten Alternative für Deutschland will (bisher) nach wie vor niemand koalieren. Ihre Spitzenkandidaten sprachen am Wahlabend davon, dass nun keiner mehr an ihr vorbeikäme.

Aber es gibt keinen Grund und schon gar keinen Automatismus, dass die AfD an einer Koalition zu beteiligen ist. Diese Behauptung lässt sich durch etliche Gegenbeispiele widerlegen. Oft bildeten kleinere Parteien Bündnisse, an denen die Partei mit dem stärksten Resultat nicht beteiligt war.

Für die AfD gibt es so einen automatischen (Mit-)Regierungsanspruch aber auch aus den vielen Gründen nicht, die sie selbst durch ihr Auftreten und ihre Aussagen liefert: Die Partei hat sich radikalisiert, sie stellt sich ganz bewusst in eine Position, die zu Recht Verfassungsschützer in Bund und Ländern alarmiert.

Natürlich wäre es ein Fehler, pauschal all jene, die der AfD ihre Stimme gegeben haben, ins rechtsradikale Eck zu stellen. Viele wollten der Ampel einen Denkzettel verpassen. Aber alle wussten, worauf sie sich einlassen - manche taten es ganz bewusst. Sie wollen einen anderen, weniger liberalen Staat nach dem Vorbild Ungarns.

Wenn AfD-Mandatsträger von "Dekadenz" reden

Das zeigt sich auch an Äußerungen ihrer Vertreter. Da schreibt uns ein bisher relativ moderat auftretender Mandatsträger zum Christopher Street Day, ob wir meinten, "dass Otto Normalverbraucher so einen CSD Scheiß braucht?" Die "Dekadenz schreitet voran". Eine Wortwahl, die ahnen lässt, wie die AfD mit Minderheiten umgehen würde, hätte sie die Macht.

Ähnlich wetterte gerade einer ihrer Abgeordneten im Landtag von Sachsen-Anhalt gegen das "queere" Olympia in Paris, gegen "kranke Vorstellungen, geboren aus höchster Dekadenz" - und schwärmte von Putins Spielen 2014 in Sotschi. Kunst und Kultur, auch Sport - die AfD will das alles völkisch ausrichten.

Wenn Firmen und Verbände vor einer AfD-Regierungsbeteiligung warnen, dann beschimpfen deren Vertreter diese Stimmen als systemnah. Björn Höcke dazu: "Ich hoffe, dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen."

Nein, diese Partei darf keine Verantwortung bekommen. Die freiheitliche Demokratie muss ihre Unterhöhlung durch ihre Gegner bekämpfen. Sie muss die AfD stellen und ihr mit Argumenten entgegentreten, nicht durchs Annähern an deren Politik.

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