Zwiespältige Bilanz

Scholz will als „Friedenskanzler“ punkten - und Putin zeigt zynisch, was er von Gesprächen hält

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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16.11.2024, 14:07 Uhr
Das von der Bundesregierung veröffentlichte Bild zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Büro im Bundeskanzleramt beim Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Neben ihm sitzen Jens Plötner (links), außen- und sicherheitspolitischer Berater des Bundeskanzlers und Steffen Hebestreit, Regierungssprecher.

© Kugler, Steffen/Kugler, Steffen/Bundesregierung/dpa Das von der Bundesregierung veröffentlichte Bild zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Büro im Bundeskanzleramt beim Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Neben ihm sitzen Jens Plötner (links), außen- und sicherheitspolitischer Berater des Bundeskanzlers und Steffen Hebestreit, Regierungssprecher.

Ein Telefonat, auf das die Welt blickt: Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz sprach mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, eine Stunde lang, das erste Mal seit dem 2. Dezember 2022.

Was ist das Ergebnis? Was publik wurde, klingt wie die Wiederholung bekannter Standpunkte. Mit null Annäherung. Scholz forderte Putin auf, den "Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen". Russland müsse Verhandlungen mit der Ukraine über einen "gerechten und dauerhaften" Frieden führen.

Putin machte deutlich, dass er Fakten geschaffen sieht

Und Putin? Machte im Gespräch deutlich, dass er schon Fakten geschaffen sieht - nämlich die russische Einverleibung von mindestens jenes Fünftels des ukrainischen Staatsgebiets, das seine Truppen besetzen. Was von Trump zu hören ist, könnten die USA dem unter Bedingungen womöglich zustimmen.

Putin weiter: Ein Abkommen könne es nur geben, wenn Kiew die "neuen territorialen Realitäten" in der Ukraine anerkenne - Realitäten, die Putin mit seinem Krieg erst geschaffen hat. Das wäre nichts weniger als eine Blaupause für weitere Angriffskriege.

Und natürlich blieb der Kreml-Herr bei seiner Version, der Krieg sei die Schuld des Westens, das "Ergebnis jahrelanger aggressiver Nato-Politik". Diese Begründung wäre der nächste Freibrief für neue Überfälle, da die Nato die meisten Anrainer Russlands unterstützt.

Scholz habe die "Büchse der Pandora" geöffnet, kritisierte danach der ukrainische Präsident Selenskyj enttäuscht. Das stimmt insofern, als Putin sich nun rühmen kann, wieder gefragt und nicht mehr isoliert zu sein.

Gespräche sind immer gut? Dieses nicht wirklich

Gespräche sind immer gut, heißt es. Das lässt sich von diesem nicht sagen. Denn Putin machte mit seinen seit Sonntag dramatisch verschärften Attacken klar, was er von Gesprächen hält - nichts. Er führt den Krieg noch brutaler weiter, bis seine Vorgaben erfüllt werden. Er lässt ja auch nahezu pausenlos ukrainische Städte bombardieren, um dem Land einen möglichst schlimmen Winter zu bereiten.

Und der Westen? Viele sagen: Auch wegen der Zögerlichkeit von Scholz, die Putin ausnutzt, dauere der Krieg so lange - weil die Ukraine nicht ausreichend Waffen bekam. Die CDU behauptet das ebenfalls - und auch die Grünen. Sie stehen in dieser wichtigen Frage der Union (trotz deren Grünen-Bashing) viel näher als die SPD, die zusehends doppeldeutige Signale an Russland sendet. Dass Putin mit Scholz sprach, kann man auch so deuten: Er geht davon aus, dass es ihm dieser Kanzler leichter macht als ein Nachfolger Merz.

Es ist zu offensichtlich: Scholz will als "Friedenskanzler" Wahlkampf machen und so versuchen, dem BSW und der AfD Wasser abzugraben. Fraglich, ob das klappt. Sahra Wagenknecht und andere Putin-Freunde werden die Waffenlieferungen entgegenhalten, die ja weitergehen (müssen), und der SPD Doppelzüngigkeit vorwerfen. Ein Kritikpunkt, der in diesem Fall ausnahmsweise stimmt. Scholz verspielt mit seinem durchsichtigen Manöver weiter Vertrauen.

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