Gedenken an Reichspogromnacht

„Jud Süß“: Warum der berüchtigte Nazi-Propagandafilm in Gunzenhausen aufgeführt wird

30.9.2024, 15:00 Uhr
Auf der zeitgenössischen Fotografie sind die Neuen Lichtspiele in der Bahnhofsstraße zu sehen. In diesem Kino lief damals auch Jud Süß. Hier zu sehen ist unter anderem die SA-Kapelle Gunzenhausen, die anlässlich der Premiere des Riefenstahl-Films "Triumph des Willens" spielt.

© Stadtarchiv Gunzenhausen Auf der zeitgenössischen Fotografie sind die Neuen Lichtspiele in der Bahnhofsstraße zu sehen. In diesem Kino lief damals auch Jud Süß. Hier zu sehen ist unter anderem die SA-Kapelle Gunzenhausen, die anlässlich der Premiere des Riefenstahl-Films "Triumph des Willens" spielt.

Am 9. November jährt sich die sogenannte "Reichskristallnacht" von 1938 zum 86. Mal. Die zentrale Gedenkveranstaltung wird in diesem Jahr in der Evangelischen Stadtkirche Gunzenhausen stattfinden. Und schon zwei Tage vorher wird es eine ganz außergewöhnliche Filmvorführung geben.

Nicht erst seit den terroristischen Angriffen auf Israel im Herbst letzten Jahres begegnet man immer häufiger judenfeindlichen Ressentiments, ungefilterten Vorurteilen und blankem Hass, heißt es in einer Mitteilung aus dem Gunzenhäuser Rathaus. Gerade in demokratiefeindlichen Kreisen sei Antisemitismus "tief verwurzelt, und die Stadt Gunzenhausen möchte dieser hässlichen Fratze der Geschichtsvergessenheit Aufklärung und Wissenschaft entgegensetzen".

Vorführung in Gunzenhausen ist ein mutiges Vorhaben

Am Donnerstag, 7. November, wird daher das Stadtarchiv Gunzenhausen unter Federführung von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer den NS-Propagandafilm "Jud Süß" öffentlich zeigen und zu einer kritischen Auseinandersetzung einladen. Der Streifen wird als sogenannter Vorbehaltsfilm von der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung aus Wiesbaden ausschließlich zu dokumentarischen und wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt, ist nicht für den Vertrieb freigegeben und darf nur mit Zustimmung der Stiftung unter genau festgelegten Bedingungen gezeigt werden.

Die Vorführung sei ein mutiges Vorhaben, gelte "Jud Süß" doch als der berüchtigtste antisemitische Spielfilm aus der Schmiede der NS-Traumfabrik, schreibt die Stadtverwaltung in ihrer Mitteilung: "Die Angst vor einem Missbrauch ist verständlich, allerdings dürfen wir als aufgeklärte Gesellschaft nicht so tun, als hätte es das Dritte Reich und dessen Propagandaapparat nie gegeben."

Vor dem Film wird der Historiker Thomas Greif "Jud Süß" kontextualisieren und eine wissenschaftliche Einordnung vornehmen. Am Ende wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema "Antisemitismus zu Unterhaltungszwecken" geben. Beteiligen werden sich neben Greif die Historikerinnen Andrea Erkenbrecher und Katrin Kasparek sowie Stadtarchivar Mühlhäußer.

Propagandaminister Goebbels gefiel das rassistische Werk

Mit "Jud Süß" erschien im Herbst 1940 im Kontext des Polenfeldzugs einer der schlimmsten antisemitischen Spielfilme. Propagandaminister Joseph Goebbels hatte persönlich an der Umsetzung mitgewirkt, im Februar 1941 adelte er das von Regisseur Veit Harlan gedrehte rassistische Werk als "einwandfreien großen Nationalfilm". In seinem Tagebuch schrieb er am 9. November 1939 von dem "ersten wirklich antisemitischen Film".

Weitere Prädikate folgten, der Film sollte unter anderem als "staatspolitisch besonders wertvoll", "jugendwert" und "Film der Nation" gelten. Jeder "gute Deutsche" hatte sich das Werk anzusehen, Heinrich Himmler ließ sogar mit Erlass Vorsorge treffen, dass der gesamte Polizeiapparat und die SS "Jud Süß" zu sehen bekam.

Heutige Schätzungen gehen von insgesamt mehr als 20 Millionen Kinobesuchern aus, in Gunzenhausen war "Jud Süß" sogar der erfolgreichste Film des Jahres 1940. Harlans Film hatte eine unglaubliche Wirkungsmacht und verharmloste Antisemitismus als Unterhaltung. Ideologischen Propagandafilmen wie "Jud Süß" ist es mit zu verdanken, dass die nationalsozialistische Vernichtungspolitik so erfolgreich war.

Inhaltlich geht es um den Herzog von Württemberg, der in der Schuld des Juden Süß Oppenheimer steht. Durch das Zutun des Finanzberaters wird das Volk mit immer höheren Abgaben belastet, außerdem hat er ein Auge auf die junge Dorothea Sturm geworfen. Nach und nach planen die Landstände den Aufstand, Oppenheimer foltert den darin verwickelten Verlobten Sturms, um so die Umsturzpläne zu verhindern. Die Frau bettelt bei Oppenheimer um Gnade und wird von diesem vergewaltigt. Sie begeht daraufhin Selbstmord, Oppenheimer wird verhaftet und gehängt.

Handwerklich sei "Jud Süß" gut gemacht, heißt es in der Ankündigung der Stadt: "Seine rassistischen, volksverhetzenden und nationalsozialistischen Tendenzen weiß er gut unter dem Gewande eines Historienfilms zu verstecken." Den teils blinden und für äußere Einflüsse anfälligen Anhängern der NS-Ideologie sei "Jud Süß" eine psychologische Waffe gewesen: "Das machte ihn damals und macht ihn auch noch heute brandgefährlich."

"Jud Süß" wird am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr im Bethelsaal der Stiftung Hensoltshöhe gezeigt (Einlass: 18.30 Uhr). Karten (10 Euro) können in der Tourist Information der Stadt Gunzenhausen und an der Abendkasse erworben werden. Auf dem Gelände der Hensoltshöhe sind nur begrenzte Parkflächen vorhanden, die Stadt bittet Besucher, die Parkplätze in der Frickenfelder Straße 17 (Alter Sonnenhof) zu nutzen.

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