Flagge gezeigt

Kundgebung für "Vernunft und Solidarität" in Gunzenhausen

22.1.2022, 15:41 Uhr
250 bis 300 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag auf dem Gunzenhäuser Schießwasen, um ein Zeichen für "Vernunft und Solidarität in der Corona-Pandemie" zu setzen.

© Jürgen Eisenbrand, NN 250 bis 300 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag auf dem Gunzenhäuser Schießwasen, um ein Zeichen für "Vernunft und Solidarität in der Corona-Pandemie" zu setzen.

Die von den drei SPD-Vorsitzenden Anette Pappler, Harald Dösel und Mathias Hertlein initiierte Online-Plattform hatte innerhalb von zehn Tagen rund 4400 Unterzeichner gefunden, nun hatte ein breites Bündnis von CSU bis zu den Linken zu der Kundgebung in der Altmühlstadt aufgerufen, um dort Flagge zu zeigen gegen Querdenker, Verschwörungstheoretiker und Rechte.

"Erschreckende Empathielosigkeit"

Allein im Landkreis sind 156 Menschen an und mit Corona verstorben, bundesweit hat die Pandemie 120.000 Opfer gefordert, erinnerte Harald Dösel zu Beginn seiner Rede. Diese traurige Tatsachen gerate bei allen Auseinandersetzungen um die Corona-Maßnahmen viel zu oft ins Hintertreffen. Natürlich seien manche Maßnahmen diskussionswürdig, gebe es durchaus berechtigte Kritik - das war auch von anderen Rednern bei zu hören -, und es sei auch keine Frage, dass Menschen durch die Pandemie in wirtschaftliche und soziale Not gekommen seien. Der "lauten Minderheit" die nun von einer Diktatur rede, sei allerdings "jeder vernünftige Maßstab" abhanden gekommen, Dösel stellte auch "erschreckender Empathielosigkeit" gegenüber den Opfern fest.

Dass Covid 19 nur für alte Menschen, Vorerkrankte oder Menschen, die ungesund leben, gefährlich sei, dieser Mär erteilte Dr. Peter Kuhn eine Absage. Der Gunzenhäuser Gynäkologe ist auch als Notfallmediziner im Einsatz und weiß, wovon er spricht: Sein jüngster Covid-Patient war ein elf Monate altes Baby, das er mit hohem Fieber nach Nürnberg begleitet hat. Covid treffe alle Altersgruppen und alle Gesellschaftsschichten, so der Fachmann. Am Schießwasen räumte er mit einigen Impfmythen auf und gab den Versammelten viele Argumente für den Pieks mit auf den Weg.

Den kritischen Verstand bewahren

"Große Angst", das gab er unumwunden zu, hat mittlerweile Uwe Schildbach. Der Sprecher des Linken-Kreisverbands befürchtet, dass die Menschlichkeit in diesem Land verloren geht. Es mache ihm Angst, dass der gesamte Journalismus als "Lügenpresse" diffamiert werde, dass "differenzierte Meinung mit Dreck beworfen wird" und zivilisierte Menschen nicht mehr miteinander reden könnten. Es sei, das betonte Schildbach nachdrücklich, wichtig, "seinen kritischen Verstand" zu bewahren - aber dieser dürfe nicht von Hass überlagert werden.

Auch für ihn gebe es im Zuge der Coronapolitik vieles zu kritisieren und zu hinterfragen. Es gebe Maßnahmen, gegen die man auf die Straße gehen könne - etwa die jahrzehntelang verfehlte Gesundheitspolitik. Tatsächlich seien viele Teilnehmer der jüngsten Spaziergänge und Demonstrationen "ganz normale Menschen". Menschen, um die es sich lohne, sich zu bemühen und mit denen man das Gespräch suchen müsse. Die Gesellschaft habe es aber verpasst, diesen Menschen eine Stimme zu geben. Stattdessen habe man dieses Feld Querdenkern, Verschwörungstheoretikern und Rechten überlassen. "Nazis raus" zu brüllen, genüge nicht, um diese Menschen zurückzuholen, sagte Schildbach unter großem Beifall.

"Nicht gemeinsam mit Nazis"

Doch auch wenn die Kritik an manchen Corona-Maßnahmen noch so berechtigt ist, "man geht nicht gemeinsam mit Nazis auf die Straße", stellte unter anderem Mathias Hertlein klar, der sich mit allen acht Rednern einig war, dass "unsere Demokratie gut funktioniert". Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeute aber nicht, dass man "unwidersprochen jeden Blödsinn behaupten kann". Und wenn es Widerspruch gebe, "hat das nichts mit Einschränkung der Demonstrationsfreiheit zu tun, sondern ist ein ganz normaler Teil der politischen Auseinandersetzung".

Keinesfalls selbstverständlich sind für Bastian Seifert, der Ortssprecher der Gunzenhäuser Grünen, all die Privilegien, die uns unsere Demokratie bietet. Die sei aber nicht selbstverständlich, für sie gelte es einzustehen. Für Werner Falk hat die grundgesetzliche Freiheit der Unverletzlichkeit der Person Vorrang, der Liberale betonte deshalb den Unterschied zwischen Impfzwang und Impfpflicht. Und eines steht für ihn fest: "Nie wieder sollen Glatzköpfe mit Knobelbechern über den Marktplatz marschieren!"

Besonnenheit gefordert

Direkt aus dem Impfzentrum nach Gunzenhausen gekommen war Dr. Kristina Becker. Das Corona-Virus, so die Ärztin, Treuchtlinger Bürgermeisterin und CSU-Kreisvorsitzende stelle die Wissenschaftler vor immer neue Herausforderungen, die Folgen von Covid 19 seien noch lange nicht gänzlich erforscht. In diesen ungewissen Zeiten seien deshalb Vernunft und Solidarität notwendig. "Weil wir nicht alles wissen, wollen und müssen wir uns in Solidarität üben", mahnte Becker an, es gelte, füreinander einzutreten und einander zu helfen. Der Weg zurück zu "unserem alten Leben" führt nach ihren Worten über Besonnenheit, Vernunft und Solidarität.

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