IT und Digitalisierung

Neustadt/Aisch will Hochschul-Standort werden: Campus auf ehemalige Gelände der Besamungsstation?

28.4.2022, 08:56 Uhr
Begleitet vom Wirtschaftsreferenten des Stadtrates, Richard Dollinger (links) und Impulsgeber Bernd Scheurer (rechts) übergab Erster Bürgermeister Klaus Meier (Zweiter von links) das Bewerbungsschreiben für den „Hochschulstandort Neustadt“ Landrat Helmut Weiß.

© Harald Heinlein Begleitet vom Wirtschaftsreferenten des Stadtrates, Richard Dollinger (links) und Impulsgeber Bernd Scheurer (rechts) übergab Erster Bürgermeister Klaus Meier (Zweiter von links) das Bewerbungsschreiben für den „Hochschulstandort Neustadt“ Landrat Helmut Weiß.

Ein Hochschul-Campus für den Bereich IT und Digitalisierung - das wünschen sich Stadtspitze, Lokalpolitiker und führende Wirtschaftsvertreter von Neustadt/Aisch. In einer von Bürgermeister Klaus Meier "im Namen des gesamten Stadtrates" Landrat Helmut Weiß übergebenen Bewerbung, bekundet die Kreisstadt ihr "Interesse, Neustadt als Hochschulstandort zu etablieren".

"Die erfolgreiche Verbindung von Tradition und Moderne im ländlichen Raum gelingt uns bereits heute durch die enge Vernetzung von großen und kleinen Betrieben der IT- und Kommunikationsdienstleister, der Datenverarbeitung, des (Einzel-)Handels, der Elektrotechnik, des Maschinen- und Fahrzeugbaus sowie der Metallindustrie und nicht zuletzt des Handwerks", wird in dem von der Stadt mit Unternehmen und der Handwerkskammer verfassten 20-seitigen Bewerbungsschreiben ausgeführt.

Die rund 13.500 Einwohner zählende Kreisstadt des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim berge daher zahlreiche Vorteile insbesondere für einen zukunftsorientierten Studiengang im Fachbereich "Digitalisierung und Informationstechnologie in Wirtschaft und Verwaltung" mit möglichen Spezialisierungen in Big Data & Data Science, Künstliche Intelligenz, Internet of Things oder Automatisierung. Das teilte Bürgermeister Meier, der von Wirtschaftsförderer Harald Heinlein, dem Wirtschaftsreferenten des Stadtrates, Richard Dollinger sowie HWS-Gründer und Geschäftsführer Bernd Scheurer ins Landratsamt begleitet worden war.

Fachwissen ist immer noch Mangelware

Digitalisierung sei der Schlüsselbegriff, der den radikalen Wandel der Arbeits- und Lebenswelt in den vergangenen Jahren kurz und prägnant beschreibe. Als täglicher Begleiter beeinflusse sie inzwischen alle Bereiche unseres Alltags, fortwährend werde die Dringlichkeit betont, mit ihr Schritt zu halten. Während manche Betriebe bereits in der digitalen Welt Fuß gefasst haben, täten sich andere immer noch schwer damit. Häufig fehle es dort an geeignetem Fachwissen, wie der anstehende Wandel sinnvoll umgesetzt werden könne.

Prognosen zufolge werde der Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal signifikant steigen, daher stelle sich ganz konkret die Frage, welche Qualifikationen Berufseinsteiger in der digitalen Welt benötigten, um die Bedürfnisse des Markts systematisch zu unterstützen. "Das Angebot an geeigneten Studiengängen ist noch übersichtlich und muss beständig erweitert sowie an die sich rasant ändernden Anforderungen und technischen Fortschritte angepasst werden", wird im Schreiben der Stadt und ihrer Partner festgestellt.

Perspektiven für den gesamten Landkreis

"Nochmals beschleunigt durch die Corona-Pandemie benötigt der ländliche Raum umfangreiche Unterstützung, um hinsichtlich des digitalen Wandels wettbewerbsfähig zu bleiben", heißt es darin weiter. Wissens- und Technologietransfer seien essentielle Bestandteile der digitalen Transformation der heimischen Wirtschaft, um auf lange Sicht nicht hinter den Ballungsräumen zurück zu bleiben. Die Herstellung lokaler Identität im Raum mit besonderem Handlungsbedarf stärke durch fortschreitende Digitalisierung wirtschaftliche Strukturen und biete darüber hinaus "Perspektiven für den gesamten Landkreis für eine zukunftsorientierte Bildungsoffensive".

Dazu wird weiter ausgeführt: "Der zu erwartenden Zunahme von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Bereich der Digitalisierung sowie der Problematik des demographischen Wandels durch Abwanderung junger Menschen in Ballungsgebiete zu begegnen, ist eine umfassende Aufgabe, die nur durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Kooperationspartner gelingen kann. Besonders das Recruiting von Fachkräften für den ländlichen Raum ist eine Herausforderung, an die frühzeitig und konzeptionell herangegangen werden muss. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Stärkung von Start-Ups sowie die Vernetzung mit etablierten Unternehmen, um Wissen und Erfahrung weiterzugeben, ergeben hier eine langfristige Strategie, um junge Berufstätige für ländliche Regionen zu gewinnen. Wichtigster Baustein ist hier die Bündelung von Ressourcen und branchenübergreifende Netzwerkarbeit, um einen Hochschulstandort Neustadt an der Aisch zum Erfolg zu führen".

Zuverlässige Unterstützer

"Wir als Rat der Stadt Neustadt an der Aisch erkennen das Potenzial und den Bedarf eines Hochschulstandorts mit dem zentralen Thema ‚Digitalisierung‘ und möchten daher mit dieser Interessensbekundung einen zukunftsweisenden Schritt wagen, um die digitale Transformation durch einen Tech-Campus im Landkreis nachhaltig voranzubringen. Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe von Wirtschaft und Verwaltung, die nur gemeinsam angegangen werden kann, um eine fortschrittliche Entwicklung zu garantieren. Die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle stellt hierbei einen wichtigen Schritt der Gesamtstrategie dar", teilt Bürgermeister Meier mit.

Der Rathauschef weist in dem Schreiben darauf hin, dass es, "ausgelöst durch das Thema ‚Digitale Gründerzentren‘ in Neustadt und Umgebung bereits seit längerem private Aktivitäten gebe, die eine sehr große Anzahl von Unternehmen aus den Bereichen Wirtschaft, Dienstleistungen, Medizin, Handwerk, Einzelhandel sowie öffentliche Einrichtungen und Institutionen einschließe. Als zuverlässige Unterstützer agierten ebenfalls hier ansässige Kooperationspartner wie beispielsweise das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, das Landes-Luftbildarchiv, BayernLab, Servicezentrum BayernServer sowie private IT-Dienstleister".

BayernServer startet im Sommer

Das Vorhandensein interessanter Konversionsflächen für einen Hochschulstandort, Möglichkeiten für Co-Working-Spaces oder Büros auf Zeit, günstiger Wohnraum, die optimale Anbindung an den Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen sowie weitere harte und weiche Standortfaktoren werden als "eine erfreuliche Grundlage für die Errichtung eines Hochschulbetriebs" genannt. In den neuen Räumlichkeiten des ehemaligen Brauhausareals werde im Sommer 2022 das "Servicezentrum BayernServer" als ein neues digitales Zentrum in der Region eröffnet. Hier würden IT-Spezialisten unterschiedlichster Fachrichtungen gemeinsam an digitalen Lösungen für Front- und Backendsysteme arbeiten. Das transdisziplinäre IT-Zentrum sei ein "bayerisches Pilotprojekt für die zukünftige Büro- und Arbeitswelt".

Neustadt weise als Wirtschaftsstandort in der Region eine äußerst positive Entwicklung auf. Bei den wichtigen Standortfaktoren Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Freizeit und Kultur und Tourismus habe die Stadt Neustadt sehr viel zu bieten und garantiere "schon heute eine hochwertige Arbeits- und Lebensqualität in unserer Stadt und der Region". Diese Vorteile könnten in Zukunft für die Qualifikation dringend benötigter Arbeitskräfte im Bereich Digitalisierung genutzt werden, um so schon während der Ausbildung wirksam die Attraktivität des ländlichen Raums als Arbeits- und Lebensumfeld zu demonstrieren.

Stadtrat zu hohen finanziellen Aufwendungen bereit

Den Mitgliedern des Stadtrates, der sich einstimmig für diese Bewerbung ausgesprochen habe, sei nach den Ausführungen des Bürgermeisters im Bewerbungsschreiben "bewusst, dass die erfolgreiche Errichtung eines modernen Hochschulstandortes mit personellen wie auch finanziellen Aufwendungen in Höhe von mehreren Millionen Euro verbunden ist. Diese Investition in die Zukunft sind wir jedoch gerne gewillt mit zu tragen, denn bedeutet es doch eine Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und nachhaltigen Entwicklung unserer Region". Man freue sich darauf, diese herausfordernde Aufgabe mit den Kooperationspartnern anzugehen, so Meier, der Landrat Weiß für eine "tatkräftige Unterstützung zur Umsetzung dieses richtungsweisenden Projektes für unseren Landkreises Neustadt a. d. Aisch – Bad Windsheim" dankte.

Wie bei der Übergabe der Bewerbung berichtet wurde, böte sich das ehemalige Gelände der Besamungsstation für die Einrichtung eines Campus an, der aus der Sicht von Wirtschaftsförderer Harald Heinlein "ein absoluter Gewinn für die Region" wäre.

Keine Kommentare