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Stirbt Kerwa-Tradition? Kampf um "Kneipendorf" in fränkischer Stadt tobt

28.5.2022, 18:33 Uhr
Daumen hoch für das „Kneipendorf“: Trotz Starkregens wurde ein eindrucksvolles Signal gegen dessen Absage gesetzt.

© hjm Daumen hoch für das „Kneipendorf“: Trotz Starkregens wurde ein eindrucksvolles Signal gegen dessen Absage gesetzt.

Eine Neustädter Kirchweih ohne ihr Kneipendorf? Für einige Tausend keineswegs nur junge Menschen ist das undenkbar. Ihnen versetzte die Absage dieses Alleinstellungsmerkmals „ihrer Kerwa“ zunächst einen Schock, der sich rasch in eine Initiative für das „Kneipendorf“ gewandelt hat. Die Kirchweih in Neustadt/Aisch wird vom 18. bis 26. Juni gefeiert.

Fünf Freunde starteten eine Chatgruppe für das Dorf am Rande des „Rummelplatzes“, auf dem stets unterschiedliche Bars der Stadt ihre Stände aufbauen und Cocktails sowie andere Getränke anbieten. Dieser Gruppe schlossen sich rasch weit über 300 Pro-Stimmen an. In einer weiteren Gruppe in den sozialen Medien kamen sofort ebenfalls jede Menge Befürworter des Kneipendorfes zusammen und diese wurde rasant immer größer.

Das veranlasste die Initiatoren, alles zu tun zu müssen, um das Kneipendorf doch noch für die erste Kerwa nach der Pandemiepause zu retten, zumindest aber zu verhindern, dass es nicht nur bei der Absage für dieses Jahr bleibt. Keinesfalls dürfe es ein endgültiges Ende ihres Treffs am Rande des Festplatzes geben.

Immense Auflagen

Thorsten Lehrer, der Sprecher der Neustädter Wirte, die das Kneipendorf seit gut zehn Jahren auf der Wiese betrieben haben, auf das es nach starken Anfängen auf dem Festplatz verlegt worden war, erklärte die einstimmige Absage mit den in den vergangenen Jahren immens gestiegenen Auflagen. Diese seien mit großen finanziellen Belastungen verbunden. Torsten Lehrer bedauerte diesen Schritt, nannte ihn aber nach vergeblicher Suche nach rettenden Sponsoren als unausweichlich, zumal einige Wirte schon 2019 mit einem Minus abgeschlossen hätten.

Mit einem Zusammenwirken der Kerwa-Brauereien sollte doch eine Lösung möglich sein, bringt man symbolisch zum Ausdruck.

Mit einem Zusammenwirken der Kerwa-Brauereien sollte doch eine Lösung möglich sein, bringt man symbolisch zum Ausdruck. © hjm

Dass die Entscheidung hinter verschlossenen Türen, ohne Öffentlichkeit gefallen sei und man nicht versucht habe, etwa über Eintrittsgelder oder ein Crowdfunding eine Lösung zu finden, stößt bei den Initiatoren der Chatgruppen auf Unverständnis. Alle, die man angesprochen habe, wären bereit gewesen, bis zu fünf Euro Eintritt zu bezahlen, berichteten Nadine Dreßlein, Philipp Schmidt und Paul Meinl, die zu einem eindrucksvollen Plädoyer für das Kneipendorf eingeladen hatten und sich freuen konnten, dass sich trotz Starkregens zahlreiche Unterstützer der kurzfristigen Rettungsaktion einfanden.

Enorme Zugkraft des "Dorfes"

Dass diese angesichts der nur vier Wochen bis zur Kirchweih noch erfolgreich sein könnte, wird mit einem schwachen Hoffnungslicht beschrieben, zumal alle mit dem Dorf verbundenen Verträge gekündigt worden seien. Doch aufgeben will man die Bemühungen nicht, vielleicht doch noch eine Lösung zu finden, zumal man um die Zugkraft des Kneipendorfes weit über die Region hinaus weiß.

Dessen Freunde nähmen weite Anreisen in Kauf, erklärte Philipp Schmidt, der mit Nadine Dreßlein, Paul Meinl und Tausenden Unterstützern ihrer Initiative auf eine Lösung auch im Zusammenwirken der Kerwa-Brauereien Hofmann und Loscher hofft. So zierten deren Symbole samt Cocktailglas auch auf das Transparent, das an der „Kneipenwiese“ aufgerollt und laut für das Dorf geworben wurde.

Zu schnell aufgegeben

So laut, dass man den Ruf bei allen Wirten und auch im Rathaus verbunden mit dem Wunsch hören sollte, sich schnell an einem runden Tisch um eine dauerhaft tragfähige Lösung für das Kneipendorf zu bemühen. Denn ohne dieses Alleinstellungsmerkmal wäre „die Neustädter nur noch eine Dorfkerwa“, sagte Philipp Schmidt. Mit seinem Freundeskreis ist er einig: „Hier wurde viel zu schnell aufgegeben.“

Unter Beteiligten gab es auch die Idee, eine erste kräftige Finanzspritze für die Wirte dadurch möglich zu machen, dass in Zeiten des stetig beschworenen Klimaschutzes nicht 10.000 Euro mit einem Feuerwerk in die Luft geballert, sondern in das „Kneipendorf“ investiert werden sollen.

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