Polizei

Rehkitz in Franken absichtlich mitgemäht: Das sagen die Bauern

26.5.2021, 06:00 Uhr
Rehkitze sollten nie mit bloßen Händen angefasst werden, sonst werden sie nicht mehr von ihrer Mutter angenommen. Wer sie in Sicherheit bringen will, sollte Einmalhandschuhe tragen und zusätzlich Grasbüschel als zweite Sicherheitsbarriere verwenden.

© Privat, NN Rehkitze sollten nie mit bloßen Händen angefasst werden, sonst werden sie nicht mehr von ihrer Mutter angenommen. Wer sie in Sicherheit bringen will, sollte Einmalhandschuhe tragen und zusätzlich Grasbüschel als zweite Sicherheitsbarriere verwenden.

Ab vier Uhr morgens sind Kristof Matthes und sein Jäger-Kollege Johannes Schneider in diesen Tagen oft im Rothenburger Raum auf den Wiesen unterwegs. Dort lassen sie ihre DJI Mavic 2 Enterprise Advanced in eine Höhe von 60 bis 80 Metern steigen. Die Drohne ist mit einer Wärmebildkamera ausgestattet und kann dadurch sehr gut Rehkitze entdecken, die sich im langen Gras verstecken.

Rehkitz-Instinkt machtlos gegen Mähwerke

Etwa 15 Hektar Fläche kann Matthes damit in einer Stunde absuchen und die Helfer dann so durch die Wiesen lotsen, dass sie die Rehkitze vor dem kurz darauf anrückenden Mähfahrzeug in Sicherheit bringen können. Von selbst würden sich die Jungtiere nicht retten. Ihr Instinkt gibt ihnen vor, bei großer Gefahr nicht wegzulaufen, sondern sich tief in ihr Versteck zu drücken. Was den Rehkitzen in der Evolution einen großen Dienst gegen Fressfeinde erwiesen hat, hilft gegen moderne Mähwerke nicht.

So früh morgens ist Matthes deshalb unterwegs, weil in den kühlen Morgenstunden die Temperaturunterschiede zwischen Wiese und Rehkitz besonders groß ist. "Um die Mittagszeit kann sich schon mal ein Maulwurfhügel oder eine kahle Stelle ähnlich erhitzen. Da muss man dann mit der Drohne bis auf zehn Meter runtergehen, um sich das anzuschauen und braucht so natürlich viel mehr Zeit", verdeutlicht Matthes.

Zuletzt sind immer mehr Initiativen zur Rehkitzrettung entstanden, die anbieten, vor dem Mähen durch die Wiesen zu laufen oder sich sogar Drohnen zum Überfliegen anschaffen. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat sie mit Kontaktdaten im Internet in einer Karte verzeichnet, so dass die Landwirte vor dem Mähen entsprechende Unterstützung anfordern können.

Förderprogramm für Drohnen zur Kitzrettung

Der Bund hat gerade erst ein drei Millionen Euro schweres Förderprogramm für die Anschaffung solcher Drohnen aufgelegt. Matthes kann sich dadurch zwei zusätzliche Drohnen anschaffen. "Wir sind insgesamt vier Piloten und könnten derzeit noch viel öfter unterwegs sein, wenn wir mehr Drohnen hätten. Die Nachfrage ist da", sagt er.

Landwirte sind dazu verpflichtet, vor dem Mähen die Wiesen abzusuchen oder die Jagdpächter zu verständigen. Letzteres macht Karlheinz Brand, stellvertretender Kreisobmann des Bayerischen Bauerverbandes im Landkreis Ansbach, üblicherweise ein bis zwei Tage vor der Mahd.

"Ein guter Jäger weiß, wo die Geiß ist und welche Wiesen er wie intensiv absuchen muss", meint Brand. Doch selbst die intensivste Suche bewahre nicht davor, auch mal ein Rehkitz mitzumähen. "Wenn es schwer verletzt ist, muss ich es erlösen. Dann muss ich es betäuben und nottöten."

Bauern-Vertreter: "Es wird mit zweierlei Maß gemessen"

Schon oft hat er Rehkitze auch in letzter Sekunde noch aus der Wiese getragen, wenn er sie vor seinem Mähwerk gesehen hat. Trotzdem stört er sich daran, dass in der Diskussion mit zweierlei Maß gemessen werde. "Wir Landwirte tun wirklich sehr viel dafür, dass Rehkitze gerettet werden. Wenn dann aber doch mal ein Kitz mitgemäht wird, müssen wir gleich mit einer Anzeige oder Strafe rechnen. Wenn Rehe auf der Straße überfahren werden, bekommt man aber gleich Hilfe von der Polizei und eine Entschädigung von der Versicherung", sagt Brand.

"Unfälle passieren natürlich, auch auf den Wiesen. Aber so abgebrüht, dass er ein Rehkitz absichtlich überfährt, ist kein Bauer", ist Brand überzeugt. Und doch scheint genau das nun bei Herrieden (Landkreis Ansbach) geschehen sein. Anwohner wollen einen Landwirt ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass sich in einem schmalen noch zu mähenden Streifen ein Rehkitz befindet.

Dieser soll jedoch trotzdem weitergemäht und das Kitz dadurch getötet haben. Gegen den Landwirt wurde Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet. In vergleichbaren Fällen mussten Bauern schon öfter mehrere tausend Euro Strafe zahlen.

"Mähknigge" als Handbuch für Bauern

Tatsächlich wurde in den vergangenen Jahren viel unternommen, damit weniger Rehkitze bei der Mahd verenden. Seit dem bayerischen Bienen-Volksbegehren ist es zum Beispiel verboten, Wiesen ab einer Fläche von einem Hektar von außen nach innen zu mähen. In einem "Mähknigge" listet die Landesanstalt für Landwirtschaft überdies ausführlich auf, welche Maßnahmen möglich sind.

Der Bauernverband empfiehlt, ein Randstück der Wiese schon am Vortag zu mähen, um die Tiere dadurch zu vergrämen. Außerdem soll in der Mitte der Wiese mit dem Mähen begonnen werden, um den Tieren Fluchtmöglichkeiten zu eröffnen.

Der Bauernverband organisiert überdies schon im vierten Jahr die vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium finanziell unterstützte Anschaffung von optisch-akustischen Jungwildrettern, die in den Wiesen aufgestellt oder direkt am Mähwerk angebracht werden können und durch ihre Signale Wild vertreiben sollen. Mittlerweile konnten so bayernweit mehr als 4000 Geräte angeschafft werden. Zusätzlich soll ein Forschungsprojekt von TU München sowie den Landesanstalten für Landwirtschaft sowie für Wald und Forstwirtschaft herausfinden, wie Wildtiere möglichst effektiv vor der Mahd gerettet werden können.

Kitzrettung als teures Hobby

Für den Drohnen-Piloten Kristof Matthes ist die Kitzrettung vor allem ein kostspieliges Hobby. Er ist ehrenamtlich im Einsatz und verlangt nur Spritgeld und eine Aufwandsentschädigung von 15 Euro pro Stunde. Er möchte einfach möglichst viele Rehkitze retten.

"Ich möchte meinen vier Kinder nicht erzählen müssen, dass schon wieder Kitze totgemäht wurden", sagt er. Seiner Tochter würde er damit das Herz brechen: Wenn sie in diesem Jahr eingeschult wird, möchte sie unbedingt ein Rehkitz auf ihrer Schultüte haben.

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