Wenn die Wunde schlecht heilt

Der zweite Wagen seiner Art: So mobil sind die Rother Wundberater unterwegs

Mathias Hochreuther

25.5.2022, 15:24 Uhr
Melanie und Thorsten Prennig vor ihrem „Wundberatungsmobil“, einem umgebauten ehemaligen Rettungswagen des Bayerischen Roten Kreuzes. Es ist das zweite seiner Art in ganz Deutschland.

© Matthias Hochreuther Melanie und Thorsten Prennig vor ihrem „Wundberatungsmobil“, einem umgebauten ehemaligen Rettungswagen des Bayerischen Roten Kreuzes. Es ist das zweite seiner Art in ganz Deutschland.

Nein, es ist kein „Wundermobil“, das mancher im Landkreis vielleicht schon gesehen hat. Diese neugierige Nachfrage hat Melanie Prennig nämlich schon gehört, wie sie schmunzelnd berichtet. Vielmehr steuert die 39-Jährige zusammen mit ihrem Mann Thorsten Prennig seit kurzem das „Wundberatungsmobil“, einen umgebauten Rettungswagen des Roten Kreuzes, durch die Straßen des Landkreises Roth, durch Schwabach und Umgebung. Was es damit auf sich hat, erklärte das Ehepaar aus Roth kürzlich am Rande einer Veranstaltung in der Rother Kulturfabrik.

Melanie und Thorsten Prennig sind beide seit über 20 Jahren im medizinischen Bereich als Krankenschwester und -pfleger mit Zusatzqualifizierung zur Versorgung von Menschen mit schwer heilenden und chronischen Wunden tätig. Zusammen mit Dr. Alfred Tylla bietet der 41-jährige Thorsten Prennig Schulungen und Ausbildungen in diesem Bereich an.

Unlängst luden sie Ärzte, Fachkräfte und Wundbehandler zum ersten "Wundkongress" in die Kulturfabrik nach Roth ein. Rund 120 Teilnehmer hatten neben dem Besuch vieler Fachvorträge die Möglichkeit, vor der Kufa auch das „Wundberatungsmobil“ zu besichtigen.
Die spezialisierten Fachkräfte der „Wundexperten Roth“ sind schon seit Jahren im und um den Landkreis zur Unterstützung und Koordination der Wundversorgung unterwegs.

Nach der Anamnese und Wundbeurteilung wird ein Diagnose- und Therapievorschlag für den zuständigen Arzt erstellt und das nötige interprofessionelle Netzwerk organisiert. In stetiger Kommunikation mit dem Arzt und dem Wundversorger wird so ein möglichst schnelles Abheilen der Wunde angestrebt.

Eine Alternative zur Praxis

Die Einweisung und Schulung der speziellen Verbandtechniken und moderner Verbandstoffe erfolgte bisher meist im häuslichen Bereich oder der Praxis des zuständigen Arztes. Die Prennigs überlegten, wie sie „die Versorgung noch weiter verbessern und die Wundberatung für mehr Patienten ermöglichen können“.

Ein Blick ins Innere des mit modernen Gerätschaften ausgestatteten „Wundberatungsmobils“.

Ein Blick ins Innere des mit modernen Gerätschaften ausgestatteten „Wundberatungsmobils“. © Matthias Hochreuther

Die Planungen für eine stationäre Praxis lösten sich mangels Immobilien und hoher Mietpreise irgendwann in Luft auf, die Idee einer mobilen Variante nahm dagegen Gestalt an – und führte zum Umbau des Rettungswagens zu einer mobilen Lösung. „Das ist ein hygienischer Raum, vom Gesundheitsamt gesichtet und abgenommen, und mit modernen und speziellen Gerätschaften sowie Internet-Zugang ausgestattet“, freuen sich die Wundexperten.

Das „Wundberatungsmobil“ fährt seit diesem Monat verschiedene Standorte an, um den Patienten eine noch bessere Beratung vor Ort anzubieten und auch die Arztpraxen zu entlasten. Es ist bundesweit, neben einem im Norden Deutschlands, das zweite seiner Art. Einige Standorte sind bereits festgelegt und können unter www.wundexperten-roth.de eingesehen, weitere nach Anfrage noch ergänzt werden. Patienten, die nicht mobil sind, werden weiterhin zu Hause besucht und die Wundberatung wird vor Ort durchgeführt.

Über eine Million Betroffene

„In Deutschland erkranken jährlich über eine Million Menschen an einer schwer heilenden oder chronischen Wunde. Die Betroffenen haben oft einen hohen Leidensdruck und große Einschränkungen in der Lebensqualität“, beschreiben die Wundexperten auf ihrer Website den Ausgangspunkt für ihre Überlegungen. „Erst nach Sicherstellung der Ursache und Behebung dieser, kann eine chronische oder schwer heilende Wunde heilen.“ Der allgemeine Mangel an Fach- und Pflegekräften verkompliziere die Situation zusätzlich.

Was Thorsten Prennig wichtig ist in diesem Zusammenhang: „Wir wollen unser schon bestehendes Netz erweitern und mit allen an der Wundversorgung beteiligten, also mit Hausärzten, mit Pflegediensten, Podologen oder Physiotherapeuten, eng zusammenarbeiten. Die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden ist sehr komplex und Bedarf eines interprofessionellen Netzwerks.“ Grundsätzlich erfolge eine Beratung durch die Wundexperten Roth nur nach vorheriger Rücksprache und mit dem Einverständnis des Hausarztes, der die Therapie-Hoheit hat. „Unsere Tätigkeit ist nur beratend und unterstützend“, so Prennig.

Ein zusätzlicher Tätigkeitsschwerpunkt ist der richtige Umgang mit chronischen Wunden, also eine Schulung für die Patienten selbst, deren Angehörige oder den Wundversorgern, meist ambulante Pflegedienste. Weil ein aufgeklärter Patient, der verstanden hat, warum er an einer Wunde leidet, sehr positiv auf die Heilung der Wunde einwirken könne.

„Wir nehmen uns Zeit“, verspricht Melanie Prennig und weist deshalb nach der Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt auf die nötige Terminvergabe hin, die online oder telefonisch erfolgen könne. Und dann setzt der Kreislauf zur Wundversorgung ein. „Da gehört vieles dazu“, betont Melanie Prennig. Eines „Wunders“ bedarf es allerdings eher nicht…