"LesArt" in Schwabach

Sven Plöger zum Klimawandel: "Physik statt Fantasie"

11.11.2021, 06:04 Uhr
Im großen Ganzen ist der Mensch, und sei dieser Mensch auch Sven Plöger, nur ein ganz kleines Licht. "Es kommt  trotzdem auf jeden Einzelnen an", so der Meteorologe beim LesArt-Abend in Schwabach, wo er seinen 2020 erschienen Beststeller "Zieht Euch warm an, es wird heiß!" vorstellte.

© Robert Gerner, NN Im großen Ganzen ist der Mensch, und sei dieser Mensch auch Sven Plöger, nur ein ganz kleines Licht. "Es kommt  trotzdem auf jeden Einzelnen an", so der Meteorologe beim LesArt-Abend in Schwabach, wo er seinen 2020 erschienen Beststeller "Zieht Euch warm an, es wird heiß!" vorstellte.

"Zieht Euch warm an, es wird heiß", hat Plöger sein 2020 erschienenes Sachbuch genannt. Den Literaturnobelpreis wird er dafür gewiss nicht bekommen. Doch der Diplom-Meteorologe schafft es darin, auch für Laien verständlich die gewaltigen Umwälzungen zu erklären, die unseren Planeten in einen (gefühlten) Backofen verwandeln.

Physik statt Fantasie

Der 54-Jährige läuft dabei nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durchs Land, sondern lässt Zahlen und Fakten sprechen. Und die Physik. "Lieber Physik statt Fantasie" lautet sein Credo. "Das rettet Menschenleben, so wie bei Corona."

Und: Sven Plöger ist kein Weltuntergangsprophet. Ab und zu scheint sich im Markgrafensaal zwischen ein paar launigen Rheinländer-Sprüchen zwar die pure Verzweiflung Bahn zu brechen. Zum Beispiel wenn er davon spricht, dass wir noch "beim Nichtbegreifen einer dramatischen Situation" sind. Oder wenn er den Klimawandel als "Asteorideneinschlag in Superzeitlupe" bezeichnet.

Grundsätzlich bezeichnet sich der Meteorologe und Klimaforscher aber ein positiver Mensch. "Wir brauchen einen gewissen Optimismus, um zu glauben, dass wir etwas schaffen können", sagt er. Und zählt ein paar positive Botschaften vom derzeitigen Klimagipfel in Glasgow auf. Der Wille, ab 2030 die Wälder umfassend zu schützen, und die Ankündigung, bis dorthin den weltweiten Methan-Ausstoß um 30 Prozent zu senken.

Zu kurz gesprungen

Richtige Ansätze, findet Plöger, wenn auch zu kurz gesprungen. "Warum erst ab 2030?", fragt er ins Publikum hinein - und hat die Antwort gleich parat. Aus erdgeschichtlicher Sicht vollziehe sich die Erwärmung der Erde zwar in rasender Geschwindigkeit. Aus Sicht des Menschen handele es sich aber um einen "langen, schleichenden Prozess. Die Bedrohung ist für viele nicht greifbar und noch zu unkonkret."

Wobei Sven Plöger zugibt: Auch ohne das Zutun des Menschen würde es derzeit wärmer werden. Noch vor 12000 Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit, lag die norddeutsche Tiefebene unter einem 500 Meter dicken und lag das heutige New York unter einem eineinhalb Kilometer dicken Eispanzer. Seither sei die mittlere globale Temperatur um kaum vier Grad Celsius gestiegen.

So gewaltig die Folgen dieser wenigen Grad für den Globus waren, so gewaltig wären die Folgen auch bei den nächsten drei oder vier Grad plus. Und: Diesmal geht es nicht um 12000 Jahre, sondern um weniger als 200. "Das Entscheidende ist nicht die Erwärmung, das Entscheidende ist die Beschleunigung dieser Prozesse." Und für diese Beschleunigung sei eindeutig der Mensch verantwortlich, so der Referent.

Hitze, Dürre, Brände, Überschwemmungen

Eine Ahnung von dem, was bevorsteht, bekommt der, der sich die täglichen Nachrichten aus aller Welt anschaut: Jahrtausenddürre auf Madagaskar, Rekordtemperaturen in Nord-Kanada und in Sibirien, schier endlose Waldbrände in Australien und Kalifornien. Der Meeresspiegel steigt, weil das Wasser wärmer wird (und sich dadurch ausdehnt) und weil der Grönland-Eispanzer und das Eis der Antarktis abschmelzen.

Schon in wenigen Jahrzehnten könnte der Meeresspiegel um einen Meter höher liegen als jetzt. 180 Millionen Menschen würden damit ihre Heimat und ihr Hab und Gut verlieren. "Die müssten dann woanders hin. Dort, wo schon andere sind. Wozu das führt, muss ich hier nicht ausführen", so Plöger.

Ist Ahrtal bald einmal im Jahr?

Die Flut im Ahrtal? Ja, sicher ein singuläres Ereignis, räumt der diplomierte Meteorologe ein. Aber eines, das durch den Klimawandel viel wahrscheinlicher geworden sei. 30 Milliarden Euro koste der Wiederaufbau. "Das schaffen wir", sagt der Referent. "Aber wenn wir so etwas nicht alle 15 Jahre haben, sondern jedes Jahr, dann wird es auch für ein Land wie Deutschland eng."

Deshalb plädiert Plöger, jeden verfügbaren Euro in den Klimaschutz zu stecken. Versäumtes lasse sich später kaum wieder gutmachen - oder nur unter horrenden Kosten. "Die steigen dann, je nach Studienlage, um den Faktor zwei bis elf."

Der LesArt-Gast appelliert, auf die Wissenschaft zu vertrauen. Natürlich lerne man auch dort laufend hinzu. Und doch würden die Vorhersagen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger aus den 1990-er Jahren heute sehr genau zutreffen. "Deshalb sollten wir heute das glauben, was die heutigen Wissenschaftler mit mehr Daten und besserer Technik für die nächsten Jahrzehnten prognostizieren."

Zehn Dürrejahre in Folge?

Für Deutschland prophezeien sie neben einer Zunahme von Starkregenereignissen eine Zunahme von Dürren. Die Dürrejahre 2018 bis 2020 seien noch ein "außergewöhnliches Ereignis" gewesen. Künftig könnten aber zehn solcher Dürrejahres in Folge "normal" werden.

Ist es also schon fünf nach Zwölf? Sven Plöger hat auch ein paar hoffnungsvolle Botschaften in den Markgrafensaal mitgebracht. Wenn all das, was seit dem Klimagipfel von Paris nachgeschärft wurde, tatsächlich umgesetzt werde, dann steuere man bis zur Jahrhundertwende "nur" noch auf einen Temperaturanstieg von 2,1 Grad zu. Also gar nicht mehr so weit entfernt von dem vereinbarten 1,5-Grad-Ziel.

Von wegen vorbildlich!

Und Deutschland? Tut Deutschland nicht viel mehr als die meisten anderen Länder für den Klimaschutz? Sven Plöger räumt mit dieser oft gehörten Botschaft der Klimaskeptiker auf. Deutschland sei noch immer der sechstgrößte Emittent von Kohlendioxid. Jeder Deutsche produziere pro Jahr neun Tonnen Kohlendioxid - 300 Mal so viel wie ein Mensch aus Burundi und viermal mehr als für die Erde nachhaltig wäre.

Ja, die ganz überwiegende Zahl der Deutschen plädiere für mehr Klimaschutz. Und mache dann doch das genaue Gegenteil von dem was man dafür eigentlich tun sollte. "Wir fahren SUV, produzieren immer mehr Plastikmüll und sind im Jahr vor Corona so viel geflogen und haben so viele Kreuzfahrtreisen gemacht wie nie zuvor in unserer Geschichte."

Es kommt auf jeden Einzelnen an

Laut Plöger könne der Einzelne zwar das Klima nicht retten. Und doch komme es auf jeden Einzelnen an. Dieses Klima-Mikado - wer zuerst etwas tut, droht der Dumme zu sein - müsse endlich aufgebrochen werden. Denn: "Der Planet braucht uns nicht, aber wir brauchen diesen Planeten."

Auf den Glauben der wahrscheinlich künftigen Regierungspartei FDP, dass man nur die Wirtschaft machen lassen müsse, dann werde es bald neue Technologien gegen die Erderwärmung geben, mag Sven Plöger nicht recht setzen. Und zitiert dafür Nicolas Stern, den Chefökonomen der Weltbank zu Beginn der 2000-er-Jahre: "Der Klimawandel ist das Ergebnis des größten Marktversagens der Welt."

Kleinert statt Plöger

Sagt´s und verabschiedet sich nach ein paar Nachfragen von der Bühne. Rechtzeitig vor den Tagesthemen. In Zeitnot ist Sven Plöger, der vor 20 Jahren nur wegen eines "Dienstplanfehlers" zum Fernseh-Wetterfrosch geworden ist, aber nicht. Denn die Wettervorhersage kommt dort an diesem Abend von seiner Kollegin Claudia Kleinert.

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