Kauf des Sigwart-Areals

Eine Entscheidung, die Weißenburg auf Jahrzehnte prägen wird

21.12.2021, 15:11 Uhr
Die Stadt Weißenburg nutzt ihr Vorkaufsrecht für die Brauerei Sigwart. Zu dem Komplex gehören nicht nur das Bräustüberl an der Luitpoldstraße, sondern auch alle Brauereigebäude links und rechts der Rossmühle.

© Robert Renner, WT Die Stadt Weißenburg nutzt ihr Vorkaufsrecht für die Brauerei Sigwart. Zu dem Komplex gehören nicht nur das Bräustüberl an der Luitpoldstraße, sondern auch alle Brauereigebäude links und rechts der Rossmühle.

Das hat der Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen. Es gab in der nichtöffentlichen Sitzung lediglich zwei Gegenstimmen aus dem bei der Entscheidung 22-köpfigen Gremium.

Auf Anfrage unserer Zeitung skizzierte Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD) hernach die beabsichtigte Nutzung. Es soll eine Mischung aus Büro- und Gewerberäumen, kulturellen Angeboten und Wohnraum entstehen. Dies habe Baureferendarin Jennifer Beiche dem Stadtrat erläutert.

Das Viertel, dass nun im Zusammenklang mit der Plerrer-Neugestaltung entwickelt werden kann, soll an sieben Tagen pro Woche belebt sein. Würde eine reine Wohnnutzung anvisiert, gäbe es dort tagsüber, wenn die Bewohner bei der Arbeit seien, nur wenig Leben. Würde nur Gewerbe angesiedelt, wäre es vor allem an den Wochenende still in dem Viertel.

Zur Belebung soll dem OB zufolge nicht zuletzt ein kommunaler Wohnungsbau beitragen, der anstelle der bisherigen Abfüllerei der Brauerei Sigwart zwischen Mohrenzwinger und Rossmühle hochgezogen werden und ein „zentraler Punkt“ (Schröppel) in der angedachten Nutzung sein soll. Daher wurde der Bau ausdrücklich in den Stadtratsbeschluss aufgenommen.

Gleichzeitig wird auf den geplanten kommunalen Wohnungsbau am Krummen Sandfeld verzichtet. Diesen hatte der Stadtrat vor knapp einem Jahr im unmittelbaren Anschluss an die Bebauung am Hohenmühlweg auf den Weg gebracht.

Der kommunale Wohnungsbau wird aber auch dafür sorgen, dass die ehemalige Brauerei nicht allzu lange eine Brache bleiben wird. Um das Kommunale Wohnraumförderprogramm nutzen zu können, muss mit dem Bau spätestens 2023 begonnen werden. „Bis Ende 2025 muss das Ding bezugsfertig sein“, sagte der OB.

Den Standort sieht Schröppel als „ideal“ an. Sämtliche Geschäfte, Gaststätten und Arztpraxen der Innenstadt seien ebenso auf kurzen Wegen zu erreichen, wie sämtliche Schulen, das Krankenhaus, der Bahnhof oder auch Einkaufsmärkte. Wie die übrigen, zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Brauereigebäude zwischen Luitpoldstraße und Rossmühle künftig genutzt oder umgebaut werden sollen, muss erst noch entwickelt werden. Auf jeden Fall kann nun fast der gesamte nordöstliche Teil der Altstadt überplant und zukunftsfähig gemacht werden. Eine riesige Chance für Weißenburg.

"Die Chance muss die Stadt nutzen"

Dass die Stadt nun doch, anders als zunächst beabsichtigt, das Vorkaufsrecht nutzt, begründete Schröppel damit, dass nicht zuletzt das Bauamt dringend dazu geraten und so ein Umdenken im Stadtrat eingesetzt habe. Am Ende sei man sich weitgehend einig gewesen: „So eine Chance muss man als Stadt nutzen.“

Es werde zwar ein weiteres Projekt sein, das „viel Zeit und Geld kosten“ werde, aber die Neugestaltung inmitten der Altstadt werde „die Stadt für die nächsten Jahrzehnte prägen“.

Würde die Stadt nicht vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen, hätte sie natürlich nicht die gleichen Einflussmöglichkeiten wie bei dieset Lösung. Vor allem ein jahrelanger Leerstand „wäre verheerend“, sagte der OB. Dies sei eine „Hauptmotivation“ für das Umdenken gewesen.

Dass die Stadt das Quartier entwickelt, birgt aber auch den Vorteil, dass sie – anders als ein Investor – keine Gewinnerzielungsabsicht hat, die Bebauung also an die Gegebenheiten der Altstadt angepasst werden kann und nicht eine möglichst effektive und gewinnbringende Nutzung das Ergebnis sein muss.

"Übergeordnetes Interesse"

Dass die Familie Kilinc, die die Brauerei Sigwart für ihre Baufirma erwerben wollte, von der jüngsten Entwicklung enttäuscht sei, könne er verstehen, zumal mit ihr ja schon ein Architektenwettbewerb für das Stadtviertel schriftlich fixiert gewesen sei. So sollte gewährleistet werden, dass nichts entsteht, was dem Bild der Altstadt abträglich wäre. Schröppel bat aber um Verständnis, dass „hier das übergeordnete Interesse der Stadt vor einem Einzelinteresse geht“. Die Entscheidung habe nichts Personen zu tun, betonte er.

Die bisherige Entwicklung sei der übliche Gang der Dinge. Werde ein Immobilienkaufvertrag von zwei Parteien geschlossen, informiere das Notariat automatisch die Stadt und frage, ob ein Vorkaufsrecht ausgeübt werde. Der geschlossene Kaufvertrag sei also „Grundvoraussetzung“, dass das Vorkaufsrecht überhaupt angewendet werden könne.

„Brandenburger rausrechnen“

Die Stadt trete nun zu den gleichen Konditionen an die Stelle des Käufers. Sie erwirbt also vom Vorbesitzer in diesem Fall ein ganzes Immobilienpaket. Nicht enthalten ist das Nachbarhaus des Sigwart-Bräustüberls, in dem die Café-Bar Lu&Lorenz beheimatet ist.

Die Firma Kilinc hätte mit der Brauerei den Brandenburger Hof gekauft, alles in allem für etwas über 2,1 Millionen Euro. Das Gasthaus an der Niederhofener Straße wird die Stadt nicht erwerben. „Das muss ein Gutachter nun aus dem Gesamtpaket rausrechnen“, erklärte der OB.

Auch das Bräustüberl wollte die Stadt eigentlich nicht haben. Doch nach einem Ortstermin sei ihm klar gewesen, dass ein Heraustrennen des Gebäudes aus dem Komplex funktional nur sehr schwer möglich sei.