Hilfe beim Ankommen

Weißenburger Verein mit russischen Mitgliedern will Ukrainer integrieren

Nina Dworschak

Volontärin Weißenburger Tagblatt

E-Mail zur Autorenseite

4.7.2022, 11:25 Uhr
Elena Mozzherina (blauer Pullover) ist eine Vorsitzende der Weißenburger Ortsgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Mit dem neuen Projekt will der Verein ein vorurteilsfreies Leben im Landkreis fördern. 

© Nina Dworschak, NN Elena Mozzherina (blauer Pullover) ist eine Vorsitzende der Weißenburger Ortsgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Mit dem neuen Projekt will der Verein ein vorurteilsfreies Leben im Landkreis fördern. 

Ein Mädchen stochert mit der Krücke ihrer Großmutter im glasklaren Wasser des Rohrbaches, während der Rest der Gruppe den Erklärungen des Geologen Michael Rummel lauscht. Auf dem Fußweg entlang der Steinernen Rinne bei Rohrbach haben sich alle Altersklassen versammelt, fast ausschließlich Frauen sind gekommen. Vor wenigen Wochen sind sie vor dem Krieg in der Ukraine geflohen, der Angriff Russlands hat sie aus ihrem Heimatland vertrieben. Nun sind sie zusammen im Grünen, bei einem Ausflug, den die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland organisiert hat.

Elena Mozzherina ist eine der Vorsitzenden des Weißenburger Ortsverbandes der Landsmannschaft. Ihre Kollegin Valentina Rosina übersetzt für die Gruppe an der Steinernen Rinne, was der Geologe über das Naturdenkmal erzählt. Gemeinsam haben sie den Ausflug organisiert. Das Ziel: Mitglieder ihres Vereins mit den Geflüchteten aus der Ukraine zusammenzubringen – trotz der Kämpfe auf ukrainischem Boden und trotz politischer Meinungsunterschiede.

Mitglieder aus Russland und der Ukraine

Aus privaten Bekanntschaften ist 2017 die Weißenburger Ortsgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland entstanden. Derzeit hat die Ortsgruppe etwa 20 Mitglieder, sie kommen aus dem ganzen Landkreis, hauptsächlich aber aus Weißenburg und Treuchtlingen. Die Mitglieder sind nicht nur Menschen aus Russland, sondern kommen aus den verschiedenen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, also auch aus der Ukraine.

Als Rosina und Mozzherina die Weißenburger Ortsgruppe gründeten, war ihr Ziel, die vielen Familien mit Migrationshintergrund aus der Region zusammenzubringen. Für ihr erstes Projekt, "Integration ohne Stress", bekamen sie dafür sogar einen Zuschuss vom Bundesinnenministerium. Es entstanden Stammtische, eine Theatergruppe, ältere Frauen formten eine Kaffeerunde und es gab psychologische Seminare.

Schon beim ersten Projekt kamen Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern zusammen, Probleme hat es laut Rosina und Mozzherina nie gegeben. Im Zuge des Angriffskrieges und der hohen Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine, begannen die Frauen Aktivitäten zu organisieren, um die Migranten aus der Ukraine zu unterstützen. Das alles passiert im Rahmen des Projekts "Generationsübergreifendes Engagement für vorurteilsfreies Leben in der offenen Gesellschaft", das ebenfalls vom Bundesinnenministerium unterstützt wird.

Kein leichtes Vorhaben

Gemeinsam mit ihren Mitgliedern will die Gruppe die neuen Vertriebenen in das Leben in Altmühlfranken integrieren. Sie wollen das Zusammenleben in einer Gesellschaft ohne Vorurteile fördern und Menschen aus Russland und der Ukraine verbinden. Passieren soll das durch Stressabbau.

Dass ihr Vorhaben kein leichtes ist, ist den beiden Projektleiterinnen klar. "Natürlich haben in unseren Reihen einige andere Meinungen zum Krieg in der Ukraine", erzählt Rosina. In ihrer Gruppe werde keine Propaganda geduldet, sie bemühen sich um ein Miteinander trotz unterschiedlicher Einstellung zum Krieg. "Deshalb ist es wichtig, eine gemeinsame Basis zu finden, um einfache menschliche Wahrheiten zu verstehen", sagt Mozzherina.

Der Vorsitzende des Dachverbands der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Johann Thießen, hat schon zu Beginn des Ukrainekrieges Stellung bezogen. Wie es auf der Homepage heißt, sei er zutiefst erschüttert, dass diese politischen Machtspiele einen Keil zwischen die Menschen treibe. Laut Rosina akzeptieren die Weißenburger Mitglieder diese Haltung, selbst dann, wenn sie selbst anderer Meinung sein sollten. "Allerdings ist die Akzeptanz der erste Schritt in die richtige Richtung", meint sie.

Die beiden Frauen haben für ihr Projekt ein Konzept erarbeitet, es geht bis Ende 2023. Der Ausflug zur Steinernen Rinne ist ein erster Schritt. Die Mitglieder der Weißenburger Ortsgruppe waren dafür im Hintergrund aktiv und haben gemeinsam mit der Flüchtlingshilfe Wald den Ausflug organisiert. Vor Ort waren nur die Projektleiterinnen dabei. Mitglieder der Gruppe kennen einzelne Geflüchtete bereits, viele sind in der Flüchtlingshilfe aktiv, helfen etwa beim Übersetzen. Die Projektleiterinnen planen weitere Veranstaltungen, bei denen dann auch alle Mitglieder der Gruppe die neuen Menschen aus der Ukraine kennenlernen.

Froh im Grünen zu sein

Nach der Erkundung der Steinernen Rinne treffen sich alle zu einem Picknick auf dem nahe gelegenen Spielplatz. Einige Ukrainerinnen kennen sich, andere, die etwa bei Verwandten untergekommen sind, lernen sich neu kennen. Mozzherina fragt zwei junge Frauen, die mit ihren Kindern dabei sind, ob es für sie komisch ist, dass der Ausflug von Deutschen aus Russland organisiert wurde. "Das spielt für uns keine Rolle, wir sind froh, dass wir ins Grüne kommen", antwortet Kal Valya, die mit ihrer Schwester und den Kindern derzeit im Altmühlhotel in Treuchtlingen lebt. Den Eindruck gewinnt man auch im Gespräch mit anderen Teilnehmerinnen. Klar ist aber auch: Für ihr Vorhaben, beide Nationen im Landkreis friedlich zu vereinen, haben Rosina und Mozzherina noch einiges vor sich.