Trauer und Zuversicht

Bittere Tränen, laute Gesänge: Das Kleeblatt verarbeitet den Bundesliga-Abstieg

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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24.4.2022, 11:16 Uhr
"Es tut gerade im Moment weh, aber es wird weitergehen": Fürths Geschäftsführer Rachid Azzouzi nach dem Abstieg am Samstagabend.

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink "Es tut gerade im Moment weh, aber es wird weitergehen": Fürths Geschäftsführer Rachid Azzouzi nach dem Abstieg am Samstagabend.

Es war klar, dass dieser Moment kommen würde. Es war klar, dass es wehtun würde. Sehr weh. Doch als der Schiedsrichter am Samstagabend um 17.20 Uhr zum letzten Mal pfiff und den Abstieg des Kleeblatts besiegelte, da konnte Rachid Azzouzi trotzdem nicht anders. An dem Ort, an dem er vor genau elf Monaten nach dem Bundesliga-Aufstieg seines Kleeblatts vor Freude geweint hatte, vergoss der Geschäftsführer des Kleeblatts bittere Tränen.

Während er mit traurigem Gesicht zu den TV-Kameras schritt, sangen die Menschen auf der Nordtribüne lautstark das Lied, das diesen schmerzvollen Moment perfekt zusammenfasste. Das Lied, das die Spielvereinigung seit vielen Jahren begleitet, in guten wie in schlechten Zeiten: "Unser Kleeblatt, das wird niemals untergeh'n!"

Der Spruch ist über die vielen schönen und weniger schönen Geschichten, die man in Fürth mit ihm verbindet, zum heimlichen Motto des Vereins geworden. Doch in diesen Minuten konnte auch dieser Spruch und die mit ihm verbundene Botschaft den Schmerz nicht lindern. Mit feuchten Augen sprach der Geschäftsführer vor den Kameras über seine Gefühlswelt. "Es tut weh, wenn du so viel gibst", sagte Azzouzi. "Wenn wir alles gegeben haben und es nicht reicht, dann müssen wir das akzeptieren."

Das galt für die gesamte Saison, aber auch für dieses 1:4 gegen Bayer Leverkusen. Das letzte Aufgebot des Kleeblatts gab alles, ging nach fünf Minuten und einer sehenswerten Einzelleistung von Jessic Ngankam durch Jetro Willems in Führung - doch dann war alles wieder wie so oft in dieser Saison. Nach einer Leverkusener Ecke verlängerte Branimir Hrgota den Ball unglücklich Richtung eigenes Tor, weshalb Patrik Schick nicht im Abseits stand und zum Ausgleich treffen konnte (8.).

Das frühe Tor sei ein "super Start und genau das was wir gebraucht haben" gewesen, sagte Kapitän Hrgota später. Doch die Freude hielt nur drei Minuten, "sehr, sehr unglücklich" sei das schnelle 1:1 gewesen, "das bringt uns in Schwierigkeiten" - und es nahm der Mannschaft offenbar auch etwas von ihrem Elan. Kurz darauf ließ sich Torhüter Andreas Linde etwas zu viel Zeit und schoss beim Pass den Leverkusener Sardar Azmoun an (18.). "Das 2:1 schenken wir selbst ab durch einen individuellen Fehler", befand der Trainer. "Dann ist es natürlich extrem schwer gegen Bayer Leverkusen."

In den folgenden 70 Minuten versuchte das Kleeblatt, nochmal zurückzukommen in dieses Spiel. "Wir hatten gute Umschaltmomente und auch die ein oder andere Chance", sagte Leitl, seine Mannschaft habe "wieder Moral bewiesen und versucht, nach vorne zu spielen" - auch wenn dabei insgesamt zu wenig gefährliche Möglichkeiten herauskamen. Stattdessen erhöhte Leverkusen durch Paulinho erst auf 1:3 (58.) und kurz vor Schluss sogar auf 1:4 (Palacios, 84.).

"Das Spiel war insgesamt ein Spiegelbild der diesjährigen Saison", betonte Leitl, der nicht allzu viel mehr sagen wollte über dieses vorletzte Heimspiel der Saison. "Es fühlt sich nicht gut an, heute den Abstieg hinnehmen zu müssen", so Leitl. Wie die Fans auf den Rängen den Abstieg aber hinnahmen und die Mannschaft minutenlang feierten, beeindruckte den Trainer - und linderte den Schmerz womöglich ein bisschen. Die Zuschauer hätten ein "sehr feines Gespür" bewiesen und "honoriert, wenn meine Mannschaft an die Leistungsgrenze geht".

"Wir können stolz sein"

Vor den TV-Kameras musste sein Chef derweil sogar kurz das Interview unterbrechen, um die Tränen zu trocknen. Der Abstieg ging Rachid Azzouzi, dem Mann hinter den Erfolgen der vergangenen Jahre, sichtlich nahe. Das Kleeblatt habe, auch nach dem schwierigen Start mit nur einem Punkt aus 14 Spielen, "versucht, das Maximale rauszuholen, manchmal reicht das Maximale aber auch nicht", so Azzouzi. "Wir können als Verein trotzdem stolz sein auf das, was wir machen."

Doch nachdem die erste Trauer bewältigt war, gab sich der Geschäftsführer schon wieder kämpferisch. "Es tut gerade im Moment weh, aber es wird weitergehen", betonte er. "Wir greifen nochmal an. Nächstes Jahr." Als er unter deutlich vernehmbaren "Rachid"-Rufen zum nächsten Interview schritt, sah man den Boss des Kleeblatts wieder lächeln. Den Fans auf der Tribüne reckte er strahlend den Daumen entgegen.

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