Fall zweier getöteter Polizisten

Sind "Likes" strafbar? Polizei beschlagnahmt Handy wegen nur eines Klicks

sde

22.6.2022, 13:51 Uhr
Weil ein User einen strafbaren Tweet geliked hat, wurde sein Smartphone beschlagnahmt.

© Matt Rourke, dpa Weil ein User einen strafbaren Tweet geliked hat, wurde sein Smartphone beschlagnahmt.

Die Polizei startete am frühen Montagmorgen bundesweite Durchsuchungen und richtete diese gegen die Verfasser von mutmaßlichen Hassnachrichten im Internet. Die Bilanz des Tages laut der Generalstaatsanwaltschaft: strafprozessuale Maßnahmen in 15 Bundesländern, 75 angetroffene Tatverdächtige und zahlreiche sichergestellte Datenträger wie Smartphones, Laptops oder Festplatten. 536 Posts der insgesamt 767 untersuchten Hinweise stufte die Landeszentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus als strafrechtlich relevant ein.

Besonders überrascht in diesem Kontext jedoch ein bestimmter Wert: 309 Likes werden als strafrechtlich relevant angesehen. Likes. Die vermeintlich harmlosen, einfachen und mitunter beiläufig abgegeben "Gefällt mir"-Angaben in den sozialen Medien. Diese Likes waren mitunter die Grundlage für die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen.

Likes als Anlass für Durchsuchungen

Ein Betroffener meldete sich bei Twitter zu Wort und veröffentlichte das Schreiben der Polizei. Weil er eine per Twitter verbreitete Hassbotschaft geliked und sich dadurch "die Aussage des Ursprungsverfassers zu eigen gemacht habe", hätte sich der User der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß Paragraph 189 Strafgesetzbuch" strafbar gemacht.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht ein Tweet des Nutzers "MulletProof" vom 4. Februar 2022. Dieser soll geschrieben haben: "Schweigeminute für Bullen? […] Ich trauere, wenn Unschuldige sterben, nicht wenn die Killer selbst mal dran glauben müssen." Den Account, der inzwischen nicht mehr öffentlich einsehbar ist, kenne der Beschuldigte nach eigenen Angaben nicht. Er könne sich auch nicht daran erinnern. Obwohl die Polizei bei ihm seiner Meinung nach "nichts relevantes gefunden" habe, beschlagnahmte sie sein Smartphone. Ein Termin vor Gericht wird folgen.

Wie gefährlich kann ein Like überhaupt werden?

Derartige Berichte von Strafverfahren wegen eines einfachen Likes lassen viele Social-Media-User aufhorchen: Tatsächlich sind solche Durchsuchungen lediglich auf Basis von "Gefällt mir"-Angaben in dieser Ausprägung in der Strafverfolgung höchst ungewöhnlich, kommen aber zunehmend häufig vor. Christian Solmecke, Internet-Spezialist der Kölner Kanzlei WBS Law erklärte gegenüber dem Stern: "Es ist aber noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob reines 'Liken' wirklich strafbar sein kann. Im Gesetz selbst steht dazu nichts, aber Gesetze können ausgelegt, also interpretiert werden."

Doch wie können die Behörden ein Strafverfahren basierend auf einem Like rechtfertigen? Laut Solmecke macht sich der User, der einen strafbaren Post oder Kommentar liked, ebendiesen zu eigen. Der Nutzer schließt sich also der Aussage an, drückt durch die "Gefällt mir"-Angabe seine Unterstützung der These aus und billigt dadurch die Straftat, indem er sie öffentlich zustimmend kommentiert. "Dadurch", so Solmecke, "könnte der Likende so bestraft werden, als hätte er die Aussage selbst kundgetan."

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