Ära Kaeser bei Siemens endet: "Ich habe fertig."

3.2.2021, 15:19 Uhr
Joe Kaeser während seiner letzten Rede als Vorstandsvorsitzender von Siemens.

© Matthias Schrader, afp Joe Kaeser während seiner letzten Rede als Vorstandsvorsitzender von Siemens.

So viel Schultergeklopfe wie an diesem Mittwoch hat Joe Kaeser (63) in seinen sieben Jahren als Vorstandsvorsitzender nicht immer erfahren. Er galt vielen, zumindest zu Beginn seiner Ägide, als etwas unnahbar, als einer, der durchgreift, wo andere zögern oder weiterverhandeln.

Im Lauf der Zeit wuchs er in und an seinem Posten, fällte mutige, manchmal schmerzliche Entscheidungen, die bei Belegschaft und Aktionären nicht immer gut ankamen. Unterm Strich aber, da sind sich bei der virtuellen Hauptversammlung des Münchner Konzerns alle einig, ist Siemens heute deshalb so stark, weil Kaeser nicht nur ein Sanierer, sondern auch ein Gestalter mit Weitblick war.

Ein Video als Überraschung

Das betont auch Jim Hageman Snabe, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Siemens AG, in seinem Redebeitrag. Unter Kaeser wurde, so der Däne, "die größte strukturelle Neuaufstellung in der jüngeren Geschichte des Konzerns abgeschlossen" - und das voll im Zeitplan, trotz Corona. Das Unternehmen habe sogar Marktanteile hinzugewinnen können, und dieser Trend setzt sich offenbar fort: Die Zahlen für das erste Quartal 2021 stimmen den Manager sehr hoffnungsfroh.

Den Abschied von Kaeser nennt Snabe einen "emotionalen Moment" und präsentiert zur Überraschung aller ein kleines Video, das Kaeser Stationen in dem Konzern nachzeichnet und dessen Erfolge betont. Das ringt selbst dem hartgesottenen Vorstandschef ein mildes Lächeln ab.

Bis zu 1000 Euro Anerkennungsprämie

Als er schließlich selbst das Wort ergreift, wirkt er wie immer: gefasst, hoch konzentriert, bis in die Haarspitzen motiviert. Er verteidigt die Aufteilung des Konzerns in drei Sparten (Siemens, Siemens Energy und Siemens Healthineers), freut sich über ein Allzeithoch beim Aktienkurs und bekennt sich ausdrücklich zu den Zielen der UN-Klimakonferenz von Paris. "Bis zum Jahr 2030 arbeitet der Konzern klimaneutral, das Datum steht", betont Kaeser, der daneben mehrfach auf die gesamtgesellschaftliche und soziale Verantwortung seiner Firma eingeht.

Mit Blick auf die Coronakrise findet er lobende Worte für die Belegschaft, die das gute Standing der Firma auf dem globalen Markt trotz erschwerter Bedingungen ermöglicht habe. Diese Loyalität vergütet der Konzern und gewährt eine Anerkennungsprämie in Höhe von bis zu 1000 Euro für Mitarbeiter unterhalb der Senior Management Ebene, kündigt der Spitzenmanager an, insgesamt mehr als 200 Millionen Euro. "Das soll zeigen: In Krisenzeiten halten wir zusammen", so Kaeser.

Gute Nachrichten bringt er auch für die Aktionäre mit, der gebürtige Niederbayer stellt eine Dividende von 3,50 Euro pro Aktie in Aussicht. Die Abspaltung der Sparten Energie und Gesundheitstechnologie hab sich letztlich "wie ein Turbo" auf den Aktienkurs ausgewirkt, freut er sich, gibt seinem Nachfolger aber auch mit: "Eine kurzfristige Maximierung des Gewinns ist nicht Sinn und Zweck eines Unternehmens."

Humor zum Abschied

Zu seinem Abschied vom Siemens-Konzern, dem er 40 Jahre lang angehörte, benutzt Kaeser, dem laut seiner eigenen Einschätzung "vieles, aber nicht alles gelungen", ein berühmtes Zitat der Fußballtrainer-Legende Giovanni Trapattoni: "Ich habe fertig. Vielen Dank."

Die Zukunft des Traditionsunternehmens legt er in die Hände des promovierten Physikers und gebürtigen Erlangers Roland Busch (57). Der neue Vorstandsvorsitzende sieht für den Konzern "ein Jahrzehnt der Möglichkeiten", da sich die gesamte Weltwirtschaft, angetrieben durch die Digitalisierung, neu erfinden müsse.

"Wir können den Unternehmen wie kein anderer dabei helfen, das zu schaffen", ist er überzeugt. "Die Märkte, auf denen wir arbeiten, sind die Wachstumsmärkte dieses Jahrzehnts." Die vielen tausend Aktionäre, welche die Hauptversammlung an den Bildschirmen verfolgt haben, werden dies wohlwollend aufgenommen haben.

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