Justizminister fordert härtere Strafen

Schockanrufer, Heiratsschwindler, falsche Polizisten: So sollen dreiste Betrüger ausgebremst werden

Ralf Müller

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28.4.2022, 17:18 Uhr
Schockanrufer, Heiratsschwindler, falsche Polizisten: So sollen dreiste Betrüger ausgebremst werden

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Ältere, vermeintlich leicht zu übertölpelnde Mitbürger um ihr Erspartes zu bringen, ist ein wachsender krimineller Geschäftszweig, wenn auch nicht risikolos. Das musste eine Betrügerbande erfahren, die im März vergangenen Jahres einen Münchener Rentner um 20.000 US-Dollar erleichtern wollte. Das Geld, so warnte telefonisch ein vermeintlicher "Kriminalhauptkommissar Westermann", sei in der Wohngegend des Rentners nicht sicher und werde vorsichtshalber von einer Kollegin verwahrt. Der Rentner durchschaute den Schwindel jedoch von Anfang an und schaltete die richtige Polizei ein. Als eine Frau das Geld in Empfang nehmen wollte, klickten die Handschellen.

Nicht alle Senioren sind jedoch so wachsam, berichteten Strafverfolger der Staatsanwaltschaft München I am Donnerstag. In vielen Fällen nutzten Ganoven Angst und Unsicherheit der älteren Menschen erfolgreich aus. Von einem besonders krassen Fall berichtete Staatsanwältin Juliane Grotz: Ein 70-jähriger Mann aus München verfiel den Liebes- und Treueschwüren einer 27-jährigen verheirateten Frau, die er im Urlaub in Italien als "Delphina" kennen gelernt hatte. Und zwar so sehr, dass er sich auch von Polizei und Staatsanwaltschaften in Deutschland und Ungarn nicht von deren Gesinnung überzeugen ließ.

Dreimal versuchte er entgegen allen behördlichen Warnungen, der Dame 230.000 Euro für eine angeblich dringend notwendige Operation zukommen zu lassen. Im Dezember kam die zu diesem Zeitpunkt mit einer elektronischen Fußfessel versehene Dame tatsächlich in den Besitz des Geldes. Seit Februar dieses Jahres sitzt sie in München in Untersuchungshaft.

"Überweisen Sie kein Geld"

Der erste dieser Fälle wird von der Staatsanwaltschaft in die Kategorie "Falsche Polizisten", der zweite unter "Love Scams" (Heiratsschwindler) eingereiht. Daneben perfektionierten die Betrüger auch in den Kategorien "Schockanrufe", "Enkeltrick", "Tech-Support-Scams" und "falsche Handwerker" ihre Methoden, berichtete Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Der Minister wiederholte die Warnungen, welche die Sicherheitsbehörden gebetsmühlenartig an die betagten Opfer herausgeben: "Sprechen Sie am Telefon niemals über Ihre finanziellen Verhältnisse. Geben Sie niemals Kontodaten oder Passwörter preis. Beziehen Sie Familie oder Freunde ein, Überweisen Sie kein Geld und stellen Sie keine Schecks aus."

Mit dem "Enkeltrick" (vermeintliche Kinder oder Enkel bitten um Hilfe wegen einer Krankheit oder eines Unfalls) haben nach Angaben der Justizbehörden Ganoven im vergangenen Jahr etwa zwei Millionen Euro ergaunert. Weitere 6,1 Millionen Euro ließen falsche Polizisten verschwinden. Mit 4168 registrierten Schockanrufen wurde allein in Bayern im vergangenen Jahr ein Schaden von 3,7 Millionen Euro verursacht. Die Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass viele solcher Straftaten nicht angezeigt werden - entweder aus Scham, oder weil die Opfer den Märchen weiterhin Glauben schenken.

Psychische Schäden oft schwerwiegender als der Geldverlust

Die Senioren würden nicht nur finanziell geschädigt, sondern vor allem gesundheitlich, sagte Eisenreich. Angstzustände und Depressionen seien oft die Folge solcher Straftaten. Der bayerische Justizminister will daher die Mindeststrafe für organisierten Callcenter-Betrug, der gezielt ältere Menschen als Opfer wählt, auf zwei Jahre Gefängnis verdoppeln. Leider sei der Bundesjustizminister noch nicht tätig geworden, bedauerte Eisenreich.

Hinter den Betrügereien stecke oft regelrechte organisierte Kriminalität, sagte Leitender Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst. Die Täter operierten bevorzugt aus Nicht-EU-Staaten, weil die Verfolgung dorthin schwierig sei. Dennoch habe sich die Zusammenarbeit etwa mit den türkischen Sicherheitsbehörden in letzter Zeit sehr erfreulich entwickelt.

Dreiste Diebe und Betrüger, die es auf das Vermögen von Senioren abgesehen haben, werden aber zumindest von bayerischen Gerichten schon jetzt mit Freiheitsstrafen ohne Bewährung sanktioniert. So erging es einer vierköpfigen Ganoven-Truppe, der neun Straftaten in Nürnberg und München allein im Jahr 2021 nachgewiesen werden konnten. Die Truppe bestand aus einem "Handwerker", einem "Lehrling", einem "Fahrer" und einem "Sucher". Unter dem Vorwand, Wasserleitungen wegen eines Rohrbruchs zu überprüfen, entwendete das Quartett in den Wohnungen von zuvor sorgsam ausgewählten Senioren im Alter zwischen 79 und 94 Jahren Schmuck und Bargeld in Höhe von bis zu 31.000 Euro.

Im Februar 2021 wurden drei der Täter in der Nähe von Nürnberg festgenommen. Der Vierte erschien bei ihren Prozess zum Erstaunen der Staatsanwälte als Zeuge und wurde im Gerichtssaal verhaftet.

Diamantringe und goldene Uhren entwendet

Kundinnen eines Münchener ambulanten Pflegedienstes erstatteten Ende 2020 bei der Polizei Anzeige, weil sie wertvolle Gegenstände von Diamantringen über goldene Uhren bis zu einem Krummsäbel vermissten. Der Verdacht fiel auf eine 40-jährige Beschuldigte des Pflegedienstes und bestätigte sich, nachdem in ihrer Wohnung mehr als 40 Luxushandtaschen im Wert von jeweils über 2000 Euro gefunden wurden.

Auf das schlechte Gedächtnis einer Münchener Seniorin vertraute eine aus drei Frauen bestehende Tätergruppe. Angeblich würde man sich von früher kennen, machte eine Täterin der alten Dame glaubhaft. Im Laufe der Zeit wurde die Rentnerin durch immer neue Märchen von notwendigen Krebsoperationen bis zu einem kranken Kind um 40.000 Euro erleichtert.

Dabei griffen die Betrügerinnen auch zu dem Uralt-Trick, eine Erbschaft vorzutäuschen. Um sie antreten zu können, benötige man 4000 Euro. Doch allmählich schöpfte die Geldgeberin Verdacht. Im März vergangenen Jahres wurde eine der Täterinnen bei der Übergabe von 2000 Euros verhaftet. Die Komplizinnen waren rasch ermittelt, berichtete Staatsanwalt Felix Prokop.

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