Ex-Ministerpräsident in der Vesperkirche

"Die Moral mit einem besonders großen Löffel gegessen": Günther Beckstein und die Kirche

Stephan Sohr

Chefredakteur Nürnberger Zeitung

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4.2.2023, 18:00 Uhr
In der Vesperkirche zu Gast: Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Günther Beckstein.

© Harald Sippel, NNZ In der Vesperkirche zu Gast: Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Günther Beckstein.

Für Günther Beckstein ist der Glaube und die Verankerung in der evangelischen Kirche Kompass und Richtschnur - und dennoch steht er seiner Kirche und dem Selbstverständnis, das wichtige Amtsträger haben, kritisch gegenüber. "Ganz grundsätzlich ist es wichtig, dass die Kirche zu den Menschen geht, weil immer weniger Menschen von sich aus in die Kirche gehen", sagt der ehemalige bayerische Ministerpräsident, der der erste Evangelische in diesem Amt war. Deshalb hält er das Format der Vesperkirche in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche für eine gute Sache, die er mit seiner Anwesenheit beim Talk am kommenden Mittwoch um 13 Uhr gerne unterstützt. "Beim Vespern kommen die Menschen zusammen und reden miteinander", was Leib und Seele gleichermaßen guttut.

"Danke Team-Vesperkirche" steht auf der Rückenlehne des E-Rollis eines Besuchers der Vesperkirche in der evangelischen Gustav-Adolf-Gedächtniskirche.

"Danke Team-Vesperkirche" steht auf der Rückenlehne des E-Rollis eines Besuchers der Vesperkirche in der evangelischen Gustav-Adolf-Gedächtniskirche. © Daniel Karmann, dpa

Beide christlichen Kirchen, die evangelische wie die katholische, haben heute nicht mehr den Einfluss auf die Menschen und die Gesellschaft, die sie früher hatten. Bei seiner ersten Landtagskandidatur, erzählt Beckstein, habe ihn der katholische Pfarrer zu einem zweistündigen Gespräch einbestellt, ehe er seiner Gemeinde empfehlen konnte, den evangelischen CSU-Kandidaten zu wählen. Undenkbar heute.

Gemeinsam essen, Zeit miteinander verbringen, auf andere Gedanken kommen - die Vesperkirche lädt dazu ein.

Gemeinsam essen, Zeit miteinander verbringen, auf andere Gedanken kommen - die Vesperkirche lädt dazu ein. © Daniel Karmann, dpa

Kritisch steht Beckstein dem Anliegen der sogenannten "öffentlichen Theologie" gegenüber, dass sich also kirchliche Amts- und Würdenträger wie selbstverständlich in alle möglichen politischen Debatten und Entscheidungsprozesse einmischten und Einfluss verlangten. Er als Politiker maße sich schon die Einschätzung an, im Zweifel mehr von Politik zu verstehen als ein Pfarrer oder Bischof. Schließlich müssten in einer Demokratie die gewählten Politikerinnen und Politiker ihre Entscheidungen auch verantworten.

Der Verlag Nürnberger Presse unterstützt die Vesperkirche von Beginn an.

Der Verlag Nürnberger Presse unterstützt die Vesperkirche von Beginn an. © Roland Fengler, NNZ

Manche mit herausgehobenen Positionen in den Kirchen erweckten den Eindruck, "die Moral mit einem besonders großen Löffel gegessen zu haben", sagt Beckstein. So sieht er es kritisch, wenn die junge Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Anna-Nicole Heinrich, den Gemeinden empfehle, auch mit radikalen Klimaschutz-Gruppen zu kooperieren. Die Schöpfung zu bewahren und den nachfolgenden Generationen eine gute Welt zu hinterlassen, sei fraglos ein wichtiges Ansinnen, so Beckstein. Doch Deutschland mit einem Anteil von etwas über zwei Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen werde kaum einen Einfluss auf das Klima haben, selbst wenn es bei den Emissionen auf Null komme. Vielmehr müsse Deutschland sich darauf konzentrieren, die technischen Lösungen zu erfinden, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten.

Der Talk mit Günther Beckstein beginnt am Mittwoch, 8. Februar, um 13 Uhr in der Vesperkirche. Am 15. Februar ist zum Abschluss der Veranstaltungsreihe die Pianistin Hilde Pohl zu Gast.

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