„Die soft sculpture wirkt auf mich aber auch unheimlich sexy“: Dunja Schneider neben dem Werk „Spooning in Love and Anger“.
© Malte Lin-Kröger, NN
„Die soft sculpture wirkt auf mich aber auch unheimlich sexy“: Dunja Schneider neben dem Werk „Spooning in Love and Anger“.

Lieblingswerk

"Berührend": Dunja Schneider mag im Kunstpalais Erlangen die Skulptur von Zuzanna Czebatul

In dieser Serie stellen Menschen aus Erlangen ihre Lieblingswerke aus der Städtischen Sammlung vor, die aktuell in der Ausstellung „High Five. Die Sammlung in Bewegung“ im Kunstpalais am Marktplatz gezeigt werden. „High Five“ ist noch bis zum 5. Mai 2024 im Kunstpalais zu sehen - nicht aber dieses Werk, denn während der Laufzeit wird die Ausstellung sich vielfach wandeln. Bis Ende Oktober kann die Ausstellung daher mit einem einmalig gekauften Ticket beliebig oft besucht werden.

"Touchy, sexy, catchy": Dunja Schneider über „Spooning in Love and Anger“ von Zuzanna Czebatul

"Bitte nicht berühren" steht vor der Skulptur auf dem Boden. Das fällt so schwer, denn eigentlich würde man genau das gerne tun. Dieses Kunstwerk ist so touchy, catchy und sexy - sehr berührend! Angesichts der Arbeit von Zuzanna Czebatul kreisen meine Gedanken sofort um menschliche Berührung, um Verbundensein, aber auch um Verschlingungen – nicht nur der hier abstrahierten menschlichen Extremitäten, sondern eben auch im übertragenen Sinn. Die Skulptur lädt auf den ersten Blick mit ihrer absurden Erscheinung und den haptischen Qualitäten dazu ein, sich auf Augenhöhe zu begeben. Schon bei der Ausstellungseröffnung von "High Five" fand ich das in einer Ecke des Ausstellungsraums platzierte, genähte Schlangengebilde mit überlebensgroßen Händen und Füßen aus Vinyl sehr ansprechend und lustig und bin mit einer Kunstvermittlerin darüber ins Gespräch gekommen.

Die soft sculpture in den drei Farben rosa, pastellgelb und silber-gräulich mit einem Schlangenhautmuster wirkt auf mich aber auch unheimlich sexy – aufgrund der Qualitäten des glatten Vinyls der Oberflächen und der weichen Baumwoll-Füllung. An manchen Stellen ist die genähte Skulptur prall gefüllt und wirkt angespannt. Schauen Sie sich die Zehen einmal genauer an, die sehen so witzig aus! In der Mitte liegen die Hände, die mich ein wenig an Micky-Maus-Hände erinnern, dagegen entspannt auf. Ganz oben sehen wir eine Schlangenmuster-Hand und eine in rosa, die locker ineinandergefügt sind. Hey, die halten ja richtig süß Händchen! Ist das vielleicht ein Comic-Liebesspiel? Das Geschlecht jedenfalls bleibt uneindeutig. Der Titel führt uns gedanklich weiter: „Spooning in Love and Anger“. Spooning, von Spoon, der Löffel, meint das Löffelliegen, das Sich-Zusammenkuscheln. Auf der Beschriftung neben der Skulptur wird auch auf die Löffelchenposition beim Sex verwiesen.

Das Löffelliegen entdeckt man in der Skulptur weniger in der Form als auf der Metaebene: das Bedürfnis nach Berührung; wie schön es sein kann, andere Menschen zu spüren und der Wunsch nach mehr Körperlichkeit und mehr Verbundenheit miteinander, nach mehr Liebe. Dem entgegen stehen jedoch Verflechtung, Verstrickung, Verknotung. Wer hat die Macht in der Beziehung, aber auch in Systemen? Wer passt sich an oder wird gar gezwungen, sich anzupassen? Dadurch ist die Wut (Anger) eigentlich schon vorprogrammiert. Ich habe ja ein bisschen das Gefühl, dass in dieser Skulptur die Schlange der Boss ist. Zuzanna Czebatul, deren Werke längst international Beachtung finden, hat schon in ihrer ersten Soloausstellung „Happy Deppy Ecstasy Archive“ im Kunstpalais Erlangen gezeigt, dass sie sich in ihrem komplexen, bildhauerischen Werk intensiv mit Macht und Machtverhältnissen beschäftigt.

Mich fasziniert ihre Herangehensweise an verschiedenste Materialien und die umfassende Beschäftigung damit, was alles Bildhauerei sein kann. In der Solo-Ausstellung gab es eine aufblasbare Skulptur, die riesengroß war, so dass sie fast nicht in den Raum passte. Hier haben wir dagegen eine kleinere Arbeit vor uns, die sich in dem großen Ausstellungsraum in ihren Dimensionen eher zurückhaltend ausnimmt – und das Näherkommen, genauere Hinschauen und Wahrnehmen herausfordert. Lassen Sie sich berühren, aber berühren Sie nichts. So schwer es fällt.

Dunja Schneider studierte Kunstgeschichte, Christliche Archäologie und Buchwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Kunstgeschichte an der Universität Wien sowie Theaterpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Sie promovierte bei Prof. Dr. Hans Dickel. Seit 2019 ist sie Programmbereichsleitung für Kultur an der Volkshochschule Erlangen. Zuvor war sie überwiegend in Museen tätig: 2010 bis 2019 als Leitung der Kunstvermittlung am Lentos Kunstmuseum Linz, 2006-2007 war sie Mitarbeiterin von skulptur projekte münster 07. Ihr Museums-Volontariat absolvierte die gelernte Schriftsetzerin am Gutenberg-Museum in Mainz.

Kunstpalais, Museum für zeitgenössische Kunst Erlangen.
Marktplatz 1, Palais Stutterheim, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr.

www.kunstpalais.de


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