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Unsere Buchtipps für den November

29.11.2021, 10:07 Uhr
1981 erschien mit "Reine Nervensache" sein erstes Album - vier Jahrzehnte später blickt der Musiker Heinz Rudolf Kunze nun in seiner Autobiografie "Werdegang" (Reclam, 28 Euro) zurück. Ein unterhaltsames und stellenweise berührendes Buch, dessen Schwerpunkt auf den frühen Jahren von Kunzes Karriere liegt. So erfährt der Leser freilich auch, wie "Dein ist mein ganzes Herz" (1985) entstand, der bis heute größte Hit des 1956 geborenen Künstlers. "Ein Ende des Gehens ist zum Glück noch nicht abzusehen", schreibt Kunze in Anspielung auf seinen Song "Meine eigenen Wege". Die Fans wird es freuen. Marco Puschner
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1981 erschien mit "Reine Nervensache" sein erstes Album - vier Jahrzehnte später blickt der Musiker Heinz Rudolf Kunze nun in seiner Autobiografie "Werdegang" (Reclam, 28 Euro) zurück. Ein unterhaltsames und stellenweise berührendes Buch, dessen Schwerpunkt auf den frühen Jahren von Kunzes Karriere liegt. So erfährt der Leser freilich auch, wie "Dein ist mein ganzes Herz" (1985) entstand, der bis heute größte Hit des 1956 geborenen Künstlers. "Ein Ende des Gehens ist zum Glück noch nicht abzusehen", schreibt Kunze in Anspielung auf seinen Song "Meine eigenen Wege". Die Fans wird es freuen. Marco Puschner © Reclam Verlag/Montage: Sabine Schmid

Liebesgefühle zu sortieren kann dem Aufräumen in einem Tante-Emma-Laden gleichkommen. Die Hauptfigur in Peter Stamms wunderbarem neuen Roman ist Archivar. Als sein Zeitungsverlag ihn entlässt, führt er den Bestand bei sich im Keller weiter. Dort legt er Ordner an, manche bleiben leer; andere Dokumente, nicht weniger wichtig, sind die in seiner Erinnerung, über die er beim Spazierengehen nachdenkt. Der Schweizer Stamm hat seinen ganz eigenen Stil im Ausloten menschlicher Beziehungen gefunden. Was bleibt, was ist weg? Und was ist mit der Jugendliebe Franziska, mit der es wieder zu einem Treffen kommt? "Das Archiv der Gefühle", ein Wechselspiel, das berührt. (S. Fischer, 22 Euro). Christian Mückl
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Liebesgefühle zu sortieren kann dem Aufräumen in einem Tante-Emma-Laden gleichkommen. Die Hauptfigur in Peter Stamms wunderbarem neuen Roman ist Archivar. Als sein Zeitungsverlag ihn entlässt, führt er den Bestand bei sich im Keller weiter. Dort legt er Ordner an, manche bleiben leer; andere Dokumente, nicht weniger wichtig, sind die in seiner Erinnerung, über die er beim Spazierengehen nachdenkt. Der Schweizer Stamm hat seinen ganz eigenen Stil im Ausloten menschlicher Beziehungen gefunden. Was bleibt, was ist weg? Und was ist mit der Jugendliebe Franziska, mit der es wieder zu einem Treffen kommt? "Das Archiv der Gefühle", ein Wechselspiel, das berührt. (S. Fischer, 22 Euro). Christian Mückl © S. Fischer Verlag/Montage: Sabine Schmid

Man stelle sich vor, ein genetischer Doppelgänger nistet sich im eigenen Leben ein. Das Etikett "Weltliteratur" vergibt der Fernseh-Buchkritiker Denis Scheck nur selten – in diesen Roman hat er sich offensichtlich verliebt. Verständlich, denn "Die Anomalie" hat alles, um sich für Vielleser wohltuend aus der Masse abzuheben. Einen verrückten Plot, eine schlaue Konstruktion, Witz und Tiefgang gleichermaßen. Der Franzose Hervé Le Tellier erhielt für sein Schelmenstück über ein sich am Himmel verdoppelndes Flugzeug den Prix Goncourt 2020. Toll! (Rowohlt, 22 Euro) Isabel Lauer
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Man stelle sich vor, ein genetischer Doppelgänger nistet sich im eigenen Leben ein. Das Etikett "Weltliteratur" vergibt der Fernseh-Buchkritiker Denis Scheck nur selten – in diesen Roman hat er sich offensichtlich verliebt. Verständlich, denn "Die Anomalie" hat alles, um sich für Vielleser wohltuend aus der Masse abzuheben. Einen verrückten Plot, eine schlaue Konstruktion, Witz und Tiefgang gleichermaßen. Der Franzose Hervé Le Tellier erhielt für sein Schelmenstück über ein sich am Himmel verdoppelndes Flugzeug den Prix Goncourt 2020. Toll! (Rowohlt, 22 Euro) Isabel Lauer © Rowohlt Verlag/Montage: Sabine Schmid

Da ist dieses Geräusch. Dumpf, als würde Gott Möbel rücken. Ist es real oder Einbildung? Nadja lebt seit 30 Jahren mit ihrem Mann in den Wäldern im Westen Russlands. Voller Idealismus haben sie sich einst aus der Zivilisation zurückgezogen, nun sind sie alt und einsam. In dem faszinierenden Roman "Phon" geht es um Selbsterkenntnis, den Sinn des Lebens, um Verlust und Tod. Die Niederländerin Marente de Moor erzählt eine raue Geschichte mit Abzweigungen ins Märchenhafte – ganz wunderbar. (Hanser, 24 Euro) Gabi Eisenack
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Da ist dieses Geräusch. Dumpf, als würde Gott Möbel rücken. Ist es real oder Einbildung? Nadja lebt seit 30 Jahren mit ihrem Mann in den Wäldern im Westen Russlands. Voller Idealismus haben sie sich einst aus der Zivilisation zurückgezogen, nun sind sie alt und einsam. In dem faszinierenden Roman "Phon" geht es um Selbsterkenntnis, den Sinn des Lebens, um Verlust und Tod. Die Niederländerin Marente de Moor erzählt eine raue Geschichte mit Abzweigungen ins Märchenhafte – ganz wunderbar. (Hanser, 24 Euro) Gabi Eisenack © Carl Hanser Verlag/Montage: Sabine Schmid

Mit einem Selbstfindungstrip befreit sich die junge Hedwig von der fesselnden Fürsorge ihrer Großmutter, bei der sie aufwuchs: Jahrzehnte nach deren Tod in einem Brief. Was banal beginnt, entwickelt sich zu einer packenden Lebensbeichte. Die Wiener Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar findet in "Hedwig heißt man doch nicht mehr" für ihre Protagonistin warme Worte mit einer melancholischen Note. Und man bekommt Lust auf die Gassen Wiens und ein Glas Heurigen... (Residenz, 25 Euro) Michaela Höber
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Mit einem Selbstfindungstrip befreit sich die junge Hedwig von der fesselnden Fürsorge ihrer Großmutter, bei der sie aufwuchs: Jahrzehnte nach deren Tod in einem Brief. Was banal beginnt, entwickelt sich zu einer packenden Lebensbeichte. Die Wiener Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar findet in "Hedwig heißt man doch nicht mehr" für ihre Protagonistin warme Worte mit einer melancholischen Note. Und man bekommt Lust auf die Gassen Wiens und ein Glas Heurigen... (Residenz, 25 Euro) Michaela Höber © Residenz Verlag/Montage: Sabine Schmid

Wenn ein Schauspieler tatsächlich auch des Schreibens mächtig ist, dann wird um ihn gleich so ein Hype veranstaltet, dass man gar nicht mehr nachkommt: Edgar Selge geht es gerade so, dessen Roman "Hast du uns endlich gefunden" (Rowohlt, 24 Euro) als das Herbstereignis auf dem Buchmarkt beworben wird. Nun, Selge hat eine schöne Sprache, ironisch und ein wenig schnoddrig ist er auch – aber letztlich lesen wir hier auch wieder nur Erinnerungen an die Kindheit nach dem Motto "Wie wurde ich, was ich bin?". Der Clou bei Selges halbfiktionalem Eintauchen in die Adoleszenz: er wächst in den fünfziger Jahren in einem bürgerlichen Haushalt auf, in dem sich regelmäßig Strafgefangene zum Kammerkonzert einfinden, weil der Vater ein fortschrittlich sein wollender Knast-Direktor ist.  Bernd Noack
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Wenn ein Schauspieler tatsächlich auch des Schreibens mächtig ist, dann wird um ihn gleich so ein Hype veranstaltet, dass man gar nicht mehr nachkommt: Edgar Selge geht es gerade so, dessen Roman "Hast du uns endlich gefunden" (Rowohlt, 24 Euro) als das Herbstereignis auf dem Buchmarkt beworben wird. Nun, Selge hat eine schöne Sprache, ironisch und ein wenig schnoddrig ist er auch – aber letztlich lesen wir hier auch wieder nur Erinnerungen an die Kindheit nach dem Motto "Wie wurde ich, was ich bin?". Der Clou bei Selges halbfiktionalem Eintauchen in die Adoleszenz: er wächst in den fünfziger Jahren in einem bürgerlichen Haushalt auf, in dem sich regelmäßig Strafgefangene zum Kammerkonzert einfinden, weil der Vater ein fortschrittlich sein wollender Knast-Direktor ist.  Bernd Noack © Rowohlt Verlag/Montage: Sabine Schmid

Eine kleine Familie zieht von Israel weg in die USA, weil sie glaubt, dort in Sicherheit leben zu können. Ein Irrtum, natürlich. Der so liebevoll behütete Sohn wird selbst zum Problemfall. Hat er einen Menschen umgebracht? Ayelet Gundar-Goshen ist eine Meisterin des subtilen Horrors – das beweist die Israelin auch in ihrem neuen Roman "Wo der Wolf lauert". (Kein & Aber, 25 Euro). Gabi Eisenack
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Eine kleine Familie zieht von Israel weg in die USA, weil sie glaubt, dort in Sicherheit leben zu können. Ein Irrtum, natürlich. Der so liebevoll behütete Sohn wird selbst zum Problemfall. Hat er einen Menschen umgebracht? Ayelet Gundar-Goshen ist eine Meisterin des subtilen Horrors – das beweist die Israelin auch in ihrem neuen Roman "Wo der Wolf lauert". (Kein & Aber, 25 Euro). Gabi Eisenack © Kein & Aber Verlag/Montage: Sabine Schmid

Man kannte ihn bislang als den großen Dekadenten, der mit seinem Roman "Gegen den Strich" eintauchte in eine obskure Welt der heftigsten Begierden. Davor jedoch war dieser später weltabgewandte und dem Katholizismus verfallene Joris-Karl Huysmans ein fast schon unheimlich genauer Beobachter der Wirklichkeit. In "Die Schwestern Vatard" (Friedenauer Presse, 20 Euro) beschreibt er atmosphärisch punktgenau die widrigen Verhältnisse des Pariser Proletariats, die Existenznöte und schäbigen Freuden zwischen Kneipe und zerwühlten Betten derer, die zum Leben zu wenig und nicht mal zum Sterben ausreichend hatten. Ohne Hochmut und Sozialkitsch porträtiert er den Alltag der kleinen Leute in den grauen Winkeln der Glitzerstadt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Sehr geschmeidig übersetzt von Gernot Krämer.  Bernd Noack  
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Man kannte ihn bislang als den großen Dekadenten, der mit seinem Roman "Gegen den Strich" eintauchte in eine obskure Welt der heftigsten Begierden. Davor jedoch war dieser später weltabgewandte und dem Katholizismus verfallene Joris-Karl Huysmans ein fast schon unheimlich genauer Beobachter der Wirklichkeit. In "Die Schwestern Vatard" (Friedenauer Presse, 20 Euro) beschreibt er atmosphärisch punktgenau die widrigen Verhältnisse des Pariser Proletariats, die Existenznöte und schäbigen Freuden zwischen Kneipe und zerwühlten Betten derer, die zum Leben zu wenig und nicht mal zum Sterben ausreichend hatten. Ohne Hochmut und Sozialkitsch porträtiert er den Alltag der kleinen Leute in den grauen Winkeln der Glitzerstadt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Sehr geschmeidig übersetzt von Gernot Krämer.  Bernd Noack   © Friedenauer Presse/Montage: Sabine Schmid

In Frankreich ist es eine besondere Auszeichnung, wenn einem Schriftsteller schon zu Lebzeiten ein sogenanntes Cahier de L'Herne" gewidmet wird, ein wuchtiger Sammelband mit Beiträgen von Kollegen, Journalisten und Künstlern. Michel Houellebecq, dem Enfant terrible der französischen Gegenwartsliteratur, wurde jetzt die Ehre zuteil, der Dumont Verlag legt das Kompendium voller Würdigungen, kritischer Auseinandersetzungen, persönlichen Aufzeichnungen und Briefen, künstlerischen Annäherungen auf Deutsch vor (44 Euro). Die das Phänomen "Houellebecq" umkreisenden Beiträge stammen von so unterschiedlichen Autoren wie Salman Rushdie, Julian Barnes, Iggy Pop oder Julia Encke, die Spuren in Werk und Leben des Mannes verfolgen, der so gerne mit dem Leiden an der Welt kokettiert und sich öffentlich trotzdem immer wieder kreuzfidel zeigt. Ein Schwarzmaler mit Lichtblicken eben. Bernd Noack    
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In Frankreich ist es eine besondere Auszeichnung, wenn einem Schriftsteller schon zu Lebzeiten ein sogenanntes Cahier de L'Herne" gewidmet wird, ein wuchtiger Sammelband mit Beiträgen von Kollegen, Journalisten und Künstlern. Michel Houellebecq, dem Enfant terrible der französischen Gegenwartsliteratur, wurde jetzt die Ehre zuteil, der Dumont Verlag legt das Kompendium voller Würdigungen, kritischer Auseinandersetzungen, persönlichen Aufzeichnungen und Briefen, künstlerischen Annäherungen auf Deutsch vor (44 Euro). Die das Phänomen "Houellebecq" umkreisenden Beiträge stammen von so unterschiedlichen Autoren wie Salman Rushdie, Julian Barnes, Iggy Pop oder Julia Encke, die Spuren in Werk und Leben des Mannes verfolgen, der so gerne mit dem Leiden an der Welt kokettiert und sich öffentlich trotzdem immer wieder kreuzfidel zeigt. Ein Schwarzmaler mit Lichtblicken eben. Bernd Noack     © DuMont Buchverlag/Montage: Sabine Schmid

George Orwells wegweisendes Werk "1984" ist jedem ein Begriff, und die Angst vor Kontrolle und Überwachung begleitet uns heute mehr denn je. Auch als Graphic Novel zieht der Roman den Leser schnell und tief in die Schreckensfantasie, um die es sich ja dreht. Die Zeichnungen von Fido Nesti sind düster und betörend gleichermaßen - und passen damit perfekt zu Orwells Dystopie. Die Szenerie wird mit großer hypnotischer Kraft umgesetzt, die Farben spiegeln Beklemmung und Tristesse. (Ullstein, 25 Euro) Andrea Munkert
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George Orwells wegweisendes Werk "1984" ist jedem ein Begriff, und die Angst vor Kontrolle und Überwachung begleitet uns heute mehr denn je. Auch als Graphic Novel zieht der Roman den Leser schnell und tief in die Schreckensfantasie, um die es sich ja dreht. Die Zeichnungen von Fido Nesti sind düster und betörend gleichermaßen - und passen damit perfekt zu Orwells Dystopie. Die Szenerie wird mit großer hypnotischer Kraft umgesetzt, die Farben spiegeln Beklemmung und Tristesse. (Ullstein, 25 Euro) Andrea Munkert © Penguin Random House Verlagsgruppe/Montage: Sabine Schmid

Miljenko Jergovic packt die jüngere jugoslawische Geschichte in das Bild eines Verkehrsunfalls. Ein serbisches Paar erfasst mit seinem Auto den Sohn eines kroatischen Bürgerkriegsgenerals. Das Unglück zieht Pogrome gegen die Serben nach sich, die Regierung macht damit Stimmung. Aber es geht auch um Geschosssplitter, die immer noch in den Körpern stecken und heraus wollen. Jergocivs Buch "Der rote Jaguar" geht unter die Haut, steckt die ethnischen Konflikte und historischen Details gekonnt in einzelne Biogafien – mit der Gefahr, sich dabei mitunter zu verzetteln. (Schöffling, 22 Euro). Christian Mückl
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Miljenko Jergovic packt die jüngere jugoslawische Geschichte in das Bild eines Verkehrsunfalls. Ein serbisches Paar erfasst mit seinem Auto den Sohn eines kroatischen Bürgerkriegsgenerals. Das Unglück zieht Pogrome gegen die Serben nach sich, die Regierung macht damit Stimmung. Aber es geht auch um Geschosssplitter, die immer noch in den Körpern stecken und heraus wollen. Jergocivs Buch "Der rote Jaguar" geht unter die Haut, steckt die ethnischen Konflikte und historischen Details gekonnt in einzelne Biogafien – mit der Gefahr, sich dabei mitunter zu verzetteln. (Schöffling, 22 Euro). Christian Mückl © Schöffling & Co./Montage: Sabine Schmid

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