Brecht als Vorbild
Kurios und unterhaltsam: "Bettlers Jazz Opera" feierte Premiere
9.7.2023, 18:10 Uhr
Oper im Kulturforum: Mit der „Bettlers Jazz Opera“ brachten die Bürgerbühnen-Werkstätten Schauspiel und Gesang ein außergewöhnliches Stück in einer außergewöhnlichen Inszenierung zur Premiere.
Das war ein Wagnis von Michaela Domes (Regie) und Ingeborg Schilffarth (Musikalische Leitung), das sich bezahlt machte. An drei Abenden lief das Stück mit Unterstützung von Sängerinnen und Sängern der Fränkischen Kantorei – die Darstellerinnen und Darsteller bewiesen dabei ihr satirisches Können.
Die Bearbeitung der „Beggar’s Opera“ nach John Gay und Johann Christoph Pepusch, die im Übrigen auch Bertolt Brecht als Vorlage für die Dreigroschenoper diente, wurde ausgeschmückt durch moderne Jazz-Arrangements von Budde Thiem, live umgesetzt von Franzi Teichert am Piano.
Die brechtschen Themen sind von Anfang an unübersehbar, und die persönlichen Verstrickungen der handelnden Figuren sind schon in der Originalvorlage reichlich vorhanden. Ein namenloser Bettler führt ein in die Handlung. Da ist Macheath, zwielichtiger Bandenchef und notorischer Schwerenöter. Er ist verheiratet mit Polly Peachum, Tochter des Advokaten Peachum, der seinem Schwiegersohn in kriminellen Machenschaften um nichts nachsteht. Da er mit einer Provision an der Überführung von Kriminellen beteiligt ist, macht er gemeinsame Sache mit Gefängnisdirektorin Frau Lockit, die durch frühzeitige Entlassungen dafür sorgt, dass das verbrecherische Treiben nicht abebbt.
Hoffen auf ein Happy End
Und wie soll es anders sein, Frau Lockit hat ebenfalls eine Tochter, Lucy, mit der Macheath eine Affäre beginnt. Unweigerlich kreuzen sich die Wege seiner Frauen – für Macheath eine schlechte Wendung, die letztendlich dazu beiträgt, dass er an den Galgen soll. Doch der Bettler, Erzähler der Geschichte, schreitet ein: Die Zuhörerschaft verlangt nach einem Happy End, findet er. Dem Gauner bleibt, ganz Deus ex Machina, die Hinrichtung erspart.
Im Kulturforum wird das Stück zum Wandertheater: Statt einer frontalen Bühne gibt es mehrere Podeste und Schauplätze, zwischen denen die Szenen springen. Auch von Stühlen muss sich das Publikum verabschieden. Sitzmöglichkeiten gibt es nur bei Bedarf und die Zuschauerinnen und Zuschauer schlendern gemeinsam mit dem Opernchor, der sich unter das Volk mischt, von Szene zu Szene und von Bühne zu Bühne – als Zeugen der Handlung.
Mit viel Irrwitz und Elan erwecken die Schauspielerinnen und Schauspieler die Oper zum Leben, konterkariert durch melodramatischen Operngesang. Ulrike Eller als Lucy und Elisabeth Trautmann als Polly überzeugen als die erst unbedarften und dann nicht weniger listigen betrogenen Frauen. Joachim Baumann und Angela Deger-Schuhmann geben als Mr. und Mrs. Peachum ein herrlich durchtriebenes Paar, und auch Robert Martin spielt einen wunderbar feisten Macheath.
Unperfektes als Stilelement
Die Kostüme (gestaltet von Anke Kreuzer-Scharnagl) persiflieren barocke Opernszenen, einige der „Bettler“ werden unterstrichen durch halbfertige Kostüme. Unter wallenden Gewändern lugen Reifröcke hervor, statt fertigem Haar sind mancherorts Perückenhauben zu sehen.
In etwas über einer Stunde zeigt die „Bettlers Jazz Opera“ das bewegte Leben des Macheath. Eine Geschichte über Gier, Macht und Liebe, die auch Bertolt Brecht 200 Jahre nach ihrer Erstaufführung noch als zeitgemäß erachtete. Der Bettler und Erzähler macht mit einem treffenden Vergleich zu Cum-Ex-Geschäften deutlich, dass sich dieser Umstand auch weitere hundert Jahre später nicht verändert hat.
Ein kurioser wie unterhaltsamer Abend aus der Wiege des „Brückenbaus“, der zu guter Letzt die immerwährende Frage Brechts zurücklässt: „Denn wovon lebt der Mensch?“
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