
„Wollte was zurückgeben“
Liebesgeschichte um Organspende im Kreis Fürth: 74-Jähriger schenkt seiner Frau eine Niere
Roland und Sieglinde P. aus dem Landkreis Fürth dürften mit ihrer Geschichte viele Menschen berühren. Denn: Der 74-Jährige hat seiner Frau eine Niere gespendet. Zum Tag der Organspende an diesem Wochenende (07/08.06.2025) möchte das Paar nun andere Betroffene ermutigen.
Wie das Uniklinikum Erlangen mitteilte, erkrankte Sieglinde P. bereits im Alter von 40 Jahren an IgA-Nephritis – einer unheilbaren Nierenerkrankung, die mit einer fortschreitenden Einschränkung der Nierenfunktion einhergeht. Lange Zeit lebte die Wahl-Mittelfränkin trotz der chronischen Entzündung weitgehend beschwerdefrei. Doch 2024 kam es zur Wende: Die Nierenfunktion verschlechterte sich zunehmend; 30 Jahre nach der Diagnose musste die Patientin nun mehrmals wöchentlich an die Dialyse angeschlossen werden.
Aus Liebe: 74-Jähriger aus dem Kreis Fürth schenkte seiner Frau eine Niere
Die einzige Alternative: eine Nierentransplantation. Aber Sieglinde P. war zunächst skeptisch. „Die Wartezeit für ein Spenderorgan beträgt acht bis neun Jahre – das bringt mir in meinem Alter doch nichts mehr! So dachte ich damals“, erinnert sie sich. Als das Team des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg am Uniklinikum Erlangen schließlich eine Lebendnierenspende vorschlug, war ihr Ehemann jedoch fest entschlossen: „Ich hatte in meinem Leben viel Glück und war nie ernsthaft krank. Also dachte ich mir: Wenn es medizinisch möglich ist, möchte ich meiner Frau eine meiner Nieren spenden.“
Gesagt, getan – die Vorbereitung, die Organentnahme und die anschließende Transplantation gelangen. Bereits wenige Tage nach dem Eingriff können Roland und Sieglinde P. jetzt das Krankenhaus verlassen.
Doch der Weg bis hierher war nicht einfach. „Alles begann damit, dass mein Blutdruck deutlich erhöht war“, sagt Sieglinde P. im Rückblick. „Also ging ich zum Hausarzt. Der überwies mich schließlich zum Nephrologen.“ Dort bestätigte eine Biopsie den Verdacht: IgA-Nephritis. Eine Autoimmunreaktion des Körpers führt dabei zu Ablagerungen in den Nierenkörperchen, die deren Filtereinheiten schädigen – und somit die Funktionsfähigkeit des gesamten Organs beeinträchtigen.
„Die Prognose war eigentlich gut. Etwa zwei Drittel der Betroffenen können ohne gravierende Einschränkungen mit der Erkrankung leben. Ich selbst habe das bei meiner Mutter gesehen, sie war ebenfalls an IgA-Nephritis erkrankt und ist stolze 89 Jahre alt geworden“, berichtet Sieglinde P.
Zum Zeitpunkt der Diagnose war die Patientin daher voller Zuversicht. Von da an versuchte sie ihre Nierenfunktion durch eine gesunde, ausgewogene Ernährung und einen aktiven Lebensstil bestmöglich zu unterstützen. Hinzu kamen regelmäßige Kontrollen beim Nephrologen – erst jährlich, später halbjährlich. „Letztlich habe ich es mit viel Disziplin fast 30 Jahre lang geschafft, meine Nieren trotz der Einschränkung am Laufen zu halten!“, so die heute 71-Jährige stolz.
Aber: Trotz eiserner Disziplin verschlechterte sich ihre Nierenfunktion, die Kontrollbesuche in den Praxen häuften sich. Im Januar 2024 stand fest: Eine Dialyse ist unausweichlich. Im Fall von Sieglinde P. kam letztlich nur die regelmäßige Hämodialyse infrage, dreimal pro Woche, jeweils mehrere Stunden im Dialysezentrum.
Patientenseminar als Hoffnungsgeber: „Gleich ein ganz anderes Gefühl“
Obwohl Sieglinde P. einer Nierentransplantation aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und der langen Wartezeit kritisch gegenüberstand, ermunterte ihr Nürnberger Nephrologe Dr. Stefan Graf sie dazu, sich zu informieren und eines der Patientenseminare des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg zu besuchen. Das Ehepaar nahm schließlich an zwei Terminen teil.
Dank der Erfahrungsberichte von Ärzten und anderen Betroffenen dort bekam das Paar „gleich ein ganz anderes Gefühl für die Organspende – alles erschien auf einmal viel greifbarer“, erinnert sich Sieglinde P. und merkt an, ihr Mann habe direkt danach gesagt, „dass er mir eine seiner Nieren spenden möchte“. Roland P. erklärt dazu: „Meine Frau musste während unserer Ehe mehrmals für mich zurückstecken, etwa damit ich meinen beruflichen Traum verwirklichen konnte. Nach all den Jahren wollte ich ihr etwas zurückgeben.“
„Beide müssen gesundheitlich fit sein“
„Die Entscheidung für eine Lebendnierenspende ist immer, aber vor allem im fortgeschrittenen Alter, sorgfältig abzuwägen“, betont Prof. Dr. Mario Schiffer, Direktor der Medizinischen Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie des Uniklinikums Erlangen. „Schließlich soll es sowohl dem Spender als auch der Empfängerin nach dem Eingriff gut beziehungsweise besser gehen.“
Daher finde am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg eine umfassende Aufklärung statt. „Ebenso stellen wir in verschiedenen Voruntersuchungen die medizinische Eignung des Spender-Empfänger-Paars fest; beide müssen gesundheitlich fit sein.“
Nach unzähligen Untersuchungen und wochenlanger Unsicherheit kam dann endlich die befreiende Nachricht: Das Ehepaar aus dem Landkreis Fürth war für eine Lebendnierentransplantation geeignet. „Da haben wir uns schon ein bisschen gefreut“, sagt Sieglinde P. bescheiden.
Der große Tag und vier kleine Schnitte
Dann kam der große Tag. „Bei einer Lebendnierenspende finden sowohl die Organentnahme als auch die Transplantation zeitgleich am selben Tag statt. Dadurch wird die Ischämiezeit – also die Zeit, in der das entnommene Organ ohne Blutversorgung außerhalb des Körpers verbleibt – so kurz wie möglich gehalten“, erklärt Operateur PD Dr. Hendrik Apel, leitender Oberarzt in der Urologischen und Kinderurologischen Klinik. Und weiter: Die Organentnahme bei Herrn P. sei minimalinvasiv mit der Schlüssellochtechnik erfolgt. „Über vier kleine Schnitte in der Bauchdecke und einen etwa fünf Zentimeter langen Schnitt im Unterbauch konnten wir die Niere entnehmen.“
Auch die anschließende Transplantation wurde in einem möglichst schonenden Verfahren durchgeführt. Prof. Dr. Georg Weber, stellvertretender Direktor der Chirurgischen Klinik, der die Operation gemeinsam mit Apel leitete, betont: „Natürlich birgt jeder operative Eingriff ein gewisses Risiko. Die Nierentransplantation gehört jedoch zu unseren Routineeingriffen und ist in der Regel sehr gut verträglich.“
Endlich wieder wandern, singen, walken
Wenige Tage nach der Operation konnten Roland und Sieglinde P. nun zurückkehren in ihren Alltag – einen Alltag, der sich fortan ganz anders gestalten wird. „Jetzt, wo die Dialyse entfällt, werde ich so viel Zeit haben, dass ich wahrscheinlich erst mal gar nicht weiß, was ich damit anfangen soll“, meinte die 71-Jährige am Tag der Entlassung lachend und fügte hinzu: „Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder zu walken und Rad zu fahren, im Chor zu singen und wandern zu gehen.“
Auch Roland P. hat Pläne: „Jetzt am Anfang lasse ich es natürlich ruhig angehen. Aber ich freue mich, schon bald wieder auf dem Fußballplatz zu stehen.“ Sichtlich bewegt bedankte sich das Ehepaar zum Abschied beim Ärzteteam des Uniklinikums.
Das 500. Lebendnierenspendepaar
Auch Dr. Katharina Heller, Leiterin der Geschäftsstelle des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg, wirkte dabei gelöst, denn: „Wir fiebern mit jedem Paar mit. Umso schöner, dass unser 500. Lebendnierenspendepaar fast 60 Jahre nach der allerersten Transplantation am Uniklinikum Erlangen so zufrieden ist!“
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