
Spannende Einblicke
Tag des Handwerks: Azubis zeigen Fürther Gymnasiasten ihren Alltag
Was ist die Lieblingstorte der Deutschen? Wofür braucht man CNC-Technik im Möbelbau? Was ist Papillotieren? Und woher kommt das Gemüse auf unserem Esstisch? Spannende Fragen wie diese ließen sich etwa 60 Schülerinnen und Schüler aus den neunten Klassen des Fürther Heinrich-Schliemann-Gymnasiums aus erster Hand beantworten – von gleichaltrigen Auszubildenden. Beim "Tag des Handwerks" im Beruflichen Schulzentrum an der Fichtenstraße holten sie sich Einblicke in deren Arbeitsalltag und durften auch selbst aktiv werden.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder startete dieses Projekt 2022, um mehr junge Leute für Handwerksberufe zu interessieren, wie es in einer Pressemitteilung der Kreishandwerkerschaft Fürth heißt. Im Schuljahr 2022/23 kooperierten die beiden Fürther Schulen dabei erstmals. Die Berufsschule, an der Lehrlinge aus sieben Handwerkszweigen ergänzend zum praktischen Know-how aus den Betrieben ihre theoretischen Grundlagen erhalten, öffnete gern ihre Türen. "Es ist wichtig, dass 15- oder 16-Jährige mal sehen, was Gleichaltrige so machen, und dass ganz normale Jugendliche wie sie im Handwerk tätig sind", sagt Schulleiter Ralf Dambier. Für die Azubis sei es eine schöne Möglichkeit, sich und ihren Beruf zu präsentieren. Und man könne gleichzeitig die Lehrkräfte dafür sensibilisieren, dass es eine erfolgreiche berufliche Zukunft außerhalb von Uni oder Büro gebe.
Wie die aussehen kann, erlebten die Gymnasiasten – begleitet von ihren Wirtschaftslehrern Matthias Kamm, Doris Eberle, Ulrike Wenning und Maren Wippermann – in vier Gruppen je eine Stunde lang in vier Werkstätten. In der Backstube durften sie frisch gebackene Plätzchen in Form von EM-Trikots, Lamas, Dinos oder Hanfblättern mit Zuckerguss aus der Spritztüte farbig verzieren. Tipps dazu gaben Michaela von Wittke, Bäckermeisterin und Fachlehrerin, und etwa ein Dutzend Lehrlinge. Muhammad aus dem Iran, der sich als Bäcker in Deutschland eine neue Existenz aufbauen will, half auf Englisch, Malina Pelzel, die ihre Lehre zur Konditorin im Café Mengin in Erlangen absolviert, auf Deutsch. Die 17-Jährige freute sich über die Gelegenheit, "unsere Leidenschaft mit anderen zu teilen". Das mache Spaß, zumal die Gymnasiasten eifrig Fragen stellten.

Dass es in der Backstube stets ziemlich warm ist, wurde den Gästen schnell bewusst. Dennoch fand es die 15-jährige Maja "cool", berichtet die Kreishandwerkerschaft, selbst etwas handwerklich tun zu dürfen. Ebenso ihre Klassenkameradin Lola, die künftig öfter mal zuhause in der Küche mitmischen möchte. Klar, dass sie ihre Werke auch verkosten durften. Informationen zu den beliebtesten Kuchen im Land (Schwarzwälder Kirsch, Streuselkuchen & Co.) und zu den schönsten Gebäcken des Berufsschuljahres (Macarons, Donuts, Hefezöpfe) rundeten die Präsentation ab.
Bei den Schreinern erklärte Fachlehrer Gilles Yapi, wie der Prozess von einer Idee bis zum hochwertigen Möbelstück verläuft. Beispiel: sein Azubi-Projekt "In the Box", in dem jeder das Motto frei interpretieren konnte – zum Beispiel als Werkzeugkiste oder als Weinregal. Den Einsatz von CNC-Anlagen (Computerized Numerical Control) in der Schreinerei schilderte Sandra Zeisler, die ein Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) absolviert, aus Sicherheitsgründen nur in der Theorie. Vielleicht macht solch hochkomplexe Technik das Schreinerhandwerk bei Gymnasiasten beliebt: Laut Yappi haben 20 bis 25 Prozent seiner Lehrlinge Abi, viele studieren später noch.
An einem Dutzend Übungsköpfen föhnen, Volumen entwickeln, Flechttechniken anwenden und "Papillotieren", also Haarsträhnen zu Sechserlocken aufdrehen – das durften die Schülerinnen und Schüler in der Werkstatt des Friseurhandwerks. Unter Anleitung von Stefanie Scholz-Markacz und gut 15 Azubis erleben sie damit einen praktischen Querschnitt durchs erste Lehrjahr. "Wenn die erste Hemmschwelle weg ist, interessiert das auch die Jungen", berichtete die Fachlehrerin, in deren Berufsschulklasse einige Abiturientinnen sind. Im Bereich Landwirtschaft gab Jörg Schirmer Einblicke in die Inhalte der Ausbildung - von der Agrartechnik bis zu den Bauernprotesten.
Für künftige "Tage des Handwerks" kann sich Schulleiter Ralf Dambier vorstellen, interessierte Betriebe einzubeziehen oder auch schulische Events, für die deren Schüler zuvor die Brötchen backen helfen. Thomas Mörtel, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, sähe gern weitere Berufe, etwa aus den Branchen Kfz, Sanitär/Heizung/Klima, Elektro und Metall, bei diesem Konzept mit dabei. Denn ein wichtiges Ziel des Projekts ist es, handwerkliche Ausbildung und Gymnasium näher zueinander zu bringen.
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