25 Jahre Cinecittà: Nürnberger Kinopalast feiert Geburtstag

17.10.2020, 10:25 Uhr
Das gläserne Eingangsfoyer des Cinecittà ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken, im Frühjahr 2020 herrschte jedoch auch hier wegen des Lockdowns ungewohnte Stille.
 
  

© Foto: Günter Distler Das gläserne Eingangsfoyer des Cinecittà ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken, im Frühjahr 2020 herrschte jedoch auch hier wegen des Lockdowns ungewohnte Stille.  

Die Branchenvertreter waren mehr als skeptisch: "Das rechnet sich nicht", bei der Größe könne man ein anspruchsvolles Programm vergessen und müsse "quer durch den Garten Kommerz spielen", außerdem sei das Angebot längst ausreichend und der Nürnberger bekanntlich ein Kinomuffel. Bei der Debatte, zu der FDP-Stadtrat Utz W. Ulrich 1992 die lokalen Kinobetreiber eingeladen hatte, gab es etliche Einwände gegen ein Projekt, das damals noch "CineCitta" geschrieben wurde.

Sicher spielte da auch die Angst vor der Konkurrenz mit – die sich nicht in dem Maße bestätigte, wie befürchtet. Zwar haben einige Lichtspielhäuser wie das Apollo, das Atlantik und das Museum-Kino dicht gemacht, doch insgesamt verfügt Nürnberg heute über eine bestens aufgestellte Kinolandschaft.

Einst Stadt der Kinomuffel

Kinomuffel aber waren die Nürnberger Anfang der 90er Jahre wirklich. Im Schnitt ging jeder Einwohner zweieinhalb Mal pro Jahr ins Kino. Bei der Besucherfrequenz rangierte die Frankenmetropole deutschlandweit ganz hinten. Außer Wolfram Weber glaubte niemand in der Branche daran, dass ein Multiplex mit zwölf Sälen und 3000 Plätzen in Nürnberg eine Chance hat.

Fünf Jahre nach der Eröffnung des Cinecittà ließ Wolfram Weber für das IMAX die mit 35 Metern "tiefste Baugrube Deutschlands" am Gewerbemuseumsplatz ausbuddeln.

Fünf Jahre nach der Eröffnung des Cinecittà ließ Wolfram Weber für das IMAX die mit 35 Metern "tiefste Baugrube Deutschlands" am Gewerbemuseumsplatz ausbuddeln. © Foto: Günter Distler

Weber, als Betreiber von Meisengeige, Casablanca und (dem inzwischen geschlossenen) Atrium sowie dem Erlanger Manhattan ein Pionier der Szene, hat sich von den damaligen Bedenken nicht beirren lassen. Das Beispiel der seit 1985 in vielen europäischen Großstädten entstehenden Multiplexe vor Augen, war er überzeugt, dass ein solches Haus in Nürnberg funktioniert. Und auch wenn die Kollegen anfangs wenig davon hielten – bei der Stadt stießen Webers Pläne auf offene Ohren.

Sein ursprünglicher Vorschlag, auf dem ehemaligen Gelände der Landesgewerbeanstalt einen gemeinsamen Neubau für die Stadtbibliothek und das Kinozentrum zu errichten, gefiel vor allem Oberbürgermeister Peter Schönlein. Nachdem der Stadtrat grünes Licht gegeben hatte, planten öffentlicher und privater Investor gemeinsam.

Oben sollte die Stadtbibliothek einziehen, unter der Erde das Kino. Kommunaler Bildungsbetrieb und kommerzielle Nutzung vereint unter einem Dach – in exponierter Lage, am Anfang der von Schönlein mit großem Ehrgeiz verfolgten Kulturmeile: Das klang verlockend. Doch dann explodierten die Kosten. Die Stadt, ohnehin knapp bei Kasse, machte einen Rückzieher, Weber hielt an seinem Projekt fest.

Im Nachhinein war es ein Glücksfall, dass die Bauherren getrennte Wege gingen und der Kinovisionär das Cinecittà im Alleingang realisierte. Nicht im Keller versteckt (auch wenn ein Großteil der Säle unterirdisch liegt), sondern mit einem freistehenden Glasbauwerk als Flaggschiff, an das sich der übrige Gebäudekomplex harmonisch anschließt. Der Entwurf der Nürnberger Architekten Detlef Schneider und Ulrich Herbst erntete auf Anhieb viel Lob.

In nur anderthalb Jahren Bauzeit wurde das Cinecittà dann Wirklichkeit. "Wir sind haarscharf fertig geworden", sagt Weber und erinnert sich schmunzelnd daran, wie der riesige Ansturm, der am 18. Oktober 1995 den ganzen Innenstadtverkehr lahmlegte, die Arbeiter buchstäblich aus dem Gebäude drängte. Als Gratis-Eröffnungsfilm wurde zur Kino-Primetime um 22 Uhr in rappelvollen Sälen "Apollo 13" gezeigt.

Cinecittà: 40 Millionen Besucher in 25 Jahren

Das Cinecittà war vom Start weg eine Erfolgsgeschichte. Die zwei stillen Beteiliger, die Weber halfen, seinen 52 Millionen Mark teuren Kinotraum wahr zu machen, sind längst ausbezahlt. Bald kamen weitere elf Säle hinzu, darunter das 2000 in 35 Metern unter der Erde ("Deutschlands tiefste Baugrube") errichtete Imax, aus dem 2010 das Cinemagnum wurde. Dessen 600 Quadratmeter große Riesenleinwand – noch ein Superlativ – ist die größte Europas.

Rund 40 Millionen Kinobesucher erlebte das Cinecittà in 25 Jahren. Hinzu kommt der Gastrobereich, der das Multiplex zusätzlich zum Hotspot macht. Das Einzugsgebiet reicht weit in die Region hinaus. Und beim Ticketverkauf liegt das Cinecittà heute bundesweit an der Spitze, gleichauf mit dem Mathäser Filmpalast in München.

Nun hat Corona die Erfolgsgeschichte ausgebremst, das Jubiläum, das am Sonntag ohne Events gefeiert wird, fällt in eine Zeit, in der viele Kinos ums Überleben kämpfen. Die Einbrüche wegen des Lockdowns und der seit dem Neustart geltenden Abstandsregeln, die nur Kapazitätsauslastungen von 25 bis 30 Prozent erlauben, "sind dramatisch", so Weber. Bislang habe sich die Branche dank der staatlichen Hilfen retten können. "Aber wenn nicht mehr Unterstützung von der Politik kommt, gibt es ein Kinosterben."

Um sein eigenes Überleben fürchte Weber nicht, auch wenn das Cinecittà 2020 ein negatives Ergebnis einfahren werde. "Uns wird es weiter geben. Wir werden die Corona-Krise überstehen." Weber kann das sagen, weil er bei der Programmplanung in seinem 23-Säle-Haus sehr flexibel reagieren kann und "in der Summe immer noch nennenswerte Besucherzahlen" verbucht – und weil er sich "in der glücklichen Situation" befindet, Betreiber und Investor zugleich zu sein.

Technisch auf dem neuesten Stand

Jammern ist für den sportlichen 73-Jährigen ohnehin ein Fremdwort – ebenso wie "Ruhestand", auch wenn seine Tochter Laura Weber seit 2010 die Geschäfte gemeinsam mit ihm führt. Bei der Digitalisierung hatte er von Anfang an die Nase vorn, brachte seine Kinos bildtechnisch permanent auf den allerneuesten Stand und war 2012 bundesweit der erste, der das Soundsystem Dolby Atmos installierte.

Elf Säle sind inzwischen damit ausgerüstet, 15 mit 3D-Technik, von der ihn endgültig James Cameron überzeugte. "Als Cameron 'Avatar' als riesiges, digitales 3D-Projekt ankündigte, wollte ich bis zum Start mindestens das halbe Cinecittà digitalisiert haben", erzählt Weber. Er hat es nicht bereut. Mit 240.000 Besuchern spielte das in jeder Hinsicht spektakuläre Science-Fiction-Abenteuer 2009 mit einem Schlag die Hälfte der Investitionskosten ein.

Weber: "Rosige Zukunft" für die Branche

Kinofans schätzen die Top-Qualität, die ihnen Webers "Imperium" bietet. Nürnberg ohne Cinecittà ist heute kaum mehr vorstellbar. "Unser Einzugsgebiet umfasst zwei bis drei Millionen Menschen. Die bringen auch viel Kaufkraft in die Stadt. Ich glaube schon, dass wir eine Riesenbereicherung für Nürnberg sind", sagt er. Widersprechen dürfte ihm wohl niemand. Oberbürgermeister Marcus König und andere lokale Politprominenz senden zum Jubiläum Grußbotschaften per Trailer in die Kinosäle und auf Social Media, da dürfte es viele warme Worte regnen.

Trotz Corona sieht Weber eine "rosige Zukunft" für die Branche. Wenn all die Blockbuster, die jetzt verschoben wurden, von "James Bond" über "Black Widow" bis "Fast & Furious 9" 2021 ins Kino drängen, werden die Überlebenden schnell genesen. Das Cinecittà, daran lässt der Kinotycoon keinen Zweifel, gehört mit Sicherheit dazu.

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