Kolumne

2G-Plus: Warum im Kino, aber nicht im Wirtshaus, Herr Minister?

14.1.2022, 13:55 Uhr
Hält er die Aerosole im Kino für gefährlicher als die im Wirtshaus? Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. 

© Tobias Hase/dpa; Grafik: Ralph Meidl; Montage: Sabine Schmid Hält er die Aerosole im Kino für gefährlicher als die im Wirtshaus? Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. 

Lieber Klaus Holetschek,

neuerdings pendle ich mit einer S-Bahn in die große Stadt. Super, oder? Die Züge sehen nun länger aus als früher, kommen aber noch genauso selten. Dafür sind sie älter und lauter, und an der Bahnsteigkante müssen die Passagiere jetzt wieder klettern. Aber was soll’s, irgendwas, das ich noch nicht erkennen kann, ist mit der "S 6" bestimmt viel toller als mit der alten Regionalbahn.

Die Wege zur Arbeit erlebe ich oft als kleine Reisen in den Alltagswahnsinn. Während draußen die endlichen Weiden Westmittelfrankens vorbeiziehen und neben mir Aktentaschenträger dösen und Kopfhörer laute Beats in junge Schädel hämmern, suchen mich die merkwürdigsten Gedanken heim. Kürzlich habe ich etwa überlegt, wo ich mehr Lebenszeit verbracht habe: in Kneipen, in Kinos oder in Zügen. Und das, Herr Holetschek, lag auch an Ihnen, dem bayerischen Gesundheitsminister.

Nachdem die Staatsregierung beschlossen hatte, Kultureinrichtungen weiter mit 2G-Plus (inklusive der 25-Prozent-Obergrenze bei der Kapazität) zu belegen, es in den Wirtshäusern aber bei 2G zu belassen, waren die Reaktionen programmiert: Erleichterung an den Zapfhähnen, Wutschnauben an Theater- und Kinokassen. Sollten Sie diese Ungleichbehandlung überdenken wollen, Herr Holetschek, lasse ich Sie hier gerne durch meine Bürgerbrille blicken.

Um es kurz zu machen: Ich unterstütze die fränkische Wirtshauskultur sicher aktiver als die hiesigen Schauspielhäuser. Wenn die im Internet zu findende Statistik stimmt, bin ich kein Einzelfall. Da kommen die Deutschen im Schnitt auf gut einen Kinobesuch pro Jahr. Ins Theater oder in die Oper gehen die meisten bekanntlich noch seltener bis gar nicht. Warum, Herr Holetschek, liegt die Corona-Latte dort dennoch höher? Wenn Sie mich noch durch Druck vom Impfen zu überzeugen suchten - keine Sorge, ich bin geboostert -, müssten Sie mir eher den Zugang zum Schäufele erschweren als den zur nächsten Episode von Star Wars. Ferner leuchtet mir kaum ein, warum ein meist schweigendes, zudem dezimiertes Kinopublikum gefährlicher atmen sollte als schwatzende Biertrinker. Oder gibt es dazu spezielle Studien?

Wie Sie bemerkt haben, Herr Minister, halte ich Wirte für systemrelevant. Trotzdem: Wäre es, nüchtern betrachtet, nicht geboten, auch in Gaststätten zusätzlich das Booster-Zertifikat oder einen Test zu verlangen? Falls die Lage wirklich ernst ist, laufen wir doch sonst Gefahr, dass bald alle komplett schließen müssen, weil wir feststellen: Hoppla, jetzt hilft nur noch ein Lockdown!

Übrigens werde ich im Zug seit Kurzem endlich auf 3G kontrolliert. Die Regel gilt seit November, hatte aber bislang niemanden interessiert. Möglicherweise steht das "S" bei meiner neuen Superduperbahn ja einfach nur für: "Sicherheit".

0 Kommentare