Kreativort Villibald

Bei Ganoven-Gabi daheim: In Nürnbergs Norden entsteht ein Erinnerungsprojekt zur NS-Geschichte

18.2.2024, 11:00 Uhr
Im "Villibald" in der Pirckheimerstraße 32 kann sich der Besucher auf eine historische Spurensuche begeben.

© Roland Fengler Im "Villibald" in der Pirckheimerstraße 32 kann sich der Besucher auf eine historische Spurensuche begeben.

Im Norden Nürnbergs entsteht ein Erinnerungsprojekt der besonderen Art: Das Theater- und Medien-Kollektiv Loci schickt die Besucher mit Smartphone und Kopfhörern in der gelben Villa in der Pirckheimerstraße 32 auf Spurensuche.

Gabriele Lehmann, genannt Ganoven-Gabi, hat einst in dem Haus in der Pirckheimerstraße gewohnt. 

Gabriele Lehmann, genannt Ganoven-Gabi, hat einst in dem Haus in der Pirckheimerstraße gewohnt.  © Harald Sippel

Dort wohnte und arbeitete einst die stadtbekannte Anwältin "Ganoven-Gabi" Gabriele Lehmann, die als junge Frau an den Nürnberger Prozessen mitwirkte. Aber nicht nur das: In derselben Villa musste Emilie Löb in der Reichspogromnacht den Mord an ihrem Mann Simon miterleben.

Jetzt entsteht mit der Mixed-Media-Inszenierung "Das Haus der Frau L" eine Art Videowalk durch die Räume des dort beheimateten Kreativorts und Begegnungsraums Villibald. Damit wollen die Macher die Zeitschichten des Hauses öffnen und die Lebensgeschichten der beiden Frauen lebendig werden lassen, die auf teils extrem unterschiedliche Art von der NS-Zeit geprägt waren.

Getroffen haben sich die beiden nie. Dennoch haben sie in den Zimmern des Hauses Spuren hinterlassen: Spuren von Karriere, Erfolg und Zugehörigkeit, aber auch von Einsamkeit, Ausgrenzung und Verbrechen.

Zwischen Macht und Ohnmacht

"Das Publikum ist eingeladen, auf die Suche nach Verbindungen zu gehen", sagen Maria Pfeiffer und Niklas Kammermeier, die Gründer von Loci. Gemeint sind "Verbindungen zwischen unterschiedlichen Lebensentscheidungen angesichts des NS-Terrors. Zwischen Macht und Ohnmacht. Zwischen Recht und Unrecht. Zwischen individuellen Schicksalen und universellen Sehnsüchten. Vor allem aber zwischen der Vergangenheit und dem Heute".

Das Kollektiv arbeitet an der Schnittstelle von Theater, Medienkunst und Ausstellung und hat sich auf das Erlebbarmachen historischer Orte spezialisiert. Für "Das Haus der Frau L" recherchierte Loci fast zwei Jahre lang zur Geschichte der Villa. Man besuchte Archive in ganz Deutschland, entdeckte Angehörige in den USA, Israel und Europa, reiste bis nach Südfrankreich, hörte zahlreiche spannende Geschichten von Nachbarn und Zeitzeuginnen und diskutierte mit Experten der Erinnerungskultur.

Der junge "Kreativort Villibald", mit dem Loci für "Das Haus der Frau L" kooperiert, ist eine historische Stadtvilla, die Raum für gemeinsames kreatives Arbeiten, Inspiration und Begegnung ermöglicht. Die geschichtsträchtige Villa wurde umfassend restauriert und 2022 – nach fast zehn Jahren Leerstand – als neuer Kreativort Villibald eröffnet.

"Das Haus der Frau L" soll ihn nun um eine spannende Facette bereichern: Die Inszenierung wird für alle Besucher des Ortes zugänglich sein und veranstaltungsunabhängig die Möglichkeit bieten, in die historischen Zeitschichten des Hauses einzutauchen.


Nach der Eröffnung am 8. März um 19 Uhr wird "Das Haus der Frau L" für die Öffentlichkeit auch an den zwei darauffolgenden Sonntagen, 10. und 17. März, jeweils von 14 bis 16 Uhr sowie am Freitag, 22. März von 17 bis 19 Uhr zugänglich und danach dauerhaft für Gruppen buchbar sein. Weitere Info unter: www.loci-kollektiv.de.

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