Wiedersehen

Fußball bremst den "Tatort" aus: Welche Wiederholungen die ARD während der WM zeigt

26.11.2022, 05:55 Uhr
Die Kommissare Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter, r) und Frank Thiel (Axel Prahl, l) ermitteln gemeinsam auf der Herrentoilette eines Gasthauses.

© WDR/Martin Valentin Menke, NN Die Kommissare Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter, r) und Frank Thiel (Axel Prahl, l) ermitteln gemeinsam auf der Herrentoilette eines Gasthauses.

"Erkläre Chimäre" heißt der Fall aus dem Jahr 2015, der am Sonntag, 27. November, in der ARD zu sehen ist, während im ZDF die Deutschen gegen Spanien kicken. In dem Fall kommen sich Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) so nahe wie noch nie.

Boernes Erbonkel aus Amerika (originell besetzt mit Ex-„Schwarzwaldklinik“-Traumprinz Christian Kohlund) ist nämlich nicht nur stinkreich, sondern auch stockschwul: Und da Boerne ja dem schnöden Mammon äußerst zugeneigt ist, gibt er sich flugs ebenfalls als homosexuell aus. Blöd nur, dass Onkel Gustav plötzlich beschließt, den Neffen zu besuchen. Also muss der schnuckelige Kollege und Nachbar Thiel als angeblicher Ehemann herhalten...

Unsere Kritikerin schrieb damals: "Es geht drunter und drüber in diesem „Tatort“, dessen Handlung natürlich hanebüchener Humbug ist und jeglicher Glaubwürdigkeit entbehrt. Aber man erwartet ja auch nichts anderes von den Münsteranern. Thiel knottert, Boerne doziert, Staatsanwältin Klemm pafft eine nach der nächsten. Ach ja, und Assistentin Nadeshda Krusenstern, die normalste in diesem aberwitzigen Figuren-Kosmos, wird endlich zur Kommissarin befördert. Für Fans ist der Fall natürlich Pflicht, wenngleich er unter den 27 bisher gesendeten eher im unteren Mittelfeld rangiert. Die Nummer mit dem homosexuellen Ehepaar ist halt ein bisschen sehr billig: Zwar gut für Gags und auch für das Zusammenspiel von Prahl und Liefers, aber arg abgedroschen. Spaß macht der Klamauk trotzdem." Und Kennern der Reihe bietet er jetzt ein Wiedersehen mit der längst ausgestiegenen Nadeshda (Friederike Kempter).

Der Täter hat zum zweiten Mal zugeschlagen und einen Jogger erschossen. Thorsten Lannert (Richy Müller) und Andrea Botros (Isabel Schosnig) vom LKA prüfen, wo der Standort des Schützen war.

Der Täter hat zum zweiten Mal zugeschlagen und einen Jogger erschossen. Thorsten Lannert (Richy Müller) und Andrea Botros (Isabel Schosnig) vom LKA prüfen, wo der Standort des Schützen war. © SWR/Benoît Linder, SWR/Benoît Linder

Gleich im Anschluss daran gibt es um 21.45 Uhr einen "Tatort" aus Stuttgart, der 2020 erstmals lief. Er gefiel unserer Kritikerin damals gut: "Die Episode gehört definitiv zu den besseren." Sie fängt nervenaufreibend an, wenn die Zuschauer durch ein Visier quasi live bei der Auswahl der Mordopfer dabei sind: Scheinbar wahllos erschießt da jemand Menschen in der Stadt. Den ersten Mord an einer Journalistin begleitet ein Schreiben an die Kommissare – mit der Zahl 1, was die Ermittler fürchten lässt, dass es bald noch mehr Tote geben wird. Dann folgt die Forderung: drei Millionen in bar.

Bis Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller) das Muster hinter den Anschlägen entschlüsseln, erhält das Publikum rätselhafte Einblicke in eine andere Welt: Eine Frau tanzt innig mit einem Mann in der Wohnung, der Besitzer eines Zeitungs- und Tabakladens hat eine Phobie, das Haus zu verlassen und scheint an einem Vorfall in der Vergangenheit zu leiden.

Drehbuchautor Wolfgang Stauch und Regisseurin Friederike Jehn knüpfen eifrig am Spannungs-Teppich – und verraten dann in Minute 37, wer der Täter ist. Dazu unsere Kritikerin: "Das tut der Qualität aber keinen Abbruch." Im Kommissariat grübeln die Ermittler zusammen mit Kollegen vom LKA (mit den erwartbaren Kabbeleien über Kompetenzen), wie sie weitere Morde verhindern können, nachdem eine erste komplizierte Geldübergabe gescheitert ist.

Zudem darf die Öffentlichkeit von der Mordserie nichts mitkriegen, weil sonst Panik ausbrechen könnte. Da kommt nochmal Staatsanwältin Alvarez ins Spiel, die damit ihre „Tatort“-Karriere in Stuttgart beendet. Allmählich wird klar, dass große Gefühle, der Tod eines Mannes durch unterlassene Hilfeleistung (angelehnt an einen realen Fall 2016) und Hoffnungslosigkeit der Antrieb des Täters sind. Tolle Besetzung (unter anderem Katja Bürkle und Karl Markowicz), guter Soundtrack und eine vertrackte, aber glaubwürdige Geschichte – was will man mehr vom „Tatort“?

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